Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
im Schlafrock zu Hause bey einer Tasse Kaffee vielleicht
und im Lehnstuhle sitzen. -- Jndessen halten Sie sich
fest, kommen Sie geschwind noch einmal wieder nach
Ust-Kammenogorsk zurück, denn ich bin noch nicht über
den Jrtisch, und hiebey möchte ich mir wohl Jhre Ge-
sellschaft ausbitten.

Den 14. Aug. 93. Heute bey recht schönem Wet-
ter setzte ich mich mit meinem Chaial und übrigen Be-
gleitern zu Pferde und eilten dem Jrtisch zu. Mit wel-
chem Vergnügen sah ich auf dem letzten Hügel nun die
Festung Ustkammenogorsk vor mir liegen. Flügel
wünschte ich mir, um in die Umarmungen meiner dasigen
höchst verehrungswürdigen Wohlthäter fliegen zu können.
Aber leider wurde ich noch zur Erfüllung des Sprich-
worts gezwungen -- Festina lente! Ehe die Boote her-
beygeschaft wurden, und ehe alle Equipage übergeschifft
werden konnte, giengen 4 Stunden vorbey, und es war
Nacht als ich mich in dem Zirkel der besten Freunde be-
fand. Eine ganze Woche genoß ich mein Leben aufs
beste, auch wiederum einmal nach europäischer Art. Aber
hiermit hatte mein Glück noch kein Ende. Jn Barnaul
harrete meiner alles was das menschliche Leben nur freu-
diges genießen kann. Jch stieg hier den 28. August aus
meinem Wagen. Vergeblich unternehme ichs die gnä-
dige, herablassende, äußerst freundschaftliche Aufnahme
mit gebührendem Lobe zu beschreiben, die ich bey Sr.
Excellenz dem Hrn. Artillerie-General-Lieutenant,
Gouverneur des Kolywanischen Gouvernements und Rit-
ters von Meller, bey Sr. Excell. dem Hrn. wirklichen

Staats-
P

aus Sibirien.
im Schlafrock zu Hauſe bey einer Taſſe Kaffee vielleicht
und im Lehnſtuhle ſitzen. — Jndeſſen halten Sie ſich
feſt, kommen Sie geſchwind noch einmal wieder nach
Uſt-Kammenogorsk zuruͤck, denn ich bin noch nicht uͤber
den Jrtiſch, und hiebey moͤchte ich mir wohl Jhre Ge-
ſellſchaft ausbitten.

Den 14. Aug. 93. Heute bey recht ſchoͤnem Wet-
ter ſetzte ich mich mit meinem Chaial und uͤbrigen Be-
gleitern zu Pferde und eilten dem Jrtiſch zu. Mit wel-
chem Vergnuͤgen ſah ich auf dem letzten Huͤgel nun die
Feſtung Uſtkammenogorsk vor mir liegen. Fluͤgel
wuͤnſchte ich mir, um in die Umarmungen meiner daſigen
hoͤchſt verehrungswuͤrdigen Wohlthaͤter fliegen zu koͤnnen.
Aber leider wurde ich noch zur Erfuͤllung des Sprich-
worts gezwungen — Feſtina lente! Ehe die Boote her-
beygeſchaft wurden, und ehe alle Equipage uͤbergeſchifft
werden konnte, giengen 4 Stunden vorbey, und es war
Nacht als ich mich in dem Zirkel der beſten Freunde be-
fand. Eine ganze Woche genoß ich mein Leben aufs
beſte, auch wiederum einmal nach europaͤiſcher Art. Aber
hiermit hatte mein Gluͤck noch kein Ende. Jn Barnaul
harrete meiner alles was das menſchliche Leben nur freu-
diges genießen kann. Jch ſtieg hier den 28. Auguſt aus
meinem Wagen. Vergeblich unternehme ichs die gnaͤ-
dige, herablaſſende, aͤußerſt freundſchaftliche Aufnahme
mit gebuͤhrendem Lobe zu beſchreiben, die ich bey Sr.
Excellenz dem Hrn. Artillerie-General-Lieutenant,
Gouverneur des Kolywaniſchen Gouvernements und Rit-
ters von Meller, bey Sr. Excell. dem Hrn. wirklichen

