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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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wie geschickt der Vater in Allem gewesen sei, und wie
er die Axt zu führen verstanden habe, trotzdem er in
seiner Jugend Page an dem Hofe der Königin ge¬
wesen war und ihr die lange seidene Schleppe ge¬
tragen hatte bei den prunkenden Festen. Und von
Thor, dem schnellen Traber, den der Vater vor den
Schlitten spannte, und von den nordischen Winter¬
nächten, wenn die Sterne aus dem schwarzen Himmel
funkelten wie lauter Diamanten, Rubinen und Sma¬
ragden, so hell, daß der Schnee in ihrem Scheine
glitzerte. Und von dem Nordlicht, wie es plötzlich am
Horizont aufflammt und seine Feuerarme bis zum
Zenith hinaufstreckt.

"Wir müssen zusammen einmal nach Schweden
reisen," sagte er; "der Winter hier ist nur Kinder¬
spiel; da sollst Du einmal Schnee und Eis zu sehen
bekommen! Hier ist es heiß, unerträglich heiß -- ich
wollte, ich läge in Eis und Schnee."

Und der Knabe warf sein Haupt ruhelos auf dem
Kissen umher und verlangte zu trinken.

Da tönte Musik herauf aus dem Garten.

"Was ist das?" sagte Bruno, in die Höhe fahrend.

Oswald trat ans Fenster.

"Es ist die ganze Gesellschaft," sagte er, "sie kom¬
men eben zwischen den Bäumen heraus. Graf Grie¬

wie geſchickt der Vater in Allem geweſen ſei, und wie
er die Axt zu führen verſtanden habe, trotzdem er in
ſeiner Jugend Page an dem Hofe der Königin ge¬
weſen war und ihr die lange ſeidene Schleppe ge¬
tragen hatte bei den prunkenden Feſten. Und von
Thor, dem ſchnellen Traber, den der Vater vor den
Schlitten ſpannte, und von den nordiſchen Winter¬
nächten, wenn die Sterne aus dem ſchwarzen Himmel
funkelten wie lauter Diamanten, Rubinen und Sma¬
ragden, ſo hell, daß der Schnee in ihrem Scheine
glitzerte. Und von dem Nordlicht, wie es plötzlich am
Horizont aufflammt und ſeine Feuerarme bis zum
Zenith hinaufſtreckt.

„Wir müſſen zuſammen einmal nach Schweden
reiſen,“ ſagte er; „der Winter hier iſt nur Kinder¬
ſpiel; da ſollſt Du einmal Schnee und Eis zu ſehen
bekommen! Hier iſt es heiß, unerträglich heiß — ich
wollte, ich läge in Eis und Schnee.“

Und der Knabe warf ſein Haupt ruhelos auf dem
Kiſſen umher und verlangte zu trinken.

Da tönte Muſik herauf aus dem Garten.

„Was iſt das?“ ſagte Bruno, in die Höhe fahrend.

Oswald trat ans Fenſter.

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[253/0263] wie geſchickt der Vater in Allem geweſen ſei, und wie er die Axt zu führen verſtanden habe, trotzdem er in ſeiner Jugend Page an dem Hofe der Königin ge¬ weſen war und ihr die lange ſeidene Schleppe ge¬ tragen hatte bei den prunkenden Feſten. Und von Thor, dem ſchnellen Traber, den der Vater vor den Schlitten ſpannte, und von den nordiſchen Winter¬ nächten, wenn die Sterne aus dem ſchwarzen Himmel funkelten wie lauter Diamanten, Rubinen und Sma¬ ragden, ſo hell, daß der Schnee in ihrem Scheine glitzerte. Und von dem Nordlicht, wie es plötzlich am Horizont aufflammt und ſeine Feuerarme bis zum Zenith hinaufſtreckt. „Wir müſſen zuſammen einmal nach Schweden reiſen,“ ſagte er; „der Winter hier iſt nur Kinder¬ ſpiel; da ſollſt Du einmal Schnee und Eis zu ſehen bekommen! Hier iſt es heiß, unerträglich heiß — ich wollte, ich läge in Eis und Schnee.“ Und der Knabe warf ſein Haupt ruhelos auf dem Kiſſen umher und verlangte zu trinken. Da tönte Muſik herauf aus dem Garten. „Was iſt das?“ ſagte Bruno, in die Höhe fahrend. Oswald trat ans Fenſter. „Es iſt die ganze Geſellſchaft,“ ſagte er, „ſie kom¬ men eben zwiſchen den Bäumen heraus. Graf Grie¬

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/263>, abgerufen am 16.05.2024.