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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei.
ein gewisses Mindestmass erreichen. Dieses ist ausserordentlich ver-
schiedenartig festgesetzt und schwankt von 16 ha (Württemberg) bis 167 ha
(Sachsen). In Oesterreich beträgt das Mindestmass des zur eigenen
Jagdausübung berechtigenden Grundbesitzes 115 ha.

Strassen und Wege, Flüsse und Bäche unterbrechen den Zusammen-
hang nicht; übrigens sind die Anforderungen bezüglich des Zusammen-
hanges nicht immer klar gefasst.

Die Jagdausübung ist ferner ohne Rücksicht auf die Flächenaus-
dehnung dem Besitzer gestattet auf allen mit einer dichten Einfriedigung
versehenen Grundstücken. Ähnlich lauten die Bestimmungen bezüglich
der Seen, Teiche, Inseln u. s. w.

Keinerlei Beschränkung bezüglich der Ausdehnung des Grundbesitzes
unterliegt das Jagdrecht in Oldenburg, Frankreich, Italien, England,
Belgien und Russland. In der Schweiz ist die Jagd Staatsregal.

Ungleichmässig sind die Bestimmungen bezüglich der Jagdausübung
auf den unmittelbar an Wohngebäude angrenzenden Gehöften und
Gärten. Hier ist in mehreren Staaten dem Besitzer die Jagdausübung
gestattet, wenn sie durch eine Umfriedigung begrenzt oder sonst voll-
ständig abgeschlossen sind (Bayern, Württemberg, Frankreich), in an-
deren darf nur das zu Schaden gehende Wild erlegt werden.

Bei gemeinschaftlichem Eigentume darf die Jagd gewöhnlich
höchstens von drei Personen ausgeübt werden, Gemeinden und Kor-
porationen sollen das Jagdrecht auf ihrem Gelände nur durch Verpach-
tung oder durch angestellte Jäger ausüben lassen.

Die Jagdausübung auf Grundstücken, welche von einem fremden
Jagdgebiete (z. B. grösseren Waldungen) umschlossen sind, aber selbst
das erforderliche Mindestmass für einen selbständigen Jagdbezirk nicht
besitzen (Enklaven), wird entweder dem Eigentümer der umschliessen-
den Ländereien gegen angemessene Entschädigung übertragen (Bayern)
oder ruht gänzlich, wenn ihr Eigentümer hierauf nicht eingehen will
(Preussen). In Preussen erhält derselbe indessen das Recht zur selb-
ständigen Jagdausübung ohne Rücksicht auf die Flächengrösse, wenn
der Waldeigentümer auf Anerbieten des Besitzers von dem Anpachtungs-
rechte keinen Gebrauch macht.

Die Grundsätze für die Enklavenbildung sind übrigens auch insofern
verschieden, als in einigen Ländern ein vollständiges Umschlossensein
verlangt wird (Bayern), während in Preussen schon ein Umschlossensein
von mehr als der Hälfte ("grösstenteils") genügt. Ebenso kommt meist
die Grösse des umschliessenden Jagdbezirkes nicht in Betracht; in Preu-
ssen ist hierzu erforderlich, dass letzterer ein Wald von mehr als 766 ha
Grösse ist, welcher eine einzige Besitzung bildet.

Diejenigen Grundeigentümer, welche das Recht zur Jagdausübung
nicht selbst besitzen, sind meist gesetzlich gezwungen, ihre Grund-

1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei.
ein gewisses Mindestmaſs erreichen. Dieses ist auſserordentlich ver-
schiedenartig festgesetzt und schwankt von 16 ha (Württemberg) bis 167 ha
(Sachsen). In Oesterreich beträgt das Mindestmaſs des zur eigenen
Jagdausübung berechtigenden Grundbesitzes 115 ha.

Straſsen und Wege, Flüsse und Bäche unterbrechen den Zusammen-
hang nicht; übrigens sind die Anforderungen bezüglich des Zusammen-
hanges nicht immer klar gefaſst.

Die Jagdausübung ist ferner ohne Rücksicht auf die Flächenaus-
dehnung dem Besitzer gestattet auf allen mit einer dichten Einfriedigung
versehenen Grundstücken. Ähnlich lauten die Bestimmungen bezüglich
der Seen, Teiche, Inseln u. s. w.

Keinerlei Beschränkung bezüglich der Ausdehnung des Grundbesitzes
unterliegt das Jagdrecht in Oldenburg, Frankreich, Italien, England,
Belgien und Ruſsland. In der Schweiz ist die Jagd Staatsregal.

Ungleichmäſsig sind die Bestimmungen bezüglich der Jagdausübung
auf den unmittelbar an Wohngebäude angrenzenden Gehöften und
Gärten. Hier ist in mehreren Staaten dem Besitzer die Jagdausübung
gestattet, wenn sie durch eine Umfriedigung begrenzt oder sonst voll-
ständig abgeschlossen sind (Bayern, Württemberg, Frankreich), in an-
deren darf nur das zu Schaden gehende Wild erlegt werden.

Bei gemeinschaftlichem Eigentume darf die Jagd gewöhnlich
höchstens von drei Personen ausgeübt werden, Gemeinden und Kor-
porationen sollen das Jagdrecht auf ihrem Gelände nur durch Verpach-
tung oder durch angestellte Jäger ausüben lassen.

