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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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matisch, aber so ganz und gar unmöglich ist sie denn
doch nicht. Ich sehe mich schon im Geist an der
Seite der kleinen Frau des Sonntag Nachmittags
ehrsam durch die Felder wandern, das Lied der Spatzen
und die Philippiken der theuren Ehehälfte gegen die
steigende Unverschämtheit der Bäcker und Fleischer mit
langen Ohren einsaugend, während vor uns her zwei
junge Weltbürger wandeln, die eine flüchtige Aehn¬
lichkeit mit einer mir sehr werthen Person haben, und
hinter uns aus einem, von einem Mädchen für Alles
gezogenen Wägelchen ein feines Stimmchen erschallt,
welches den beredtesten Commentar zu den staatsöko¬
nomischen Abhandlungen der kleinen Frau liefert!
Oh! . . .

Albert stöhnte laut auf, als ob er sich auf dieser
imaginären Promenade den Fuß an einem sehr reellen
Stein gestoßen hätte. Er sprang von dem Sopha
auf und ging mit den Armen auf dem Rücken nach¬
denklich im Zimmer auf und ab. "Die Karten sind
fertig," sagte er, vor seinem Zeichentische stehen blei¬
bend; "Anna-Maria hat mich abgelohnt; ich habe
eigentlich hier nichts mehr zu thun, und die Frage
der gnädigen Frau, wann ich abzureisen gedächte, war
auch ziemlich deutlich. Wie ich diese stolze, nichts¬
nutzige Brut hasse -- Alle, keinen und keine aus¬

matiſch, aber ſo ganz und gar unmöglich iſt ſie denn
doch nicht. Ich ſehe mich ſchon im Geiſt an der
Seite der kleinen Frau des Sonntag Nachmittags
ehrſam durch die Felder wandern, das Lied der Spatzen
und die Philippiken der theuren Ehehälfte gegen die
ſteigende Unverſchämtheit der Bäcker und Fleiſcher mit
langen Ohren einſaugend, während vor uns her zwei
junge Weltbürger wandeln, die eine flüchtige Aehn¬
lichkeit mit einer mir ſehr werthen Perſon haben, und
hinter uns aus einem, von einem Mädchen für Alles
gezogenen Wägelchen ein feines Stimmchen erſchallt,
welches den beredteſten Commentar zu den ſtaatsöko¬
nomiſchen Abhandlungen der kleinen Frau liefert!
Oh! . . .

Albert ſtöhnte laut auf, als ob er ſich auf dieſer
imaginären Promenade den Fuß an einem ſehr reellen
Stein geſtoßen hätte. Er ſprang von dem Sopha
auf und ging mit den Armen auf dem Rücken nach¬
denklich im Zimmer auf und ab. „Die Karten ſind
fertig,“ ſagte er, vor ſeinem Zeichentiſche ſtehen blei¬
bend; „Anna-Maria hat mich abgelohnt; ich habe
eigentlich hier nichts mehr zu thun, und die Frage
der gnädigen Frau, wann ich abzureiſen gedächte, war
auch ziemlich deutlich. Wie ich dieſe ſtolze, nichts¬
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[106/0116] matiſch, aber ſo ganz und gar unmöglich iſt ſie denn doch nicht. Ich ſehe mich ſchon im Geiſt an der Seite der kleinen Frau des Sonntag Nachmittags ehrſam durch die Felder wandern, das Lied der Spatzen und die Philippiken der theuren Ehehälfte gegen die ſteigende Unverſchämtheit der Bäcker und Fleiſcher mit langen Ohren einſaugend, während vor uns her zwei junge Weltbürger wandeln, die eine flüchtige Aehn¬ lichkeit mit einer mir ſehr werthen Perſon haben, und hinter uns aus einem, von einem Mädchen für Alles gezogenen Wägelchen ein feines Stimmchen erſchallt, welches den beredteſten Commentar zu den ſtaatsöko¬ nomiſchen Abhandlungen der kleinen Frau liefert! Oh! . . . Albert ſtöhnte laut auf, als ob er ſich auf dieſer imaginären Promenade den Fuß an einem ſehr reellen Stein geſtoßen hätte. Er ſprang von dem Sopha auf und ging mit den Armen auf dem Rücken nach¬ denklich im Zimmer auf und ab. „Die Karten ſind fertig,“ ſagte er, vor ſeinem Zeichentiſche ſtehen blei¬ bend; „Anna-Maria hat mich abgelohnt; ich habe eigentlich hier nichts mehr zu thun, und die Frage der gnädigen Frau, wann ich abzureiſen gedächte, war auch ziemlich deutlich. Wie ich dieſe ſtolze, nichts¬ nutzige Brut haſſe — Alle, keinen und keine aus¬

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/116>, abgerufen am 23.04.2024.