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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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reitet, nach welcher die Hauslehrer ein Zeugniß des
Pfarrers ihres betreffenden Kirchspiels über ihre Reli¬
giosität und Moralität beizubringen haben. Wir
wollen es Herrn Dr. Stein schwer machen, ein solches
beizubringen;" und der Pastor lächelte schlau.

"Wissen Sie schon das Neueste, meine Herrschaf¬
ten," rief Felix, ein Billet, das ihm so eben von dem
Bedienten, welcher das Kaffeeservice in die Laube trug,
übergeben war, in der Hand haltend; "Cloten hat
sich mit der kleinen Breesen verlobt; hier schickt er
mir, als seinem besten Freunde, die erste Karte; die
Anderen kriegen erst morgen welche."

"Ich kann Ihnen ein Paroli biegen," sagte der
Pastor. "Wer denken Sie, gnädige Frau, daß seit
gestern Abend wieder hier ist?"

"Nun?"

"Frau von Berkow."

"Nicht möglich!"

"Ich weiß es ganz genau. Sie hat, einem in
dem Testament geäußerten Wunsch ihres Gemals zu¬
folge die Leiche desselben von N. hierher schaffen lassen.
Der Sarg kommt noch in dieser Nacht, um morgen
von mir auf dem Faschwitzer Kirchhof eingesegnet zu
werden."

reitet, nach welcher die Hauslehrer ein Zeugniß des
Pfarrers ihres betreffenden Kirchſpiels über ihre Reli¬
gioſität und Moralität beizubringen haben. Wir
wollen es Herrn Dr. Stein ſchwer machen, ein ſolches
beizubringen;“ und der Paſtor lächelte ſchlau.

„Wiſſen Sie ſchon das Neueſte, meine Herrſchaf¬
ten,“ rief Felix, ein Billet, das ihm ſo eben von dem
Bedienten, welcher das Kaffeeſervice in die Laube trug,
übergeben war, in der Hand haltend; „Cloten hat
ſich mit der kleinen Breeſen verlobt; hier ſchickt er
mir, als ſeinem beſten Freunde, die erſte Karte; die
Anderen kriegen erſt morgen welche.“

„Ich kann Ihnen ein Paroli biegen,“ ſagte der
Paſtor. „Wer denken Sie, gnädige Frau, daß ſeit
geſtern Abend wieder hier iſt?“

„Nun?“

„Frau von Berkow.“

„Nicht möglich!“

„Ich weiß es ganz genau. Sie hat, einem in
dem Teſtament geäußerten Wunſch ihres Gemals zu¬
folge die Leiche deſſelben von N. hierher ſchaffen laſſen.
Der Sarg kommt noch in dieſer Nacht, um morgen
von mir auf dem Faſchwitzer Kirchhof eingeſegnet zu
werden.“

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[171/0181] reitet, nach welcher die Hauslehrer ein Zeugniß des Pfarrers ihres betreffenden Kirchſpiels über ihre Reli¬ gioſität und Moralität beizubringen haben. Wir wollen es Herrn Dr. Stein ſchwer machen, ein ſolches beizubringen;“ und der Paſtor lächelte ſchlau. „Wiſſen Sie ſchon das Neueſte, meine Herrſchaf¬ ten,“ rief Felix, ein Billet, das ihm ſo eben von dem Bedienten, welcher das Kaffeeſervice in die Laube trug, übergeben war, in der Hand haltend; „Cloten hat ſich mit der kleinen Breeſen verlobt; hier ſchickt er mir, als ſeinem beſten Freunde, die erſte Karte; die Anderen kriegen erſt morgen welche.“ „Ich kann Ihnen ein Paroli biegen,“ ſagte der Paſtor. „Wer denken Sie, gnädige Frau, daß ſeit geſtern Abend wieder hier iſt?“ „Nun?“ „Frau von Berkow.“ „Nicht möglich!“ „Ich weiß es ganz genau. Sie hat, einem in dem Teſtament geäußerten Wunſch ihres Gemals zu¬ folge die Leiche deſſelben von N. hierher ſchaffen laſſen. Der Sarg kommt noch in dieſer Nacht, um morgen von mir auf dem Faſchwitzer Kirchhof eingeſegnet zu werden.“

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/181>, abgerufen am 27.04.2024.