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Siemens, Werner von: Die electrische Telegraphie. Berlin, 1866.

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Feuchtigkeit des Bodens durch die Nähte des Kautschouks und
die Verbindungsstellen der Glasröhren sich einen Weg zum
Drahte bahnte und die letzteren auch häufig zerbrachen. In
Preußen begann man zwar mit oberirdischen Drähten, ward
aber durch die häufig eintretenden Störungen wieder davon
zurückgeschreckt. Nachdem man dann den von Jacobi betretenen
Weg geprüft und ebenfalls als unbrauchbar erkannt hatte, ver¬
suchte man auf einem anderen, vielversprechenden Wege die
Herstellung sicherer unterirdischer Leitungen. Es war im Jahre
1846 ein neues Material, die gutta percha, bekannt geworden,
welche viele Eigenschaften, worunter die ausgezeichnete isolirende
Eigenschaft, mit dem Kautschouk gemein hat, sich aber von dem¬
selben wesentlich dadurch unterscheidet, daß sie im erwärmten
Zustande einen plastischen Teig bildet. Die Schwierigkeit, die¬
sen Teig zu einer den Draht eng umschließenden Röhre ohne
Naht zu formen, wurde durch eine eigenthümliche Maschine be¬
seitigt, welche die weiche gutta percha durch starken Druck con¬
tinuirlich um die die Maschine passirenden Drähte legte. Die
so hergestellten Leitungen waren in der That vollständig aus¬
reichend isolirt und functionirten auf den ausgedehnten Linien,
die in Norddeutschland in den nächsten Jahren in zu großer
Uebereilung angelegt wurden, mit vollständiger Sicherheit. Die
Schwierigkeiten der Auffindung fehlerhafter Stellen und un¬
zählige andere wurden zwar ebenfalls glücklich überwunden --
es stellte sich aber trotzdem bald heraus, daß die Leitungen, die
ohne besonderen äußeren Schutz in den Boden gelegt wurden,
unhaltbar waren. Die gutta percha wurde von Ratten und
Mäusen zernagt und wurde namentlich durch den Sauerstoff der
Luft, welcher durch den lockeren Boden bis zu den Drähten ge¬
langte, dergestalt verändert, daß sie ihren Zusammenhang und
ihre isolirende Fähigkeit schon nach wenig Jahren einbüßte.

Seit diesen ungünstigen Erfahrungen ist man überall, wo

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Feuchtigkeit des Bodens durch die Nähte des Kautſchouks und
die Verbindungsſtellen der Glasröhren ſich einen Weg zum
Drahte bahnte und die letzteren auch häufig zerbrachen. In
Preußen begann man zwar mit oberirdiſchen Drähten, ward
aber durch die häufig eintretenden Störungen wieder davon
zurückgeſchreckt. Nachdem man dann den von Jacobi betretenen
Weg geprüft und ebenfalls als unbrauchbar erkannt hatte, ver¬
ſuchte man auf einem anderen, vielverſprechenden Wege die
Herſtellung ſicherer unterirdiſcher Leitungen. Es war im Jahre
1846 ein neues Material, die gutta percha, bekannt geworden,
welche viele Eigenſchaften, worunter die ausgezeichnete iſolirende
Eigenſchaft, mit dem Kautſchouk gemein hat, ſich aber von dem¬
ſelben weſentlich dadurch unterſcheidet, daß ſie im erwärmten
Zuſtande einen plaſtiſchen Teig bildet. Die Schwierigkeit, die¬
ſen Teig zu einer den Draht eng umſchließenden Röhre ohne
Naht zu formen, wurde durch eine eigenthümliche Maſchine be¬
ſeitigt, welche die weiche gutta percha durch ſtarken Druck con¬
tinuirlich um die die Maſchine paſſirenden Drähte legte. Die
ſo hergeſtellten Leitungen waren in der That vollſtändig aus¬
reichend iſolirt und functionirten auf den ausgedehnten Linien,
die in Norddeutſchland in den nächſten Jahren in zu großer
Uebereilung angelegt wurden, mit vollſtändiger Sicherheit. Die
Schwierigkeiten der Auffindung fehlerhafter Stellen und un¬
zählige andere wurden zwar ebenfalls glücklich überwunden —
es ſtellte ſich aber trotzdem bald heraus, daß die Leitungen, die
ohne beſonderen äußeren Schutz in den Boden gelegt wurden,
unhaltbar waren. Die gutta percha wurde von Ratten und
Mäuſen zernagt und wurde namentlich durch den Sauerſtoff der
Luft, welcher durch den lockeren Boden bis zu den Drähten ge¬
langte, dergeſtalt verändert, daß ſie ihren Zuſammenhang und
ihre iſolirende Fähigkeit ſchon nach wenig Jahren einbüßte.

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[33/0039] Feuchtigkeit des Bodens durch die Nähte des Kautſchouks und die Verbindungsſtellen der Glasröhren ſich einen Weg zum Drahte bahnte und die letzteren auch häufig zerbrachen. In Preußen begann man zwar mit oberirdiſchen Drähten, ward aber durch die häufig eintretenden Störungen wieder davon zurückgeſchreckt. Nachdem man dann den von Jacobi betretenen Weg geprüft und ebenfalls als unbrauchbar erkannt hatte, ver¬ ſuchte man auf einem anderen, vielverſprechenden Wege die Herſtellung ſicherer unterirdiſcher Leitungen. Es war im Jahre 1846 ein neues Material, die gutta percha, bekannt geworden, welche viele Eigenſchaften, worunter die ausgezeichnete iſolirende Eigenſchaft, mit dem Kautſchouk gemein hat, ſich aber von dem¬ ſelben weſentlich dadurch unterſcheidet, daß ſie im erwärmten Zuſtande einen plaſtiſchen Teig bildet. Die Schwierigkeit, die¬ ſen Teig zu einer den Draht eng umſchließenden Röhre ohne Naht zu formen, wurde durch eine eigenthümliche Maſchine be¬ ſeitigt, welche die weiche gutta percha durch ſtarken Druck con¬ tinuirlich um die die Maſchine paſſirenden Drähte legte. Die ſo hergeſtellten Leitungen waren in der That vollſtändig aus¬ reichend iſolirt und functionirten auf den ausgedehnten Linien, die in Norddeutſchland in den nächſten Jahren in zu großer Uebereilung angelegt wurden, mit vollſtändiger Sicherheit. Die Schwierigkeiten der Auffindung fehlerhafter Stellen und un¬ zählige andere wurden zwar ebenfalls glücklich überwunden — es ſtellte ſich aber trotzdem bald heraus, daß die Leitungen, die ohne beſonderen äußeren Schutz in den Boden gelegt wurden, unhaltbar waren. Die gutta percha wurde von Ratten und Mäuſen zernagt und wurde namentlich durch den Sauerſtoff der Luft, welcher durch den lockeren Boden bis zu den Drähten ge¬ langte, dergeſtalt verändert, daß ſie ihren Zuſammenhang und ihre iſolirende Fähigkeit ſchon nach wenig Jahren einbüßte. Seit dieſen ungünſtigen Erfahrungen iſt man überall, wo 22. 3

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Die electrische Telegraphie. Berlin, 1866, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_telegraphie_1866/39>, abgerufen am 19.04.2024.