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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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ben die herrlichsten Aussichten, und müssen in der
schönen Jahrszeit eine vortrefliche Wirkung thun. Das
Schlos[s], auf einem ziemlich hohen Berge, sieht man
sehr weit; und von demselben hat man rund umher
den Anblick der schön bebauten Landschaft, die durch
Flüsse und Berge und eine Menge Dörfer herrlich
gruppiert ist. Als ich oben in das Schlossthor trat,
stand ein Korporal dort und pfiff mit grosser Andacht
eines der besten Stücke aus der Oper die Krakauer,
welche die letzte Veranlassung zum Ausbruch der Re¬
volution in Warschau war. Da ich die Oper dort ge¬
nossen und das darauf folgende Trauerspiel selbst mit¬
gemacht hatte, so kannst Du denken, dass diese Mu¬
sik hier in Gräz ganz eigen auf mich wirkte. Eben
diese Melodie hatte mich oft so sehr beschäftigt, dass
ich manchmahl in Versuchung gewesen war, für mich
selbst einen eigenen Text darauf zu machen, da ich
das Polnische nicht sonderlich verstehe. Die Gefäng¬
nisse des Schlosses sind jetzt voll Verbrecher, die mir
mit ihren Ketten entgegen klirrten. Das Spital, gleich
unten am Schlossberge, ist von Joseph dem Zweyten,
ein stattliches Gebäude; und das neue sehr geschmack¬
volle Schauspielhaus, mit einer kurzen ächt lateinischen
Inschrift, von den Ständen. Herr Küttner spricht
schon ziemlich gut von dem hiesigen Theater, und ich
habe sein Urtheil völlig richtig gefunden. Man gab
eine neue Bearbeitung des alten Stücks der Teufel
ist los
. Der Text hält freylich, wie in den meisten
Opern keine Kritik. Schade dass man nicht in dem
Tone fortgefahren ist, den Weisse angeschlagen hatte.
Es hätten eine Menge zu niedriger Redensarten ausge¬

ben die herrlichsten Aussichten, und müssen in der
schönen Jahrszeit eine vortrefliche Wirkung thun. Das
Schloſ[s], auf einem ziemlich hohen Berge, sieht man
sehr weit; und von demselben hat man rund umher
den Anblick der schön bebauten Landschaft, die durch
Flüsse und Berge und eine Menge Dörfer herrlich
gruppiert ist. Als ich oben in das Schloſsthor trat,
stand ein Korporal dort und pfiff mit groſser Andacht
eines der besten Stücke aus der Oper die Krakauer,
welche die letzte Veranlassung zum Ausbruch der Re¬
volution in Warschau war. Da ich die Oper dort ge¬
nossen und das darauf folgende Trauerspiel selbst mit¬
gemacht hatte, so kannst Du denken, daſs diese Mu¬
sik hier in Gräz ganz eigen auf mich wirkte. Eben
diese Melodie hatte mich oft so sehr beschäftigt, daſs
ich manchmahl in Versuchung gewesen war, für mich
selbst einen eigenen Text darauf zu machen, da ich
das Polnische nicht sonderlich verstehe. Die Gefäng¬
nisse des Schlosses sind jetzt voll Verbrecher, die mir
mit ihren Ketten entgegen klirrten. Das Spital, gleich
unten am Schloſsberge, ist von Joseph dem Zweyten,
ein stattliches Gebäude; und das neue sehr geschmack¬
volle Schauspielhaus, mit einer kurzen ächt lateinischen
Inschrift, von den Ständen. Herr Küttner spricht
schon ziemlich gut von dem hiesigen Theater, und ich
habe sein Urtheil völlig richtig gefunden. Man gab
eine neue Bearbeitung des alten Stücks der Teufel
ist los
. Der Text hält freylich, wie in den meisten
Opern keine Kritik. Schade daſs man nicht in dem
Tone fortgefahren ist, den Weiſse angeschlagen hatte.
Es hätten eine Menge zu niedriger Redensarten ausge¬

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[57/0083] ben die herrlichsten Aussichten, und müssen in der schönen Jahrszeit eine vortrefliche Wirkung thun. Das Schloſs, auf einem ziemlich hohen Berge, sieht man sehr weit; und von demselben hat man rund umher den Anblick der schön bebauten Landschaft, die durch Flüsse und Berge und eine Menge Dörfer herrlich gruppiert ist. Als ich oben in das Schloſsthor trat, stand ein Korporal dort und pfiff mit groſser Andacht eines der besten Stücke aus der Oper die Krakauer, welche die letzte Veranlassung zum Ausbruch der Re¬ volution in Warschau war. Da ich die Oper dort ge¬ nossen und das darauf folgende Trauerspiel selbst mit¬ gemacht hatte, so kannst Du denken, daſs diese Mu¬ sik hier in Gräz ganz eigen auf mich wirkte. Eben diese Melodie hatte mich oft so sehr beschäftigt, daſs ich manchmahl in Versuchung gewesen war, für mich selbst einen eigenen Text darauf zu machen, da ich das Polnische nicht sonderlich verstehe. Die Gefäng¬ nisse des Schlosses sind jetzt voll Verbrecher, die mir mit ihren Ketten entgegen klirrten. Das Spital, gleich unten am Schloſsberge, ist von Joseph dem Zweyten, ein stattliches Gebäude; und das neue sehr geschmack¬ volle Schauspielhaus, mit einer kurzen ächt lateinischen Inschrift, von den Ständen. Herr Küttner spricht schon ziemlich gut von dem hiesigen Theater, und ich habe sein Urtheil völlig richtig gefunden. Man gab eine neue Bearbeitung des alten Stücks der Teufel ist los. Der Text hält freylich, wie in den meisten Opern keine Kritik. Schade daſs man nicht in dem Tone fortgefahren ist, den Weiſse angeschlagen hatte. Es hätten eine Menge zu niedriger Redensarten ausge¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/83>, abgerufen am 25.04.2024.