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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Von denen verharreten Geburten.
sten nach der Helffte pfleget denn und wenn gewendet zu stehen.
Ob es gleich noch so klein ist/ so hat es desto mehrern Platz/ sich
unter sich und über sich zu kehren/ welches ich bey vielen
Frauen wahrgenommen/ daß ich die Kinder bald nach der Helff-
te mehrentheils zu rechter Geburt gefunden habe/ sonderlich wenn
sie über Schmertzen und Dränge geklaget haben. Hergegen
aber wenn ich sie den andern Tag wieder angefasset/ um Nach-
richt halben/ da sie nicht so Schmertzen empfunden/ habe ich die
Kinder höher im Leibe stehend gefunden/ offters recht/ offters
unrecht/ und hat mir dieses rechte und unrechte Stehen in so
früher Zeit grosses Nachdencken gegeben. Ob es wahr sey o-
der nicht/ laße ich dahin gestellt seyn/ daß nehmlich die Kinder
im Mutterleibe/ mit dem Kopffe/ nach der Helffte/ unter sich/
als gewendet/ meistentheils stehen/ weil derselbe bald bey der
Bildung am größten zu sehen ist/ und bis zur Helffte/ bald grös-
ser als des Kindes gantzer Leib zu seyn pfleget/ und also wegen
der Runde und Größe alß ein Stein das Gewichte unter sich
nimmt. So bald die Kinder völlig gebildet seyn und stil-
le liegen/ stehen sie gemeiniglich recht; Wenn sie sich a-
ber bewegen/ und noch so kleine seyn/ so können sie sich auf
und nieder lencken/ wie es kommet.
Weil ich denn solche Ver-
änderung in den meisten Leibern offters bis zwey und drey Monden
eher und später vor ihrer natürlichen Niederkunfft gefunden/
hernach aber wenn sie die rechte Größe haben/ und der Leib der
Frauen durch die Grösse der Kinder ausgefüllet ist/ alsdenn
wird ihnen das Aus- und Einwenden verboten/ und bleiben die
letzten zwey Monden allezeit recht stehen/ wenn natürliche Ge-
burten folgen sollen. Welche sich aber bis zur Geburts-Stun-
de so verwenden können/ auß vielen Ursachen/ die ich dir zuvor
angezeiget habe/ muß sich dabey die Wehe-Mutter unter der
Geburt wol in acht nehmen/ sol nicht unglückliche und unrechte
Geburt folgen. Derowegen halte ich dafür/ daß die mei-
sten
Von denen verharreten Geburten.
ſten nach der Helffte pfleget denn und wenn gewendet zu ſtehen.
Ob es gleich noch ſo klein iſt/ ſo hat es deſto mehrern Platz/ ſich
unter ſich und uͤber ſich zu kehren/ welches ich bey vielen
Frauen wahrgenommen/ daß ich die Kinder bald nach der Helff-
te mehrentheils zu rechter Geburt gefunden habe/ ſonderlich wenn
ſie uͤber Schmertzen und Draͤnge geklaget haben. Hergegen
aber wenn ich ſie den andern Tag wieder angefaſſet/ um Nach-
richt halben/ da ſie nicht ſo Schmertzen empfunden/ habe ich die
Kinder hoͤher im Leibe ſtehend gefunden/ offters recht/ offters
unrecht/ und hat mir dieſes rechte und unrechte Stehen in ſo
fruͤher Zeit groſſes Nachdencken gegeben. Ob es wahr ſey o-
der nicht/ laße ich dahin geſtellt ſeyn/ daß nehmlich die Kinder
im Mutterleibe/ mit dem Kopffe/ nach der Helffte/ unter ſich/
als gewendet/ meiſtentheils ſtehen/ weil derſelbe bald bey der
Bildung am groͤßten zu ſehen iſt/ und bis zur Helffte/ bald groͤſ-
ſer als des Kindes gantzer Leib zu ſeyn pfleget/ und alſo wegen
der Runde und Groͤße alß ein Stein das Gewichte unter ſich
nimmt. So bald die Kinder voͤllig gebildet ſeyn und ſtil-
le liegen/ ſtehen ſie gemeiniglich recht; Wenn ſie ſich a-
ber bewegen/ und noch ſo kleine ſeyn/ ſo koͤnnen ſie ſich auf
und nieder lencken/ wie es kommet.
