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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861.

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viel zu weich für diese harte Welt. Doch das bei
Seite. Was sagen Sie zu meinem Vorschlag?"

"Daß er mir nur halb, und weniger als halb ge¬
fällt."

"So muß ich denn doch den letzten Trumpf aus¬
spielen," rief Berger aufspringend. "So hören Sie
denn, Sie Ungläubiger, daß jenes Haus, in das
ich Sie senden will, einen Engel in sich schließt, in
Gestalt eines wunderlieblichen Mägdeleins. Sie ist die
Schwester Ihres Alexander und Gott sei Dank, vor¬
läufig noch in Hamburg in Pension. Ich hasse sie,
denn sie hat mir viel Qual bereitet. Alle wahnsinnigen
Träume meiner Jugend lebten in mir auf bei ihrem
Anblick und ängstigten mich wie schöne Gespenster.
Zuletzt lief ich davon, so oft ich sie unter ihrem leichten
Strohhute über den glatten Sand des Strandes heran¬
kommen sah. Ja, ich will es nur gestehen, ich habe
die Sonette, die ich Ihnen neulich vorlas, die Sie
freundlich genug waren, liebedurchglüht und Gott weiß,
was noch sonst, zu finden, und die ich in der seligen
Jugendzeit vor dreißig Jahren auf Helgoland gedichtet
zu haben vorgab, im vorigen Jahre in Ostende, vom
Anblick der schönen Teufelin berauscht, mit meinem
Herzblut geschrieben. Das sagen Sie aber Niemanden
wieder."

viel zu weich für dieſe harte Welt. Doch das bei
Seite. Was ſagen Sie zu meinem Vorſchlag?“

„Daß er mir nur halb, und weniger als halb ge¬
fällt.“

„So muß ich denn doch den letzten Trumpf aus¬
ſpielen,“ rief Berger aufſpringend. „So hören Sie
denn, Sie Ungläubiger, daß jenes Haus, in das
ich Sie ſenden will, einen Engel in ſich ſchließt, in
Geſtalt eines wunderlieblichen Mägdeleins. Sie iſt die
Schweſter Ihres Alexander und Gott ſei Dank, vor¬
läufig noch in Hamburg in Penſion. Ich haſſe ſie,
denn ſie hat mir viel Qual bereitet. Alle wahnſinnigen
Träume meiner Jugend lebten in mir auf bei ihrem
Anblick und ängſtigten mich wie ſchöne Geſpenſter.
Zuletzt lief ich davon, ſo oft ich ſie unter ihrem leichten
Strohhute über den glatten Sand des Strandes heran¬
kommen ſah. Ja, ich will es nur geſtehen, ich habe
die Sonette, die ich Ihnen neulich vorlas, die Sie
freundlich genug waren, liebedurchglüht und Gott weiß,
was noch ſonſt, zu finden, und die ich in der ſeligen
Jugendzeit vor dreißig Jahren auf Helgoland gedichtet
zu haben vorgab, im vorigen Jahre in Oſtende, vom
Anblick der ſchönen Teufelin berauſcht, mit meinem
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[26/0036] viel zu weich für dieſe harte Welt. Doch das bei Seite. Was ſagen Sie zu meinem Vorſchlag?“ „Daß er mir nur halb, und weniger als halb ge¬ fällt.“ „So muß ich denn doch den letzten Trumpf aus¬ ſpielen,“ rief Berger aufſpringend. „So hören Sie denn, Sie Ungläubiger, daß jenes Haus, in das ich Sie ſenden will, einen Engel in ſich ſchließt, in Geſtalt eines wunderlieblichen Mägdeleins. Sie iſt die Schweſter Ihres Alexander und Gott ſei Dank, vor¬ läufig noch in Hamburg in Penſion. Ich haſſe ſie, denn ſie hat mir viel Qual bereitet. Alle wahnſinnigen Träume meiner Jugend lebten in mir auf bei ihrem Anblick und ängſtigten mich wie ſchöne Geſpenſter. Zuletzt lief ich davon, ſo oft ich ſie unter ihrem leichten Strohhute über den glatten Sand des Strandes heran¬ kommen ſah. Ja, ich will es nur geſtehen, ich habe die Sonette, die ich Ihnen neulich vorlas, die Sie freundlich genug waren, liebedurchglüht und Gott weiß, was noch ſonſt, zu finden, und die ich in der ſeligen Jugendzeit vor dreißig Jahren auf Helgoland gedichtet zu haben vorgab, im vorigen Jahre in Oſtende, vom Anblick der ſchönen Teufelin berauſcht, mit meinem Herzblut geſchrieben. Das ſagen Sie aber Niemanden wieder.“

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 1. Berlin, 1861, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische01_1861/36>, abgerufen am 25.04.2024.