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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Von denen verharreten Geburten.
bringet/ als der Haaken. Denn wenn ich das Kind lange se-
he liegen/ so kan ich doch mit dem Sehen nicht helffen/ es muß
doch ein ander Instrument dazu gebrauchet werden/ dann ist es
doppelte Marter. Und ob gleich eine unerfahrene Wehe-Mut-
ter das Kind siehet liegen/ weiß aber nicht/ was sie damit ma-
chen soll oder kan/ was wird ihr das Sehen helffen? denn der
Mutter-Spiegel hilfft anders nicht/ als zum sehen/ mit was
für einem Gliede das Kind in- oder über der Geburt lieget. Da-
rum mußt du wissen/ weil ich unter den armen Bauers-Frauen
durch GOttes sonderbahre Hülffe und Seegen/ in meiner Lehre so
weit gekommen/ und durch viele schwere Fälle auf vielerley Art
und Weise/ wie ich dir zur Gnüge angezeiget habe/ allezeit glücklich/
wie es nur seyn können/ durchkommen bin/ so habe ich niemaln
an einen Mutter-Spiegel gedacht/ auch nicht gewust/ was ich da-
mit thun solte oder könte/ so lange ich in der Lehre gewesen. Nach
dem ich aber weiter kam/ nehmlich unter solche Leute/ die mir
Nachricht davon gaben/ was damit zu thun wäre/ da hatte ich
dieser Hülffe/ oder vielmehr doppelten Marter nicht mehr nö-
thig/ denn durch die viele Ubung war meine Hand und Fin-
ger/ sammt der genauen Untersuchung in die natürliche Fühlung
oder Erkäntniß gekommen/ daß ich so genaue fühlen und unter-
scheiden konte/ alß wenn ich es vor meinen Augen sehe/ in was
vor einer Stellung das Kind lieget. Halte also den Mutter-
Spiegel für eine unnöthige Marter/ vor mich zu gebrauchen.
Ich verachte dergleichen Instrument oder den Mutter-Spiegel
nicht/ in gewissen Fällen zu gebrauchen/ als bey allerhand Ge-
schwüren/ in der Mutter oder Mutter-Scheide/ und andern
Schäden/ die durch den Angriff nicht so recht können unterschie-
den oder untersuchet werden; Doch muß es wohl große Schmer-
tzen geben. Ich habe es einmahl versuchet/ wegen eines Ge-
schwüres/ das eine Frau in dem so genannten Mutter-Halse oder
Mutter-Scheide gehabt; Aber ich konte vor Mitleiden nichts damit
aus-
O
Von denen verharreten Geburten.
bringet/ als der Haaken. Denn wenn ich das Kind lange ſe-
he liegen/ ſo kan ich doch mit dem Sehen nicht helffen/ es muß
doch ein ander Inſtrument dazu gebrauchet werden/ dann iſt es
doppelte Marter. Und ob gleich eine unerfahrene Wehe-Mut-
ter das Kind ſiehet liegen/ weiß aber nicht/ was ſie damit ma-
chen ſoll oder kan/ was wird ihr das Sehen helffen? denn der
Mutter-Spiegel hilfft anders nicht/ als zum ſehen/ mit was
fuͤr einem Gliede das Kind in- oder uͤber der Geburt lieget. Da-
rum mußt du wiſſen/ weil ich unter den armen Bauers-Frauen
durch GOttes ſonderbahre Huͤlffe und Seegen/ in meiner Lehre ſo
weit gekommen/ und durch viele ſchwere Faͤlle auf vielerley Art
und Weiſe/ wie ich dir zur Gnuͤge angezeiget habe/ allezeit gluͤcklich/
wie es nur ſeyn koͤnnen/ durchkommen bin/ ſo habe ich niemaln
an einen Mutter-Spiegel gedacht/ auch nicht gewuſt/ was ich da-
mit thun ſolte oder koͤnte/ ſo lange ich in der Lehre geweſen. Nach
dem ich aber weiter kam/ nehmlich unter ſolche Leute/ die mir
Nachricht davon gaben/ was damit zu thun waͤre/ da hatte ich
dieſer Huͤlffe/ oder vielmehr doppelten Marter nicht mehr noͤ-
thig/ denn durch die viele Ubung war meine Hand und Fin-
ger/ ſammt der genauen Unterſuchung in die natuͤrliche Fuͤhlung
oder Erkaͤntniß gekommen/ daß ich ſo genaue fuͤhlen und unter-
ſcheiden konte/ alß wenn ich es vor meinen Augen ſehe/ in was
vor einer Stellung das Kind lieget. Halte alſo den Mutter-
Spiegel fuͤr eine unnoͤthige Marter/ vor mich zu gebrauchen.