Staats-
P
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0231" n="223"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
im Schlafrock zu Hau&#x017F;e bey einer Ta&#x017F;&#x017F;e Kaffee vielleicht<lb/>
und im Lehn&#x017F;tuhle &#x017F;itzen. &#x2014; Jnde&#x017F;&#x017F;en halten Sie &#x017F;ich<lb/>
fe&#x017F;t, kommen Sie ge&#x017F;chwind noch einmal wieder nach<lb/>
U&#x017F;t-Kammenogorsk zuru&#x0364;ck, denn ich bin noch nicht u&#x0364;ber<lb/>
den Jrti&#x017F;ch, und hiebey mo&#x0364;chte ich mir wohl Jhre Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft ausbitten.</p><lb/>
          <p>Den 14. Aug. 93. Heute bey recht &#x017F;cho&#x0364;nem Wet-<lb/>
ter &#x017F;etzte ich mich mit meinem Chaial und u&#x0364;brigen Be-<lb/>
gleitern zu Pferde und eilten dem Jrti&#x017F;ch zu. Mit wel-<lb/>
chem Vergnu&#x0364;gen &#x017F;ah ich auf dem letzten Hu&#x0364;gel nun die<lb/>
Fe&#x017F;tung <hi rendition="#fr">U&#x017F;tkammenogorsk</hi> vor mir liegen. Flu&#x0364;gel<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte ich mir, um in die Umarmungen meiner da&#x017F;igen<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;t verehrungswu&#x0364;rdigen Wohltha&#x0364;ter fliegen zu ko&#x0364;nnen.<lb/>
Aber leider wurde ich noch zur Erfu&#x0364;llung des Sprich-<lb/>
worts gezwungen &#x2014; <hi rendition="#aq">Fe&#x017F;tina lente!</hi> Ehe die Boote her-<lb/>
beyge&#x017F;chaft wurden, und ehe alle Equipage u&#x0364;berge&#x017F;chifft<lb/>
werden konnte, giengen 4 Stunden vorbey, und es war<lb/>
Nacht als ich mich in dem Zirkel der be&#x017F;ten Freunde be-<lb/>
fand. Eine ganze Woche genoß ich mein Leben aufs<lb/>
be&#x017F;te, auch wiederum einmal nach europa&#x0364;i&#x017F;cher Art. Aber<lb/>
hiermit hatte mein Glu&#x0364;ck noch kein Ende. Jn Barnaul<lb/>
harrete meiner alles was das men&#x017F;chliche Leben nur freu-<lb/>
diges genießen kann. Jch &#x017F;tieg hier den 28. Augu&#x017F;t aus<lb/>
meinem Wagen. Vergeblich unternehme ichs die gna&#x0364;-<lb/>
dige, herabla&#x017F;&#x017F;ende, a&#x0364;ußer&#x017F;t freund&#x017F;chaftliche Aufnahme<lb/>
mit gebu&#x0364;hrendem Lobe zu be&#x017F;chreiben, die ich bey Sr.<lb/>
Excellenz dem Hrn. Artillerie-General-Lieutenant,<lb/>
Gouverneur des Kolywani&#x017F;chen Gouvernements und Rit-<lb/>
ters von <hi rendition="#fr">Meller,</hi> bey Sr. Excell. dem Hrn. wirklichen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P</fw><fw place="bottom" type="catch">Staats-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0231] aus Sibirien. im Schlafrock zu Hauſe bey einer Taſſe Kaffee vielleicht und im Lehnſtuhle ſitzen. — Jndeſſen halten Sie ſich feſt, kommen Sie geſchwind noch einmal wieder nach Uſt-Kammenogorsk zuruͤck, denn ich bin noch nicht uͤber den Jrtiſch, und hiebey moͤchte ich mir wohl Jhre Ge- ſellſchaft ausbitten. Den 14. Aug. 93. Heute bey recht ſchoͤnem Wet- ter ſetzte ich mich mit meinem Chaial und uͤbrigen Be- gleitern zu Pferde und eilten dem Jrtiſch zu. Mit wel- chem Vergnuͤgen ſah ich auf dem letzten Huͤgel nun die Feſtung Uſtkammenogorsk vor mir liegen. Fluͤgel wuͤnſchte ich mir, um in die Umarmungen meiner daſigen hoͤchſt verehrungswuͤrdigen Wohlthaͤter fliegen zu koͤnnen. Aber leider wurde ich noch zur Erfuͤllung des Sprich- worts gezwungen — Feſtina lente! Ehe die Boote her- beygeſchaft wurden, und ehe alle Equipage uͤbergeſchifft werden konnte, giengen 4 Stunden vorbey, und es war Nacht als ich mich in dem Zirkel der beſten Freunde be- fand. Eine ganze Woche genoß ich mein Leben aufs beſte, auch wiederum einmal nach europaͤiſcher Art. Aber hiermit hatte mein Gluͤck noch kein Ende. Jn Barnaul harrete meiner alles was das menſchliche Leben nur freu- diges genießen kann. Jch ſtieg hier den 28. Auguſt aus meinem Wagen. Vergeblich unternehme ichs die gnaͤ- dige, herablaſſende, aͤußerſt freundſchaftliche Aufnahme mit gebuͤhrendem Lobe zu beſchreiben, die ich bey Sr. Excellenz dem Hrn. Artillerie-General-Lieutenant, Gouverneur des Kolywaniſchen Gouvernements und Rit- ters von Meller, bey Sr. Excell. dem Hrn. wirklichen Staats- P

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/231
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/231>, abgerufen am 25.04.2024.