Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

den ihr Temperament und der tiefe Sand so wenig
begünstigten. Der junge Mann lehnte sich mit einem
Seufzer wieder in seine Ecke zurück, und fing wieder
an, auf die einförmige Musik des mühsam gleisenden
Fuhrwerks zu horchen, und ließ wieder die dunklen
Stämme der Tannen an sich vorübergleiten, auf die
hier und da ein Streifen von dem Licht des Mondes
fiel, der so eben über den Forst heraufstieg, Er be¬
gann von neuem, sich den Empfang, der seiner auf
dem Schlosse harrte, und die so neue Situation, in
die er treten sollte, auszumalen; aber die überdies
verschwommenen Bilder einer unbekannten Zukunft
wurden dunkler und dunkler; die schlummermüden
Augen schlossen sich, und der erste Ton, den sein Ohr
wieder vernahm, war der dumpfe Hufschlag der Pferde
auf einer hölzernen Brücke, die zu einem mächtigen
steinernen Thorweg führte. "Endlich," rief der junge
Mann, sich emporrichtend und neugierig um sich schauend,
als der Wagen rascher hurch eine dunkle Allee riesiger
Bäume fuhr, auf einem mit Kies bestreuten offenen
Platze einen halben Bogen machte und jetzt vor dem
Portale des Schlosses hielt, auf dessen dunklen Fen¬
stern die Mondesstrahlen glitzerten.

Der schweigsame Kutscher klatschte zum Zeichen
der Ankunft mit der Peische. Die einzige Antwort

den ihr Temperament und der tiefe Sand ſo wenig
begünſtigten. Der junge Mann lehnte ſich mit einem
Seufzer wieder in ſeine Ecke zurück, und fing wieder
an, auf die einförmige Muſik des mühſam gleiſenden
Fuhrwerks zu horchen, und ließ wieder die dunklen
Stämme der Tannen an ſich vorübergleiten, auf die
hier und da ein Streifen von dem Licht des Mondes
fiel, der ſo eben über den Forſt heraufſtieg, Er be¬
gann von neuem, ſich den Empfang, der ſeiner auf
dem Schloſſe harrte, und die ſo neue Situation, in
die er treten ſollte, auszumalen; aber die überdies
verſchwommenen Bilder einer unbekannten Zukunft
wurden dunkler und dunkler; die ſchlummermüden
Augen ſchloſſen ſich, und der erſte Ton, den ſein Ohr
wieder vernahm, war der dumpfe Hufſchlag der Pferde
auf einer hölzernen Brücke, die zu einem mächtigen
ſteinernen Thorweg führte. „Endlich,“ rief der junge
Mann, ſich emporrichtend und neugierig um ſich ſchauend,
als der Wagen raſcher hurch eine dunkle Allee rieſiger
Bäume fuhr, auf einem mit Kies beſtreuten offenen
Platze einen halben Bogen machte und jetzt vor dem
Portale des Schloſſes hielt, auf deſſen dunklen Fen¬
ſtern die Mondesſtrahlen glitzerten.

Der ſchweigſame Kutſcher klatſchte zum Zeichen
der Ankunft mit der Peiſche. Die einzige Antwort

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012" n="2"/>
den ihr Temperament und der tiefe Sand &#x017F;o wenig<lb/>
begün&#x017F;tigten. Der junge Mann lehnte &#x017F;ich mit einem<lb/>
Seufzer wieder in &#x017F;eine Ecke zurück, und fing wieder<lb/>
an, auf die einförmige Mu&#x017F;ik des müh&#x017F;am glei&#x017F;enden<lb/>
Fuhrwerks zu horchen, und ließ wieder die dunklen<lb/>
Stämme der Tannen an &#x017F;ich vorübergleiten, auf die<lb/>
hier und da ein Streifen von dem Licht des Mondes<lb/>
fiel, der &#x017F;o eben über den For&#x017F;t herauf&#x017F;tieg, Er be¬<lb/>
gann von neuem, &#x017F;ich den Empfang, der &#x017F;einer auf<lb/>
dem Schlo&#x017F;&#x017F;e harrte, und die &#x017F;o neue Situation, in<lb/>
die er treten &#x017F;ollte, auszumalen; aber die überdies<lb/>
ver&#x017F;chwommenen Bilder einer unbekannten Zukunft<lb/>
wurden dunkler und dunkler; die &#x017F;chlummermüden<lb/>
Augen &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich, und der er&#x017F;te Ton, den &#x017F;ein Ohr<lb/>
wieder vernahm, war der dumpfe Huf&#x017F;chlag der Pferde<lb/>
auf einer hölzernen Brücke, die zu einem mächtigen<lb/>
&#x017F;teinernen Thorweg führte. &#x201E;Endlich,&#x201C; rief der junge<lb/>
Mann, &#x017F;ich emporrichtend und neugierig um &#x017F;ich &#x017F;chauend,<lb/>
als der Wagen ra&#x017F;cher hurch eine dunkle Allee rie&#x017F;iger<lb/>
Bäume fuhr, auf einem mit Kies be&#x017F;treuten offenen<lb/>
Platze einen halben Bogen machte und jetzt vor dem<lb/>
Portale des Schlo&#x017F;&#x017F;es hielt, auf de&#x017F;&#x017F;en dunklen Fen¬<lb/>
&#x017F;tern die Mondes&#x017F;trahlen glitzerten.</p><lb/>
        <p>Der &#x017F;chweig&#x017F;ame Kut&#x017F;cher klat&#x017F;chte zum Zeichen<lb/>
der Ankunft mit der Pei&#x017F;che. Die einzige Antwort<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0012] den ihr Temperament und der tiefe Sand ſo wenig begünſtigten. Der junge Mann lehnte ſich mit einem Seufzer wieder in ſeine Ecke zurück, und fing wieder an, auf die einförmige Muſik des mühſam gleiſenden Fuhrwerks zu horchen, und ließ wieder die dunklen Stämme der Tannen an ſich vorübergleiten, auf die hier und da ein Streifen von dem Licht des Mondes fiel, der ſo eben über den Forſt heraufſtieg, Er be¬ gann von neuem, ſich den Empfang, der ſeiner auf dem Schloſſe harrte, und die ſo neue Situation, in die er treten ſollte, auszumalen; aber die überdies verſchwommenen Bilder einer unbekannten Zukunft wurden dunkler und dunkler; die ſchlummermüden Augen ſchloſſen ſich, und der erſte Ton, den ſein Ohr wieder vernahm, war der dumpfe Hufſchlag der Pferde auf einer hölzernen Brücke, die zu einem mächtigen ſteinernen Thorweg führte. „Endlich,“ rief der junge Mann, ſich emporrichtend und neugierig um ſich ſchauend, als der Wagen raſcher hurch eine dunkle Allee rieſiger Bäume fuhr, auf einem mit Kies beſtreuten offenen Platze einen halben Bogen machte und jetzt vor dem Portale des Schloſſes hielt, auf deſſen dunklen Fen¬ ſtern die Mondesſtrahlen glitzerten. Der ſchweigſame Kutſcher klatſchte zum Zeichen der Ankunft mit der Peiſche. Die einzige Antwort

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/12
Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/12>, abgerufen am 19.04.2024.