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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Zwickel der Berge kommt hier ein schöner Fluss aus
der Erde hervor, der vermuthlich auch Höhlen bil¬
det. Hier sind, nach aller Lokalität, gewiss Virgils
Felsen des Timavus und ich sah stolz umher, dass ich
nun ausgemacht den klassischen Boden betrat. Der
Einschnitt zwischen den Bergen, oder das Thal zwi¬
schen Santa Croce und Montefalkone macht noch jetzt
der Beschreibung der Alten Ehre. Unten rechts am
Meere stand vermuthlich der Heroentempel im Haine,
und links etwas weiter herauf am Ausflusse des Tima¬
vus war der Hafen. Ich schlug mich hier rechts von
der geraden Strasse nach Venedig ab über die Berge
hinüber nach Görz, welches sechs ziemlich starke
Meilen von Triest liegt. Wenn man einmahl über
die Berge hinüber ist, welche freylich etwas kahl sind,
hat man die schönsten Weinthäler. Der Wein wird
hier schon nach italiänischer Weise behandelt, hängt
an Ulmen oder Weiden, und macht, wo die Gegend
etwas nachhilft, schöne Gruppierungen.

Von Görz nach Gradiska sind die Berge links
ziemlich sanft und man hat die grossen Höhen in be¬
trächtlicher Entfernung rechts: und wenn man über
Gradiska nach Palma Nuova heraus kommt, ist man
ganz in der schönen Fläche des ehemahligen venetia¬
nischen Friaul, hat links fast lauter Ebene bis zur See
und nur rechts die ziemlich hohen Friauler Alpen.
Von Görz nach Udine stehen im Kalender fünf Mei¬
len; aber Oestreichische Offiziere versicherten mich,
es seyen gute sieben Meilen; und ich fand Ursache
der Versicherung zu glauben. Palma Nuova war eine
venetianische Gränzfestung, und nun hausen die Kai¬

Zwickel der Berge kommt hier ein schöner Fluſs aus
der Erde hervor, der vermuthlich auch Höhlen bil¬
det. Hier sind, nach aller Lokalität, gewiſs Virgils
Felsen des Timavus und ich sah stolz umher, daſs ich
nun ausgemacht den klassischen Boden betrat. Der
Einschnitt zwischen den Bergen, oder das Thal zwi¬
schen Santa Croce und Montefalkone macht noch jetzt
der Beschreibung der Alten Ehre. Unten rechts am
Meere stand vermuthlich der Heroentempel im Haine,
und links etwas weiter herauf am Ausflusse des Tima¬
vus war der Hafen. Ich schlug mich hier rechts von
der geraden Straſse nach Venedig ab über die Berge
hinüber nach Görz, welches sechs ziemlich starke
Meilen von Triest liegt. Wenn man einmahl über
die Berge hinüber ist, welche freylich etwas kahl sind,
hat man die schönsten Weinthäler. Der Wein wird
hier schon nach italiänischer Weise behandelt, hängt
an Ulmen oder Weiden, und macht, wo die Gegend
etwas nachhilft, schöne Gruppierungen.

Von Görz nach Gradiska sind die Berge links
ziemlich sanft und man hat die groſsen Höhen in be¬
trächtlicher Entfernung rechts: und wenn man über
Gradiska nach Palma Nuova heraus kommt, ist man
ganz in der schönen Fläche des ehemahligen venetia¬
nischen Friaul, hat links fast lauter Ebene bis zur See
und nur rechts die ziemlich hohen Friauler Alpen.
Von Görz nach Udine stehen im Kalender fünf Mei¬
len; aber Oestreichische Offiziere versicherten mich,
es seyen gute sieben Meilen; und ich fand Ursache
der Versicherung zu glauben. Palma Nuova war eine
venetianische Gränzfestung, und nun hausen die Kai¬

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[85/0111] Zwickel der Berge kommt hier ein schöner Fluſs aus der Erde hervor, der vermuthlich auch Höhlen bil¬ det. Hier sind, nach aller Lokalität, gewiſs Virgils Felsen des Timavus und ich sah stolz umher, daſs ich nun ausgemacht den klassischen Boden betrat. Der Einschnitt zwischen den Bergen, oder das Thal zwi¬ schen Santa Croce und Montefalkone macht noch jetzt der Beschreibung der Alten Ehre. Unten rechts am Meere stand vermuthlich der Heroentempel im Haine, und links etwas weiter herauf am Ausflusse des Tima¬ vus war der Hafen. Ich schlug mich hier rechts von der geraden Straſse nach Venedig ab über die Berge hinüber nach Görz, welches sechs ziemlich starke Meilen von Triest liegt. Wenn man einmahl über die Berge hinüber ist, welche freylich etwas kahl sind, hat man die schönsten Weinthäler. Der Wein wird hier schon nach italiänischer Weise behandelt, hängt an Ulmen oder Weiden, und macht, wo die Gegend etwas nachhilft, schöne Gruppierungen. Von Görz nach Gradiska sind die Berge links ziemlich sanft und man hat die groſsen Höhen in be¬ trächtlicher Entfernung rechts: und wenn man über Gradiska nach Palma Nuova heraus kommt, ist man ganz in der schönen Fläche des ehemahligen venetia¬ nischen Friaul, hat links fast lauter Ebene bis zur See und nur rechts die ziemlich hohen Friauler Alpen. Von Görz nach Udine stehen im Kalender fünf Mei¬ len; aber Oestreichische Offiziere versicherten mich, es seyen gute sieben Meilen; und ich fand Ursache der Versicherung zu glauben. Palma Nuova war eine venetianische Gränzfestung, und nun hausen die Kai¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/111>, abgerufen am 28.03.2024.