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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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Hände reibend; "ja, ja! unverhofft kommt oft, und
gehofft kommt auch wol einmal. Als meine letzte
größere Schrift, in welcher ich den eigentlichen Wort¬
laut des Titels eines verloren gegangenen Werkes des
Kirchenvaters Philochrysos bis zur Evidenz nachwies,
in allen kritischen Journalen eine so -- ich darf wol
sagen -- außerordentliche Anerkennung fand, konnte
ich den Erfolg mit ziemlicher Gewißheit zum voraus
angeben."

"Wann werden Sie uns denn nun verlassen?"

"Nun zu Michaelis spätestens; wahrscheinlich aber
noch früher; ich werde für das Wintersemester drei
private Vorlesungen, eine publice und gratis, und
endlich eine über die verloren gegangenen Schriften
des Philochryses, privatissime und gratis ankün¬
digen."

"Du nimmst Dir zu viel vor, Jäger, zu viel!"
hauchte Primula in zärtlichen Tönen: "o, diese Männer,
diese Männer! jeder Einzelne ist ein Prometheus, der
den Himmel stürmen möchte."

"Wer hat mich denn zu meinem kühnen Streben
begeistert, wenn nicht Du?" sagte der Pastor, Pri¬
mula dankbar die Hand drückend.

"Schießen Sie mit der Pistole?" fragte Felix, um
dem Gespräch eine andere Wendung zu geben.

Hände reibend; „ja, ja! unverhofft kommt oft, und
gehofft kommt auch wol einmal. Als meine letzte
größere Schrift, in welcher ich den eigentlichen Wort¬
laut des Titels eines verloren gegangenen Werkes des
Kirchenvaters Philochryſos bis zur Evidenz nachwies,
in allen kritiſchen Journalen eine ſo — ich darf wol
ſagen — außerordentliche Anerkennung fand, konnte
ich den Erfolg mit ziemlicher Gewißheit zum voraus
angeben.“

„Wann werden Sie uns denn nun verlaſſen?“

„Nun zu Michaelis ſpäteſtens; wahrſcheinlich aber
noch früher; ich werde für das Winterſemeſter drei
private Vorleſungen, eine publice und gratis, und
endlich eine über die verloren gegangenen Schriften
des Philochryſes, privatissime und gratis ankün¬
digen.“

„Du nimmſt Dir zu viel vor, Jäger, zu viel!“
hauchte Primula in zärtlichen Tönen: „o, dieſe Männer,
dieſe Männer! jeder Einzelne iſt ein Prometheus, der
den Himmel ſtürmen möchte.“

„Wer hat mich denn zu meinem kühnen Streben
begeiſtert, wenn nicht Du?“ ſagte der Paſtor, Pri¬
mula dankbar die Hand drückend.

„Schießen Sie mit der Piſtole?“ fragte Felix, um
dem Geſpräch eine andere Wendung zu geben.

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[165/0175] Hände reibend; „ja, ja! unverhofft kommt oft, und gehofft kommt auch wol einmal. Als meine letzte größere Schrift, in welcher ich den eigentlichen Wort¬ laut des Titels eines verloren gegangenen Werkes des Kirchenvaters Philochryſos bis zur Evidenz nachwies, in allen kritiſchen Journalen eine ſo — ich darf wol ſagen — außerordentliche Anerkennung fand, konnte ich den Erfolg mit ziemlicher Gewißheit zum voraus angeben.“ „Wann werden Sie uns denn nun verlaſſen?“ „Nun zu Michaelis ſpäteſtens; wahrſcheinlich aber noch früher; ich werde für das Winterſemeſter drei private Vorleſungen, eine publice und gratis, und endlich eine über die verloren gegangenen Schriften des Philochryſes, privatissime und gratis ankün¬ digen.“ „Du nimmſt Dir zu viel vor, Jäger, zu viel!“ hauchte Primula in zärtlichen Tönen: „o, dieſe Männer, dieſe Männer! jeder Einzelne iſt ein Prometheus, der den Himmel ſtürmen möchte.“ „Wer hat mich denn zu meinem kühnen Streben begeiſtert, wenn nicht Du?“ ſagte der Paſtor, Pri¬ mula dankbar die Hand drückend. „Schießen Sie mit der Piſtole?“ fragte Felix, um dem Geſpräch eine andere Wendung zu geben.

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/175>, abgerufen am 03.05.2024.