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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
suchen nutzen würde: und hat man auff die vorgedachte art dasjenige zu versetzen/
was man durch den gebrauch der formulae conditionatae nicht thun darff. Die-
ses wäre meine meynung/ welche ich sicher zu seyn glaube. Der HErr gebe uns
allezeit seinen willen kräfftig zuerkennen/ und mache seine kirche mehr und mehr
frey/ von demjenigen/ was einigerley massen die erbauung schwächet. 1690.

SECTIO VI.
Etliche fragen von der formula conditionata
der absolution, und ob man um anderer autoritet willen
seine lehr fahren lassen müsse?
Die I. Frage.
Ob ein Christlicher Prediger/ welcher gelehret/ daß man
einen heuchler und solchen menschen/ von deme/ daß er wahrhafftig
bußfertig erscheine/ ziemlicher zweiffel/ und dessen ursachen verhan-
den sind/ mit condition seiner busse und glaubens zu absolviren habe/
und solches aus gelegenheit des catechismi Lutheri vorgetragen/ mit
recht darüber ein sectarius oder temerarius zu halten/ und zu ei-
ner palinodia zu astringiren?

HJerauff in der furcht des HErrn zu antworten/ sehe ich nicht wie man die-
sen Prediger nur einerley massen beschuldigen könne/ über eine solche
lehre/ die er aus dem catechismo Lutheri, zu dem wir uns gleichwol alle
bekennen/ erwiesen/ auch noch andere Christliche einstimmige Lehrer (als Balduin
Cas. Consc. L. 4. c. 10. cap. 1. Tarnov. L. 2. d. 5. minist. 123. Wigand. Broch-
mand. Ramp. D. Scherzer, D. Bechmann. &c.
) vor sich angeführet hat. Daher
ist ja derjenige kein Sectirer/ welcher dasjenige lehret/ was nach der regel der schrift/
von welcher wir ja unsre bekänntnüssen nicht abgewichen zu seyn glauben/ in un-
seren symbolischen büchern uns vorgeschrieben ist/ folglich unsre kirche sich auch da-
zu bekennet: so ists widerum keine vermessenheit/ dasjenige behaupten/ worinnen
uns unsere lehrer vorgehen/ und wir also nicht dem eigenen kopff folgen/ sonder-
lich da es eine solche sache betrifft/ die wir von vielen erbärmlich zur sicherheit miß-
braucht zu werden wissen (denn wer wolte läugnen/ daß nicht viele hindert bey aller
ihrer unbußfertigkeit sich einen vergebenen trost aus der absolution, die sie irrig
absolute verstehen/ und ihnen/ was ihnen nicht gebühret/ zueignen/ fassen/ und
sich damit schädlich betriegen?) und also billich gedencken/ wie auch dieser pfulwe
der sicherheit/ nemlich ein falsch vertrauen auff eine absolution, die einem wahr-

der

Das andere Capitel.
ſuchen nutzen wuͤrde: und hat man auff die vorgedachte art dasjenige zu verſetzen/
was man durch den gebrauch der formulæ conditionatæ nicht thun darff. Die-
ſes waͤre meine meynung/ welche ich ſicher zu ſeyn glaube. Der HErr gebe uns
allezeit ſeinen willen kraͤfftig zuerkennen/ und mache ſeine kirche mehr und mehr
frey/ von demjenigen/ was einigerley maſſen die erbauung ſchwaͤchet. 1690.

SECTIO VI.
Etliche fragen von der formula conditionata
der abſolution, und ob man um anderer autoritet willen
ſeine lehr fahren laſſen muͤſſe?
Die I. Frage.
Ob ein Chriſtlicher Prediger/ welcher gelehret/ daß man
einen heuchler und ſolchen menſchen/ von deme/ daß er wahrhafftig
bußfertig erſcheine/ ziemlicher zweiffel/ und deſſen urſachen verhan-
den ſind/ mit condition ſeiner buſſe und glaubens zu abſolviren habe/
und ſolches aus gelegenheit des catechiſmi Lutheri vorgetragen/ mit
recht daruͤber ein ſectarius oder temerarius zu halten/ und zu ei-
ner palinodia zu aſtringiren?

