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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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Abenteuers zu einer äußerst schwierigen und bedenk¬
lichen Sache. Das hatte auch Felix erfahren, indem
er sich einige Mal auf seinen nächtlichen Wanderungen
gründlich verirrte und nur mit der äußersten Mühe
und nach stundenlangem vorsichtigen Umhertappen sein
Zimmer wieder gewann. Er zog es deshalb vor, in
dem Garten, der sich mit seinen schattigen Gängen
und still verschwiegenen Lauben auch ganz vortrefflich
dazu eignete, und in den man sowol aus der Leute¬
wohnung, wie aus dem Herrenhause ohne große Mühe
gelangen konnte, den angesponnenen Roman weiter zu
führen.

So hatte er sich denn auch in dieser Nacht aus
dem Schlosse gestohlen, und harrte, in den dichten
Boskets, von denen aus man die Front des alten
Schlosses und die Leutewohnung, die in einer Linie
daran gebaut war, beobachten konnte, seines armen
Opfers. Die Schloßuhr schlug zwölf -- die Stunde,
welche er zum Rendezvous bestimmt hatte. Der Mond
schien hell, die Thautropfen auf den Blumen und
Blättern glitzerten in seinen Strahlen; Felix konnte
auf seiner Uhr sehen, daß die Schloßglocke eine Vier¬
telstunde zu spät geschlagen hatte. Die Lichter im
Schloß waren erloschen; nur in zwei der Fenster des
hohen Parterres schimmerte durch die rothen Vor¬

Abenteuers zu einer äußerſt ſchwierigen und bedenk¬
lichen Sache. Das hatte auch Felix erfahren, indem
er ſich einige Mal auf ſeinen nächtlichen Wanderungen
gründlich verirrte und nur mit der äußerſten Mühe
und nach ſtundenlangem vorſichtigen Umhertappen ſein
Zimmer wieder gewann. Er zog es deshalb vor, in
dem Garten, der ſich mit ſeinen ſchattigen Gängen
und ſtill verſchwiegenen Lauben auch ganz vortrefflich
dazu eignete, und in den man ſowol aus der Leute¬
wohnung, wie aus dem Herrenhauſe ohne große Mühe
gelangen konnte, den angeſponnenen Roman weiter zu
führen.

So hatte er ſich denn auch in dieſer Nacht aus
dem Schloſſe geſtohlen, und harrte, in den dichten
Boskets, von denen aus man die Front des alten
Schloſſes und die Leutewohnung, die in einer Linie
daran gebaut war, beobachten konnte, ſeines armen
Opfers. Die Schloßuhr ſchlug zwölf — die Stunde,
welche er zum Rendezvous beſtimmt hatte. Der Mond
ſchien hell, die Thautropfen auf den Blumen und
Blättern glitzerten in ſeinen Strahlen; Felix konnte
auf ſeiner Uhr ſehen, daß die Schloßglocke eine Vier¬
telſtunde zu ſpät geſchlagen hatte. Die Lichter im
Schloß waren erloſchen; nur in zwei der Fenſter des
hohen Parterres ſchimmerte durch die rothen Vor¬

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[149/0159] Abenteuers zu einer äußerſt ſchwierigen und bedenk¬ lichen Sache. Das hatte auch Felix erfahren, indem er ſich einige Mal auf ſeinen nächtlichen Wanderungen gründlich verirrte und nur mit der äußerſten Mühe und nach ſtundenlangem vorſichtigen Umhertappen ſein Zimmer wieder gewann. Er zog es deshalb vor, in dem Garten, der ſich mit ſeinen ſchattigen Gängen und ſtill verſchwiegenen Lauben auch ganz vortrefflich dazu eignete, und in den man ſowol aus der Leute¬ wohnung, wie aus dem Herrenhauſe ohne große Mühe gelangen konnte, den angeſponnenen Roman weiter zu führen. So hatte er ſich denn auch in dieſer Nacht aus dem Schloſſe geſtohlen, und harrte, in den dichten Boskets, von denen aus man die Front des alten Schloſſes und die Leutewohnung, die in einer Linie daran gebaut war, beobachten konnte, ſeines armen Opfers. Die Schloßuhr ſchlug zwölf — die Stunde, welche er zum Rendezvous beſtimmt hatte. Der Mond ſchien hell, die Thautropfen auf den Blumen und Blättern glitzerten in ſeinen Strahlen; Felix konnte auf ſeiner Uhr ſehen, daß die Schloßglocke eine Vier¬ telſtunde zu ſpät geſchlagen hatte. Die Lichter im Schloß waren erloſchen; nur in zwei der Fenſter des hohen Parterres ſchimmerte durch die rothen Vor¬

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/159>, abgerufen am 03.05.2024.