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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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"So werde ich der versammelten Gesellschaft sa¬
gen, was ich Dir soeben gesagt habe."

"Ist das Dein wohlerwogener Entschluß?"

"So wahr mir Gott helfe: ja!"

"Nun denn! so sage ich mich von Dir los, wie
Du Dich von mir losgesagt hast! so gehe denn hin
und wirf Dich dem Bettler in die Arme! Aber nein!
noch giebt es Mittel, diese Schande wenigstens vor
der Welt zu verbergen. Morgen packst Du Deine
Sachen; übermorgen gehst Du in die Pension zurück."

Ein Strahl wie von Freude brach aus Helenen's
dunkeln Augen und ein zartes Roth flog über ihre
bleichen Wangen.

"Ich gehe gern," sagte sie.

"Aber nicht nach Hamburg," sagte die Baronin,
und es lag eine grausame Ironie in Ton und Wort;
"ich habe genug von Mary Burton. Du gehst nach
Grünwald. Ich habe schon an Fräulein Bär geschrie¬
ben. Sie ist nicht ganz so nachsichtig wie Madame
Bernhard, aber mit der Zeit der Güte und Nachsicht
ist es jetzt auch vorbei. Begieb Dich auf Dein Zim¬
mer. Um sechs Uhr wünsche ich Dich zum Ball an¬
gezogen zu sehen. Ueberlege Dir noch einmal, was
Du thun willst. Ich gebe Dir bis dahin Bedenkzeit.
Du kannst gehen."

„So werde ich der verſammelten Geſellſchaft ſa¬
gen, was ich Dir ſoeben geſagt habe.“

„Iſt das Dein wohlerwogener Entſchluß?“

„So wahr mir Gott helfe: ja!“

„Nun denn! ſo ſage ich mich von Dir los, wie
Du Dich von mir losgeſagt haſt! ſo gehe denn hin
und wirf Dich dem Bettler in die Arme! Aber nein!
noch giebt es Mittel, dieſe Schande wenigſtens vor
der Welt zu verbergen. Morgen packſt Du Deine
Sachen; übermorgen gehſt Du in die Penſion zurück.“

Ein Strahl wie von Freude brach aus Helenen's
dunkeln Augen und ein zartes Roth flog über ihre
bleichen Wangen.

„Ich gehe gern,“ ſagte ſie.

„Aber nicht nach Hamburg,“ ſagte die Baronin,
und es lag eine grauſame Ironie in Ton und Wort;
„ich habe genug von Mary Burton. Du gehſt nach
Grünwald. Ich habe ſchon an Fräulein Bär geſchrie¬
ben. Sie iſt nicht ganz ſo nachſichtig wie Madame
Bernhard, aber mit der Zeit der Güte und Nachſicht
iſt es jetzt auch vorbei. Begieb Dich auf Dein Zim¬
mer. Um ſechs Uhr wünſche ich Dich zum Ball an¬
gezogen zu ſehen. Ueberlege Dir noch einmal, was
Du thun willſt. Ich gebe Dir bis dahin Bedenkzeit.
Du kannſt gehen.“

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[214/0224] „So werde ich der verſammelten Geſellſchaft ſa¬ gen, was ich Dir ſoeben geſagt habe.“ „Iſt das Dein wohlerwogener Entſchluß?“ „So wahr mir Gott helfe: ja!“ „Nun denn! ſo ſage ich mich von Dir los, wie Du Dich von mir losgeſagt haſt! ſo gehe denn hin und wirf Dich dem Bettler in die Arme! Aber nein! noch giebt es Mittel, dieſe Schande wenigſtens vor der Welt zu verbergen. Morgen packſt Du Deine Sachen; übermorgen gehſt Du in die Penſion zurück.“ Ein Strahl wie von Freude brach aus Helenen's dunkeln Augen und ein zartes Roth flog über ihre bleichen Wangen. „Ich gehe gern,“ ſagte ſie. „Aber nicht nach Hamburg,“ ſagte die Baronin, und es lag eine grauſame Ironie in Ton und Wort; „ich habe genug von Mary Burton. Du gehſt nach Grünwald. Ich habe ſchon an Fräulein Bär geſchrie¬ ben. Sie iſt nicht ganz ſo nachſichtig wie Madame Bernhard, aber mit der Zeit der Güte und Nachſicht iſt es jetzt auch vorbei. Begieb Dich auf Dein Zim¬ mer. Um ſechs Uhr wünſche ich Dich zum Ball an¬ gezogen zu ſehen. Ueberlege Dir noch einmal, was Du thun willſt. Ich gebe Dir bis dahin Bedenkzeit. Du kannſt gehen.“

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/224>, abgerufen am 28.04.2024.