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Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

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Erforschung des
Wehe-Müttern geschiehet. Demnach nun diese Frage höchst-
nöthig gewesen; So kan mit gutem Gewissen kein vernünffti-
ger Mensch übel davon reden. Thun sie es/ so seyn sie GOtt
befohlen. Es werden sich noch wohl fromme Hertzen finden/
die es zu Danck annehmen werden/ und GOtt und ihrem Nech-
sten damit dienen.
XXIII. Fr.
Just. Solches hoffe ich auch/ und muß dich
doch weiter fragen/ wie und welcher Gestalt seyn die so
genanten wilden Wehen von den rechten Wehen zuerken-
nen und zu unterscheiden?
Christ. Die so genannten wilden Wehen gehen nur qvär/
und spannen den Leib sehr über sich/ dabey zeucht sich der inne-
re Mutter-Mund gantz zusammen und in die Höhe/ wie der
Krampff thut/ daß er gantz steiff wird. So bald die Wehen
aber nachlassen/ so kommt der Mutter-Mund in vorige Oeff-
nung/ wie er vor den Wehen war. Die rechte Wehen aber bey
angehender rechten Geburt/ wenn das Kind recht zur Geburt
stehet/ dringen in den Mutter-Mund/ und zwingen ihn von
Wehen zu Wehen/ daß er sich nach und nach mehr aufgiebet.
Man hat es bald im Angriff wenn die Wehen kommen/ wie der
Mutter-Mund sich erweitert. Die rechten Wehen sind von den
wilden Wehen gar leichte zu erkennen und zu unterscheiden.
XXIV. Fr.
Just. Was ist denn die Ursache/ wenn die
Wehe-Mütter das Kreißen anfangen/ und hernach gleich-
wol die Frauen etliche Wochen gehen/ ehe sie gebähren?
Christ. Daran seyn die wilden Wehen und die unver-
ständigen Wehe-Mütter schuld/ weil diese keinen Grund wis-
sen die wilden von den rechten Wehen zu entscheiden.
XXV. Fr.
Just. Kan auch die Natur durch eine unerfahr-
ne Wehe-Mutter übereilet werden/ daß sie/ wenn es gleich
noch nicht Zeit wäre/ gebähren müßte/ von blossem An-
greiffen?
Christ.
Erforſchung des
Wehe-Muͤttern geſchiehet. Demnach nun dieſe Frage hoͤchſt-
noͤthig geweſen; So kan mit gutem Gewiſſen kein vernuͤnffti-
ger Menſch uͤbel davon reden. Thun ſie es/ ſo ſeyn ſie GOtt
befohlen. Es werden ſich noch wohl fromme Hertzen finden/
die es zu Danck annehmen werden/ und GOtt und ihrem Nech-
ſten damit dienen.
XXIII. Fr.
Juſt. Solches hoffe ich auch/ und muß dich
doch weiter fragen/ wie und welcher Geſtalt ſeyn die ſo
genanten wilden Wehen von den rechten Wehen zuerken-
nen und zu unterſcheiden?
Chriſt. Die ſo genannten wilden Wehen gehen nur qvaͤr/
und ſpannen den Leib ſehr uͤber ſich/ dabey zeucht ſich der inne-
re Mutter-Mund gantz zuſammen und in die Hoͤhe/ wie der
Krampff thut/ daß er gantz ſteiff wird. So bald die Wehen
aber nachlaſſen/ ſo kommt der Mutter-Mund in vorige Oeff-
nung/ wie er vor den Wehen war. Die rechte Wehen aber bey
angehender rechten Geburt/ wenn das Kind recht zur Geburt
ſtehet/ dringen in den Mutter-Mund/ und zwingen ihn von
Wehen zu Wehen/ daß er ſich nach und nach mehr aufgiebet.
Man hat es bald im Angriff wenn die Wehen kommen/ wie der
Mutter-Mund ſich erweitert. Die rechten Wehen ſind von den
wilden Wehen gar leichte zu erkennen und zu unterſcheiden.
XXIV. Fr.
Juſt. Was iſt denn die Urſache/ wenn die
Wehe-Muͤtter das Kreißen anfangen/ und hernach gleich-
wol die Frauen etliche Wochen gehen/ ehe ſie gebaͤhren?
Chriſt. Daran ſeyn die wilden Wehen und die unver-
ſtaͤndigen Wehe-Muͤtter ſchuld/ weil dieſe keinen Grund wiſ-
ſen die wilden von den rechten Wehen zu entſcheiden.
XXV. Fr.
Juſt. Kan auch die Natur durch eine unerfahr-
ne Wehe-Mutter uͤbereilet werden/ daß ſie/ wenn es gleich
noch nicht Zeit waͤre/ gebaͤhren muͤßte/ von bloſſem An-
greiffen?
Chriſt.
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[224/0353] Erforſchung des Wehe-Muͤttern geſchiehet. Demnach nun dieſe Frage hoͤchſt- noͤthig geweſen; So kan mit gutem Gewiſſen kein vernuͤnffti- ger Menſch uͤbel davon reden. Thun ſie es/ ſo ſeyn ſie GOtt befohlen. Es werden ſich noch wohl fromme Hertzen finden/ die es zu Danck annehmen werden/ und GOtt und ihrem Nech- ſten damit dienen. XXIII. Fr. Juſt. Solches hoffe ich auch/ und muß dich doch weiter fragen/ wie und welcher Geſtalt ſeyn die ſo genanten wilden Wehen von den rechten Wehen zuerken- nen und zu unterſcheiden? Chriſt. Die ſo genannten wilden Wehen gehen nur qvaͤr/ und ſpannen den Leib ſehr uͤber ſich/ dabey zeucht ſich der inne- re Mutter-Mund gantz zuſammen und in die Hoͤhe/ wie der Krampff thut/ daß er gantz ſteiff wird. So bald die Wehen aber nachlaſſen/ ſo kommt der Mutter-Mund in vorige Oeff- nung/ wie er vor den Wehen war. Die rechte Wehen aber bey angehender rechten Geburt/ wenn das Kind recht zur Geburt ſtehet/ dringen in den Mutter-Mund/ und zwingen ihn von Wehen zu Wehen/ daß er ſich nach und nach mehr aufgiebet. Man hat es bald im Angriff wenn die Wehen kommen/ wie der Mutter-Mund ſich erweitert. Die rechten Wehen ſind von den wilden Wehen gar leichte zu erkennen und zu unterſcheiden. XXIV. Fr. Juſt. Was iſt denn die Urſache/ wenn die Wehe-Muͤtter das Kreißen anfangen/ und hernach gleich- wol die Frauen etliche Wochen gehen/ ehe ſie gebaͤhren? Chriſt. Daran ſeyn die wilden Wehen und die unver- ſtaͤndigen Wehe-Muͤtter ſchuld/ weil dieſe keinen Grund wiſ- ſen die wilden von den rechten Wehen zu entſcheiden. XXV. Fr. Juſt. Kan auch die Natur durch eine unerfahr- ne Wehe-Mutter uͤbereilet werden/ daß ſie/ wenn es gleich noch nicht Zeit waͤre/ gebaͤhren muͤßte/ von bloſſem An- greiffen? Chriſt.

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Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/353>, abgerufen am 28.04.2024.