Ich verachte dergleichen Inſtrument oder den Mutter-Spiegel
nicht/ in gewiſſen Faͤllen zu gebrauchen/ als bey allerhand Ge-
ſchwuͤren/ in der Mutter oder Mutter-Scheide/ und andern
Schaͤden/ die durch den Angriff nicht ſo recht koͤnnen unterſchie-
den oder unterſuchet werden; Doch muß es wohl große Schmer-
tzen geben. Ich habe es einmahl verſuchet/ wegen eines Ge-
ſchwuͤres/ das eine Frau in dem ſo genannten Mutter-Halſe oder
Mutter-Scheide gehabt; Aber ich konte vor Mitleiden nichts damit
aus-
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[105/0232] Von denen verharreten Geburten. bringet/ als der Haaken. Denn wenn ich das Kind lange ſe- he liegen/ ſo kan ich doch mit dem Sehen nicht helffen/ es muß doch ein ander Inſtrument dazu gebrauchet werden/ dann iſt es doppelte Marter. Und ob gleich eine unerfahrene Wehe-Mut- ter das Kind ſiehet liegen/ weiß aber nicht/ was ſie damit ma- chen ſoll oder kan/ was wird ihr das Sehen helffen? denn der Mutter-Spiegel hilfft anders nicht/ als zum ſehen/ mit was fuͤr einem Gliede das Kind in- oder uͤber der Geburt lieget. Da- rum mußt du wiſſen/ weil ich unter den armen Bauers-Frauen durch GOttes ſonderbahre Huͤlffe und Seegen/ in meiner Lehre ſo weit gekommen/ und durch viele ſchwere Faͤlle auf vielerley Art und Weiſe/ wie ich dir zur Gnuͤge angezeiget habe/ allezeit gluͤcklich/ wie es nur ſeyn koͤnnen/ durchkommen bin/ ſo habe ich niemaln an einen Mutter-Spiegel gedacht/ auch nicht gewuſt/ was ich da- mit thun ſolte oder koͤnte/ ſo lange ich in der Lehre geweſen. Nach dem ich aber weiter kam/ nehmlich unter ſolche Leute/ die mir Nachricht davon gaben/ was damit zu thun waͤre/ da hatte ich dieſer Huͤlffe/ oder vielmehr doppelten Marter nicht mehr noͤ- thig/ denn durch die viele Ubung war meine Hand und Fin- ger/ ſammt der genauen Unterſuchung in die natuͤrliche Fuͤhlung oder Erkaͤntniß gekommen/ daß ich ſo genaue fuͤhlen und unter- ſcheiden konte/ alß wenn ich es vor meinen Augen ſehe/ in was vor einer Stellung das Kind lieget. Halte alſo den Mutter- Spiegel fuͤr eine unnoͤthige Marter/ vor mich zu gebrauchen. Ich verachte dergleichen Inſtrument oder den Mutter-Spiegel nicht/ in gewiſſen Faͤllen zu gebrauchen/ als bey allerhand Ge- ſchwuͤren/ in der Mutter oder Mutter-Scheide/ und andern Schaͤden/ die durch den Angriff nicht ſo recht koͤnnen unterſchie- den oder unterſuchet werden; Doch muß es wohl große Schmer- tzen geben. Ich habe es einmahl verſuchet/ wegen eines Ge- ſchwuͤres/ das eine Frau in dem ſo genannten Mutter-Halſe oder Mutter-Scheide gehabt; Aber ich konte vor Mitleiden nichts damit aus- O

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/232>, abgerufen am 01.05.2024.