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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Das VI. Capitel
und ist mir keinmahl unglücklich ergangen/ daß ich die Frau
nicht hätte retten können. Dabey ich auch so behertzt und dreu-
ste worden/ daß ich nicht glauben können/ daß eine Nachgeburt
zu finden/ die ungewöhnlich angewachsen wäre/ weil ich alle/
zu dem ich geholet worden/ und unter meine Hände be-
kommen/ nur mit dem Mutter-Munde verfallen gefunden; ha-
be also trefflich darwider gestritten/ wenn ich von angewachsenen
Nachgeburten reden hörete/ bis mich GOtt damit heimsuchte.
Es hat sich begeben in Liegnitz/ bey einer Brauerin/ mit ihrem
zwölfften Kinde/ mit welchen sie gar eine leichte Geburt hatte/
also/ daß ich kaum eine halbe Stunde bey ihr war. Wie ich a-
ber das Kind lösen solte/ so war die Nabelschnur so kurtz/ daß
ich fast nicht wuste zu lösen/ mußte doch endlich lösen/ so gut ich
konte. Wolte ich die Nabelschnure nicht lassen in den Leib fah-
ren/ so mußte ich ein Band anbinden/ damit ich sie nicht ver-
löhre. Als ich nun das Kind weggegeben hatte/ wolte ich/ wie
gebräuchlich die Nachgeburtfördern/ ließ der Frauen den Leib he-
ben/ wie bereits gemeldet/ faste die Nabelschnure/ und suchte
den Mutter-Mund/ vermahnete auch die Frau zu Husten. Wie
sich aber der Leib erschütterte/ so zog sich die Nabelschnure mit
solcher Gewalt in den Leib/ daß ich darüber hertzlich erschrocken
bin/ und wuste nicht/ was es zu bedeuten hätte. Weil ich
aber gleichwol wegen des angebundenen Fadens/ die Nabel-
schnure noch erhielte/ und mir bekant war/ die Nachgeburt ohne
allen Schaden zu suchen/ so folgete ich auf der Nabelschnure
der Nachgeburt nach/ und fand sie oben im Mutter-Grunde auf
eine solche Art angewachsen/ wie wenn sich ein Stück Geblüte
an was hart angelieffert hat. Wann denn bey keiner Nachge-
burt ich niemahls solch einen Angriff gefunden/ bin ich noch
mehr als zu vor erschrocken/ ließ die Hand wieder sincken/ mich
zu bedencken/ was hierbey zu thun wäre/ konte aber vor mich
alleine keinen Schluß fassen/ in dem ich mich/ wenn ich die Nach-
geburt
Das VI. Capitel
und iſt mir keinmahl ungluͤcklich ergangen/ daß ich die Frau
nicht haͤtte retten koͤnnen. Dabey ich auch ſo behertzt und dreu-
ſte worden/ daß ich nicht glauben koͤnnen/ daß eine Nachgeburt
zu finden/ die ungewoͤhnlich angewachſen waͤre/ weil ich alle/
zu dem ich geholet worden/ und unter meine Haͤnde be-
kommen/ nur mit dem Mutter-Munde verfallen gefunden; ha-
be alſo trefflich darwider geſtritten/ wenn ich von angewachſenen
Nachgeburten reden hoͤrete/ bis mich GOtt damit heimſuchte.
