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Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

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Sievers Briefe
her beschriebne. Der Tschikoi hat sich die angenehmsten
Gegenden ausgewählt, worin er seinen Lauf fortsetzt;
bald befindet man sich auf den herrlichsten Wiesen, bald
in einem schönen Gebüsch, bald hat man mit Schnee
(besonders im September) bedeckte Gebirge zu beyden
Seiten, bald befindet man sich in einem angenehmen
Fichtenwalde, bald passirt man mit Felsenstücken von der
Natur gepflasterte Wege, die für die Pferde allein be-
schwerlich sind und zuweilen passirt man einen Fluß, de-
ren außer dem immer breiter werdenden Tschikoi (mong.
Zuku) noch folgende waren: Werchnaja Solonzo-
wa, Ub
ur Jassutai, Arui Jassutai aus deren Ver-
einigung ein Fluß entsteht der bey den Russen Pute-
schinkina
und bey den Mongolen schlechtweg Jassutei
heißt; noch den Delun, Gräsnowka und Sossotui.
So gelangten wir denn endlich wieder im Dorse Sa-
charewsky an, wo wir die Bauern alle im Felde fanden,
die ihr abgemähetes Korn in Haufen brachten und theils
zu Hause führten um es auszudreschen. Nun kam ich,
so zu sagen, wieder in die Welt zurück, wo es das Schick-
sal so ordnete, daß ich die hiesigen Gegenden ganz ver-
lassen und eine Reise nach dem Jenisei und den um Aba-
kansk und Atschinsk wohnenden Tataren machen mußte.
Zum Beschluß will ich Jhnen nur noch melden, daß der
von seinem Ursprung bis zu seiner Mündung zur Selen-
ga bey Selenginsk an 500 Werst strömende Tschikoi
seinen Namen einer verdorbenen Aussprache des Tungu-
sischen Worts Zochondo zu danken hat. Dieses Wort
Zochondo aber kommt von einem hohen Goletz, der

sich

Sievers Briefe
her beſchriebne. Der Tſchikoi hat ſich die angenehmſten
Gegenden ausgewaͤhlt, worin er ſeinen Lauf fortſetzt;
bald befindet man ſich auf den herrlichſten Wieſen, bald
in einem ſchoͤnen Gebuͤſch, bald hat man mit Schnee
(beſonders im September) bedeckte Gebirge zu beyden
Seiten, bald befindet man ſich in einem angenehmen
Fichtenwalde, bald paſſirt man mit Felſenſtuͤcken von der
Natur gepflaſterte Wege, die fuͤr die Pferde allein be-
ſchwerlich ſind und zuweilen paſſirt man einen Fluß, de-
ren außer dem immer breiter werdenden Tſchikoi (mong.
Zukù) noch folgende waren: Werchnaja Solonzo-
wa, Ub
ùr Jaſſutai, Arui Jaſſutai aus deren Ver-
einigung ein Fluß entſteht der bey den Ruſſen Pute-
ſchinkina
und bey den Mongolen ſchlechtweg Jaſſutei
heißt; noch den Delun, Graͤsnowka und Soſſotui.
So gelangten wir denn endlich wieder im Dorſe Sa-
charewsky an, wo wir die Bauern alle im Felde fanden,
die ihr abgemaͤhetes Korn in Haufen brachten und theils
zu Hauſe fuͤhrten um es auszudreſchen. Nun kam ich,
ſo zu ſagen, wieder in die Welt zuruͤck, wo es das Schick-
ſal ſo ordnete, daß ich die hieſigen Gegenden ganz ver-
laſſen und eine Reiſe nach dem Jeniſei und den um Aba-
kansk und Atſchinsk wohnenden Tataren machen mußte.
Zum Beſchluß will ich Jhnen nur noch melden, daß der
von ſeinem Urſprung bis zu ſeiner Muͤndung zur Selen-
ga bey Selenginsk an 500 Werſt ſtroͤmende Tſchikoi
ſeinen Namen einer verdorbenen Ausſprache des Tungu-
ſiſchen Worts Zochondo zu danken hat. Dieſes Wort
Zochondo aber kommt von einem hohen Goletz, der

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[90/0098] Sievers Briefe her beſchriebne. Der Tſchikoi hat ſich die angenehmſten Gegenden ausgewaͤhlt, worin er ſeinen Lauf fortſetzt; bald befindet man ſich auf den herrlichſten Wieſen, bald in einem ſchoͤnen Gebuͤſch, bald hat man mit Schnee (beſonders im September) bedeckte Gebirge zu beyden Seiten, bald befindet man ſich in einem angenehmen Fichtenwalde, bald paſſirt man mit Felſenſtuͤcken von der Natur gepflaſterte Wege, die fuͤr die Pferde allein be- ſchwerlich ſind und zuweilen paſſirt man einen Fluß, de- ren außer dem immer breiter werdenden Tſchikoi (mong. Zukù) noch folgende waren: Werchnaja Solonzo- wa, Ubùr Jaſſutai, Arui Jaſſutai aus deren Ver- einigung ein Fluß entſteht der bey den Ruſſen Pute- ſchinkina und bey den Mongolen ſchlechtweg Jaſſutei heißt; noch den Delun, Graͤsnowka und Soſſotui. So gelangten wir denn endlich wieder im Dorſe Sa- charewsky an, wo wir die Bauern alle im Felde fanden, die ihr abgemaͤhetes Korn in Haufen brachten und theils zu Hauſe fuͤhrten um es auszudreſchen. Nun kam ich, ſo zu ſagen, wieder in die Welt zuruͤck, wo es das Schick- ſal ſo ordnete, daß ich die hieſigen Gegenden ganz ver- laſſen und eine Reiſe nach dem Jeniſei und den um Aba- kansk und Atſchinsk wohnenden Tataren machen mußte. Zum Beſchluß will ich Jhnen nur noch melden, daß der von ſeinem Urſprung bis zu ſeiner Muͤndung zur Selen- ga bey Selenginsk an 500 Werſt ſtroͤmende Tſchikoi ſeinen Namen einer verdorbenen Ausſprache des Tungu- ſiſchen Worts Zochondo zu danken hat. Dieſes Wort Zochondo aber kommt von einem hohen Goletz, der ſich

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Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/98>, abgerufen am 19.04.2024.