Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

an, die, wie ich erinnere, schon andere mit den
schönsten in der Schweiz verglichen haben. Wie wird
es aber auf den steyermärkischen Wegen werden, vor
denen mir schon in Wien selbst Eingeborene bange
machen wollten? Es kann nun nichts helfen; nur
Muth, damit kommt man auch in der Hölle durch.
Zwischen Neustadt und Neukirchen, einer langen lan¬
gen Ebene zwischen den Bergen, die sich hinter dem
letzten Orte mehr und mehr zusammen schliessen, be¬
gegnete mir ein starkes Kommando mit Gefangenen.
Der letztern waren wohl einige Dutzend; eine sehr
gute Aussicht. Einige waren schwer geschlossen und
klirrten trotzig mit den Ketten. Die Meisten waren
Leute, welche die Strassen unsicher gemacht hatten.
Aber desto besser, dachte ich; nun sind der Schurken
weniger da; und diese werden gewiss nicht so bald
wieder losgelassen. In Wien und hier auf dem Wege
überall wurde erzählt, dass man die Pressburger Post
angefallen, ausgeplündert und den Postillon und den
Schaffner erschlagen habe. Auch bey Pegau, nicht
weit von Gräz, war das nehmliche geschehen. Das
waren aber gewiss Leute, die vorher gehörig rekognos¬
ciert hatten, dass die Post beträchtliche Summen führ¬
te, die sich auch wirklich zusammen über hundert
und dreyssig tausend Gulden belaufen haben sollen.
Bey mir ist nicht viel zu rekognoscieren; mein Homer
und meine Gummiflasche werden wenig Räuber in
Versuchung bringen.


an, die, wie ich erinnere, schon andere mit den
schönsten in der Schweiz verglichen haben. Wie wird
es aber auf den steyermärkischen Wegen werden, vor
denen mir schon in Wien selbst Eingeborene bange
machen wollten? Es kann nun nichts helfen; nur
Muth, damit kommt man auch in der Hölle durch.
Zwischen Neustadt und Neukirchen, einer langen lan¬
gen Ebene zwischen den Bergen, die sich hinter dem
letzten Orte mehr und mehr zusammen schlieſsen, be¬
gegnete mir ein starkes Kommando mit Gefangenen.
Der letztern waren wohl einige Dutzend; eine sehr
gute Aussicht. Einige waren schwer geschlossen und
klirrten trotzig mit den Ketten. Die Meisten waren
Leute, welche die Straſsen unsicher gemacht hatten.
Aber desto besser, dachte ich; nun sind der Schurken
weniger da; und diese werden gewiſs nicht so bald
wieder losgelassen. In Wien und hier auf dem Wege
überall wurde erzählt, daſs man die Preſsburger Post
angefallen, ausgeplündert und den Postillon und den
Schaffner erschlagen habe. Auch bey Pegau, nicht
weit von Gräz, war das nehmliche geschehen. Das
waren aber gewiſs Leute, die vorher gehörig rekognos¬
ciert hatten, daſs die Post beträchtliche Summen führ¬
te, die sich auch wirklich zusammen über hundert
und dreyſsig tausend Gulden belaufen haben sollen.
Bey mir ist nicht viel zu rekognoscieren; mein Homer
und meine Gummiflasche werden wenig Räuber in
Versuchung bringen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0074" n="48"/>
an, die, wie ich erinnere, schon andere mit den<lb/>
schönsten in der Schweiz verglichen haben. Wie wird<lb/>
es aber auf den steyermärkischen Wegen werden, vor<lb/>
denen mir schon in Wien selbst Eingeborene bange<lb/>
machen wollten? Es kann nun nichts helfen; nur<lb/>
Muth, damit kommt man auch in der Hölle durch.<lb/>
Zwischen Neustadt und Neukirchen, einer langen lan¬<lb/>
gen Ebene zwischen den Bergen, die sich hinter dem<lb/>
letzten Orte mehr und mehr zusammen schlie&#x017F;sen, be¬<lb/>
gegnete mir ein starkes Kommando mit Gefangenen.<lb/>
Der letztern waren wohl einige Dutzend; eine sehr<lb/>
gute Aussicht. Einige waren schwer geschlossen und<lb/>
klirrten trotzig mit den Ketten. Die Meisten waren<lb/>
Leute, welche die Stra&#x017F;sen unsicher gemacht hatten.<lb/>
Aber desto besser, dachte ich; nun sind der Schurken<lb/>
weniger da; und diese werden gewi&#x017F;s nicht so bald<lb/>
wieder losgelassen. In Wien und hier auf dem Wege<lb/>
überall wurde erzählt, da&#x017F;s man die Pre&#x017F;sburger Post<lb/>
angefallen, ausgeplündert und den Postillon und den<lb/>
Schaffner erschlagen habe. Auch bey Pegau, nicht<lb/>
weit von Gräz, war das nehmliche geschehen. Das<lb/>
waren aber gewi&#x017F;s Leute, die vorher gehörig rekognos¬<lb/>
ciert hatten, da&#x017F;s die Post beträchtliche Summen führ¬<lb/>
te, die sich auch wirklich zusammen über hundert<lb/>
und drey&#x017F;sig tausend Gulden belaufen haben sollen.<lb/>
Bey mir ist nicht viel zu rekognoscieren; mein Homer<lb/>
und meine Gummiflasche werden wenig Räuber in<lb/>
Versuchung bringen.</p><lb/>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0074] an, die, wie ich erinnere, schon andere mit den schönsten in der Schweiz verglichen haben. Wie wird es aber auf den steyermärkischen Wegen werden, vor denen mir schon in Wien selbst Eingeborene bange machen wollten? Es kann nun nichts helfen; nur Muth, damit kommt man auch in der Hölle durch. Zwischen Neustadt und Neukirchen, einer langen lan¬ gen Ebene zwischen den Bergen, die sich hinter dem letzten Orte mehr und mehr zusammen schlieſsen, be¬ gegnete mir ein starkes Kommando mit Gefangenen. Der letztern waren wohl einige Dutzend; eine sehr gute Aussicht. Einige waren schwer geschlossen und klirrten trotzig mit den Ketten. Die Meisten waren Leute, welche die Straſsen unsicher gemacht hatten. Aber desto besser, dachte ich; nun sind der Schurken weniger da; und diese werden gewiſs nicht so bald wieder losgelassen. In Wien und hier auf dem Wege überall wurde erzählt, daſs man die Preſsburger Post angefallen, ausgeplündert und den Postillon und den Schaffner erschlagen habe. Auch bey Pegau, nicht weit von Gräz, war das nehmliche geschehen. Das waren aber gewiſs Leute, die vorher gehörig rekognos¬ ciert hatten, daſs die Post beträchtliche Summen führ¬ te, die sich auch wirklich zusammen über hundert und dreyſsig tausend Gulden belaufen haben sollen. Bey mir ist nicht viel zu rekognoscieren; mein Homer und meine Gummiflasche werden wenig Räuber in Versuchung bringen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/74
Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/74>, abgerufen am 16.04.2024.