HJerauff in der furcht des HErrn zu antworten/ ſehe ich nicht wie man die-
ſen Prediger nur einerley maſſen beſchuldigen koͤnne/ uͤber eine ſolche
lehre/ die er aus dem catechiſmo Lutheri, zu dem wir uns gleichwol alle
bekennen/ erwieſen/ auch noch andere Chriſtliche einſtimmige Lehrer (als Balduin
Caſ. Conſc. L. 4. c. 10. cap. 1. Tarnov. L. 2. d. 5. miniſt. 123. Wigand. Broch-
mand. Ramp. D. Scherzer, D. Bechmann. &c.
) vor ſich angefuͤhret hat. Daher
iſt ja derjenige kein Sectirer/ welcher dasjenige lehret/ was nach der regel der ſchrift/
von welcher wir ja unſre bekaͤnntnuͤſſen nicht abgewichen zu ſeyn glauben/ in un-
ſeren ſymboliſchen buͤchern uns vorgeſchrieben iſt/ folglich unſre kirche ſich auch da-
zu bekennet: ſo iſts widerum keine vermeſſenheit/ dasjenige behaupten/ worinnen
uns unſere lehrer vorgehen/ und wir alſo nicht dem eigenen kopff folgen/ ſonder-
lich da es eine ſolche ſache betrifft/ die wir von vielen erbaͤrmlich zur ſicherheit miß-
braucht zu werden wiſſen (denn wer wolte laͤugnen/ daß nicht viele hindert bey aller
ihrer unbußfertigkeit ſich einen vergebenen troſt aus der abſolution, die ſie irrig
abſolute verſtehen/ und ihnen/ was ihnen nicht gebuͤhret/ zueignen/ faſſen/ und
ſich damit ſchaͤdlich betriegen?) und alſo billich gedencken/ wie auch dieſer pfulwe
der ſicherheit/ nemlich ein falſch vertrauen auff eine abſolution, die einem wahr-

der
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[208/1008] Das andere Capitel. ſuchen nutzen wuͤrde: und hat man auff die vorgedachte art dasjenige zu verſetzen/ was man durch den gebrauch der formulæ conditionatæ nicht thun darff. Die- ſes waͤre meine meynung/ welche ich ſicher zu ſeyn glaube. Der HErr gebe uns allezeit ſeinen willen kraͤfftig zuerkennen/ und mache ſeine kirche mehr und mehr frey/ von demjenigen/ was einigerley maſſen die erbauung ſchwaͤchet. 1690. SECTIO VI. Etliche fragen von der formula conditionata der abſolution, und ob man um anderer autoritet willen ſeine lehr fahren laſſen muͤſſe? Die I. Frage. Ob ein Chriſtlicher Prediger/ welcher gelehret/ daß man einen heuchler und ſolchen menſchen/ von deme/ daß er wahrhafftig bußfertig erſcheine/ ziemlicher zweiffel/ und deſſen urſachen verhan- den ſind/ mit condition ſeiner buſſe und glaubens zu abſolviren habe/ und ſolches aus gelegenheit des catechiſmi Lutheri vorgetragen/ mit recht daruͤber ein ſectarius oder temerarius zu halten/ und zu ei- ner palinodia zu aſtringiren? HJerauff in der furcht des HErrn zu antworten/ ſehe ich nicht wie man die- ſen Prediger nur einerley maſſen beſchuldigen koͤnne/ uͤber eine ſolche lehre/ die er aus dem catechiſmo Lutheri, zu dem wir uns gleichwol alle bekennen/ erwieſen/ auch noch andere Chriſtliche einſtimmige Lehrer (als Balduin Caſ. Conſc. L. 4. c. 10. cap. 1. Tarnov. L. 2. d. 5. miniſt. 123. Wigand. Broch- mand. Ramp. D. Scherzer, D. Bechmann. &c.) vor ſich angefuͤhret hat. Daher iſt ja derjenige kein Sectirer/ welcher dasjenige lehret/ was nach der regel der ſchrift/ von welcher wir ja unſre bekaͤnntnuͤſſen nicht abgewichen zu ſeyn glauben/ in un- ſeren ſymboliſchen buͤchern uns vorgeſchrieben iſt/ folglich unſre kirche ſich auch da- zu bekennet: ſo iſts widerum keine vermeſſenheit/ dasjenige behaupten/ worinnen uns unſere lehrer vorgehen/ und wir alſo nicht dem eigenen kopff folgen/ ſonder- lich da es eine ſolche ſache betrifft/ die wir von vielen erbaͤrmlich zur ſicherheit miß- braucht zu werden wiſſen (denn wer wolte laͤugnen/ daß nicht viele hindert bey aller ihrer unbußfertigkeit ſich einen vergebenen troſt aus der abſolution, die ſie irrig abſolute verſtehen/ und ihnen/ was ihnen nicht gebuͤhret/ zueignen/ faſſen/ und ſich damit ſchaͤdlich betriegen?) und alſo billich gedencken/ wie auch dieſer pfulwe der ſicherheit/ nemlich ein falſch vertrauen auff eine abſolution, die einem wahr- der

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/1008>, abgerufen am 29.03.2024.