Die Jagdausübung auf Grundstücken, welche von einem fremden
Jagdgebiete (z. B. gröſseren Waldungen) umschlossen sind, aber selbst
das erforderliche Mindestmaſs für einen selbständigen Jagdbezirk nicht
besitzen (Enklaven), wird entweder dem Eigentümer der umschlieſsen-
den Ländereien gegen angemessene Entschädigung übertragen (Bayern)
oder ruht gänzlich, wenn ihr Eigentümer hierauf nicht eingehen will
(Preuſsen). In Preuſsen erhält derselbe indessen das Recht zur selb-
ständigen Jagdausübung ohne Rücksicht auf die Flächengröſse, wenn
der Waldeigentümer auf Anerbieten des Besitzers von dem Anpachtungs-
rechte keinen Gebrauch macht.

Die Grundsätze für die Enklavenbildung sind übrigens auch insofern
verschieden, als in einigen Ländern ein vollständiges Umschlossensein
verlangt wird (Bayern), während in Preuſsen schon ein Umschlossensein
von mehr als der Hälfte („gröſstenteils“) genügt. Ebenso kommt meist
die Gröſse des umschlieſsenden Jagdbezirkes nicht in Betracht; in Preu-
ſsen ist hierzu erforderlich, daſs letzterer ein Wald von mehr als 766 ha
Gröſse ist, welcher eine einzige Besitzung bildet.

Diejenigen Grundeigentümer, welche das Recht zur Jagdausübung
nicht selbst besitzen, sind meist gesetzlich gezwungen, ihre Grund-

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[310/0328] 1. Kapitel. Jagdrecht und Jagdpolizei. ein gewisses Mindestmaſs erreichen. Dieses ist auſserordentlich ver- schiedenartig festgesetzt und schwankt von 16 ha (Württemberg) bis 167 ha (Sachsen). In Oesterreich beträgt das Mindestmaſs des zur eigenen Jagdausübung berechtigenden Grundbesitzes 115 ha. Straſsen und Wege, Flüsse und Bäche unterbrechen den Zusammen- hang nicht; übrigens sind die Anforderungen bezüglich des Zusammen- hanges nicht immer klar gefaſst. Die Jagdausübung ist ferner ohne Rücksicht auf die Flächenaus- dehnung dem Besitzer gestattet auf allen mit einer dichten Einfriedigung versehenen Grundstücken. Ähnlich lauten die Bestimmungen bezüglich der Seen, Teiche, Inseln u. s. w. Keinerlei Beschränkung bezüglich der Ausdehnung des Grundbesitzes unterliegt das Jagdrecht in Oldenburg, Frankreich, Italien, England, Belgien und Ruſsland. In der Schweiz ist die Jagd Staatsregal. Ungleichmäſsig sind die Bestimmungen bezüglich der Jagdausübung auf den unmittelbar an Wohngebäude angrenzenden Gehöften und Gärten. Hier ist in mehreren Staaten dem Besitzer die Jagdausübung gestattet, wenn sie durch eine Umfriedigung begrenzt oder sonst voll- ständig abgeschlossen sind (Bayern, Württemberg, Frankreich), in an- deren darf nur das zu Schaden gehende Wild erlegt werden. Bei gemeinschaftlichem Eigentume darf die Jagd gewöhnlich höchstens von drei Personen ausgeübt werden, Gemeinden und Kor- porationen sollen das Jagdrecht auf ihrem Gelände nur durch Verpach- tung oder durch angestellte Jäger ausüben lassen. Die Jagdausübung auf Grundstücken, welche von einem fremden Jagdgebiete (z. B. gröſseren Waldungen) umschlossen sind, aber selbst das erforderliche Mindestmaſs für einen selbständigen Jagdbezirk nicht besitzen (Enklaven), wird entweder dem Eigentümer der umschlieſsen- den Ländereien gegen angemessene Entschädigung übertragen (Bayern) oder ruht gänzlich, wenn ihr Eigentümer hierauf nicht eingehen will (Preuſsen). In Preuſsen erhält derselbe indessen das Recht zur selb- ständigen Jagdausübung ohne Rücksicht auf die Flächengröſse, wenn der Waldeigentümer auf Anerbieten des Besitzers von dem Anpachtungs- rechte keinen Gebrauch macht. Die Grundsätze für die Enklavenbildung sind übrigens auch insofern verschieden, als in einigen Ländern ein vollständiges Umschlossensein verlangt wird (Bayern), während in Preuſsen schon ein Umschlossensein von mehr als der Hälfte („gröſstenteils“) genügt. Ebenso kommt meist die Gröſse des umschlieſsenden Jagdbezirkes nicht in Betracht; in Preu- ſsen ist hierzu erforderlich, daſs letzterer ein Wald von mehr als 766 ha Gröſse ist, welcher eine einzige Besitzung bildet. Diejenigen Grundeigentümer, welche das Recht zur Jagdausübung nicht selbst besitzen, sind meist gesetzlich gezwungen, ihre Grund-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/328>, abgerufen am 28.03.2024.