Es hat ſich begeben in Liegnitz/ bey einer Brauerin/ mit ihrem
zwoͤlfften Kinde/ mit welchen ſie gar eine leichte Geburt hatte/
alſo/ daß ich kaum eine halbe Stunde bey ihr war. Wie ich a-
ber das Kind loͤſen ſolte/ ſo war die Nabelſchnur ſo kurtz/ daß
ich faſt nicht wuſte zu loͤſen/ mußte doch endlich loͤſen/ ſo gut ich
konte. Wolte ich die Nabelſchnure nicht laſſen in den Leib fah-
ren/ ſo mußte ich ein Band anbinden/ damit ich ſie nicht ver-
loͤhre. Als ich nun das Kind weggegeben hatte/ wolte ich/ wie
gebraͤuchlich die Nachgeburtfoͤrdern/ ließ der Frauen den Leib he-
ben/ wie bereits gemeldet/ faſte die Nabelſchnure/ und ſuchte
den Mutter-Mund/ vermahnete auch die Frau zu Huſten. Wie
ſich aber der Leib erſchuͤtterte/ ſo zog ſich die Nabelſchnure mit
ſolcher Gewalt in den Leib/ daß ich daruͤber hertzlich erſchrocken
bin/ und wuſte nicht/ was es zu bedeuten haͤtte. Weil ich
aber gleichwol wegen des angebundenen Fadens/ die Nabel-
ſchnure noch erhielte/ und mir bekant war/ die Nachgeburt ohne
allen Schaden zu ſuchen/ ſo folgete ich auf der Nabelſchnure
der Nachgeburt nach/ und fand ſie oben im Mutter-Grunde auf
eine ſolche Art angewachſen/ wie wenn ſich ein Stuͤck Gebluͤte
an was hart angelieffert hat. Wann denn bey keiner Nachge-
burt ich niemahls ſolch einen Angriff gefunden/ bin ich noch
mehr als zu vor erſchrocken/ ließ die Hand wieder ſincken/ mich
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[116/0243] Das VI. Capitel und iſt mir keinmahl ungluͤcklich ergangen/ daß ich die Frau nicht haͤtte retten koͤnnen. Dabey ich auch ſo behertzt und dreu- ſte worden/ daß ich nicht glauben koͤnnen/ daß eine Nachgeburt zu finden/ die ungewoͤhnlich angewachſen waͤre/ weil ich alle/ zu dem ich geholet worden/ und unter meine Haͤnde be- kommen/ nur mit dem Mutter-Munde verfallen gefunden; ha- be alſo trefflich darwider geſtritten/ wenn ich von angewachſenen Nachgeburten reden hoͤrete/ bis mich GOtt damit heimſuchte. Es hat ſich begeben in Liegnitz/ bey einer Brauerin/ mit ihrem zwoͤlfften Kinde/ mit welchen ſie gar eine leichte Geburt hatte/ alſo/ daß ich kaum eine halbe Stunde bey ihr war. Wie ich a- ber das Kind loͤſen ſolte/ ſo war die Nabelſchnur ſo kurtz/ daß ich faſt nicht wuſte zu loͤſen/ mußte doch endlich loͤſen/ ſo gut ich konte. Wolte ich die Nabelſchnure nicht laſſen in den Leib fah- ren/ ſo mußte ich ein Band anbinden/ damit ich ſie nicht ver- loͤhre. Als ich nun das Kind weggegeben hatte/ wolte ich/ wie gebraͤuchlich die Nachgeburtfoͤrdern/ ließ der Frauen den Leib he- ben/ wie bereits gemeldet/ faſte die Nabelſchnure/ und ſuchte den Mutter-Mund/ vermahnete auch die Frau zu Huſten. Wie ſich aber der Leib erſchuͤtterte/ ſo zog ſich die Nabelſchnure mit ſolcher Gewalt in den Leib/ daß ich daruͤber hertzlich erſchrocken bin/ und wuſte nicht/ was es zu bedeuten haͤtte. Weil ich aber gleichwol wegen des angebundenen Fadens/ die Nabel- ſchnure noch erhielte/ und mir bekant war/ die Nachgeburt ohne allen Schaden zu ſuchen/ ſo folgete ich auf der Nabelſchnure der Nachgeburt nach/ und fand ſie oben im Mutter-Grunde auf eine ſolche Art angewachſen/ wie wenn ſich ein Stuͤck Gebluͤte an was hart angelieffert hat. Wann denn bey keiner Nachge- burt ich niemahls ſolch einen Angriff gefunden/ bin ich noch mehr als zu vor erſchrocken/ ließ die Hand wieder ſincken/ mich zu bedencken/ was hierbey zu thun waͤre/ konte aber vor mich alleine keinen Schluß faſſen/ in dem ich mich/ wenn ich die Nach- geburt

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/243>, abgerufen am 01.05.2024.