Weil ich denn ſolche Ver-
aͤnderung in den meiſtẽ Leibern offters bis zwey und drey Monden
eher und ſpaͤter vor ihrer natuͤrlichen Niederkunfft gefunden/
hernach aber wenn ſie die rechte Groͤße haben/ und der Leib der
Frauen durch die Groͤſſe der Kinder ausgefuͤllet iſt/ alsdenn
wird ihnen das Aus- und Einwenden verboten/ und bleiben die
letzten zwey Monden allezeit recht ſtehen/ wenn natuͤrliche Ge-
burten folgen ſollen. Welche ſich aber bis zur Geburts-Stun-
de ſo verwenden koͤnnen/ auß vielen Urſachen/ die ich dir zuvor
angezeiget habe/ muß ſich dabey die Wehe-Mutter unter der
Geburt wol in acht nehmen/ ſol nicht ungluͤckliche und unrechte
Geburt folgen. Derowegen halte ich dafuͤr/ daß die mei-
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[103/0230] Von denen verharreten Geburten. ſten nach der Helffte pfleget denn und wenn gewendet zu ſtehen. Ob es gleich noch ſo klein iſt/ ſo hat es deſto mehrern Platz/ ſich unter ſich und uͤber ſich zu kehren/ welches ich bey vielen Frauen wahrgenommen/ daß ich die Kinder bald nach der Helff- te mehrentheils zu rechter Geburt gefunden habe/ ſonderlich wenn ſie uͤber Schmertzen und Draͤnge geklaget haben. Hergegen aber wenn ich ſie den andern Tag wieder angefaſſet/ um Nach- richt halben/ da ſie nicht ſo Schmertzen empfunden/ habe ich die Kinder hoͤher im Leibe ſtehend gefunden/ offters recht/ offters unrecht/ und hat mir dieſes rechte und unrechte Stehen in ſo fruͤher Zeit groſſes Nachdencken gegeben. Ob es wahr ſey o- der nicht/ laße ich dahin geſtellt ſeyn/ daß nehmlich die Kinder im Mutterleibe/ mit dem Kopffe/ nach der Helffte/ unter ſich/ als gewendet/ meiſtentheils ſtehen/ weil derſelbe bald bey der Bildung am groͤßten zu ſehen iſt/ und bis zur Helffte/ bald groͤſ- ſer als des Kindes gantzer Leib zu ſeyn pfleget/ und alſo wegen der Runde und Groͤße alß ein Stein das Gewichte unter ſich nimmt. So bald die Kinder voͤllig gebildet ſeyn und ſtil- le liegen/ ſtehen ſie gemeiniglich recht; Wenn ſie ſich a- ber bewegen/ und noch ſo kleine ſeyn/ ſo koͤnnen ſie ſich auf und nieder lencken/ wie es kommet. Weil ich denn ſolche Ver- aͤnderung in den meiſtẽ Leibern offters bis zwey und drey Monden eher und ſpaͤter vor ihrer natuͤrlichen Niederkunfft gefunden/ hernach aber wenn ſie die rechte Groͤße haben/ und der Leib der Frauen durch die Groͤſſe der Kinder ausgefuͤllet iſt/ alsdenn wird ihnen das Aus- und Einwenden verboten/ und bleiben die letzten zwey Monden allezeit recht ſtehen/ wenn natuͤrliche Ge- burten folgen ſollen. Welche ſich aber bis zur Geburts-Stun- de ſo verwenden koͤnnen/ auß vielen Urſachen/ die ich dir zuvor angezeiget habe/ muß ſich dabey die Wehe-Mutter unter der Geburt wol in acht nehmen/ ſol nicht ungluͤckliche und unrechte Geburt folgen. Derowegen halte ich dafuͤr/ daß die mei- ſten

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/230>, abgerufen am 01.05.2024.