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Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861.

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gangen sei und daß sie vielleicht Oswald, den sie
trotz alledem doch noch mit der ganzen Kraft ihres
leidenschaftlichen Herzens liebte, einer großen Ge¬
fahr ausgesetzt habe. Sie hätte ihn vielleicht in der
Raserei ihrer Eifersucht mit ihren eigenen Händen
morden können -- aber ihn den brutalen Mißhand¬
lungen Cloten's und der Anderen aussetzen -- der
Gedanke war ihr fürchterlich. Sie blickte wie hülfe¬
suchend im Saal umher.

Ihr Bruder kam in ihre Nähe. Sie rief ihn.

"Was willst Du, Kleine?"

"Hast Du Doctor Stein schon gesehen?"

"Ja, weshalb?"

"Du wolltest ihn ja während der Jagdzeit auf
ein paar Tage zu uns einladen. Es wäre doch
unartig, wenn wir uns jetzt gar nicht um ihn küm¬
merten."

Emilie war sehr roth geworden, als sie das sagte;
ihre ganze Geistesgegenwart schien sie verlassen zu
haben.

"Ihn zu uns einladen?" rief Adolf von Breesen,
"nun das fehlte wahrhaftig noch! damit die albernen
Klatschereien, die Lisbeth über Dich und ihn aufge¬
bracht hat, doch ja unsterblich werden -- ihn zu uns
einladen? lieber wollte ich --"

gangen ſei und daß ſie vielleicht Oswald, den ſie
trotz alledem doch noch mit der ganzen Kraft ihres
leidenſchaftlichen Herzens liebte, einer großen Ge¬
fahr ausgeſetzt habe. Sie hätte ihn vielleicht in der
Raſerei ihrer Eiferſucht mit ihren eigenen Händen
morden können — aber ihn den brutalen Mißhand¬
lungen Cloten's und der Anderen ausſetzen — der
Gedanke war ihr fürchterlich. Sie blickte wie hülfe¬
ſuchend im Saal umher.

Ihr Bruder kam in ihre Nähe. Sie rief ihn.

„Was willſt Du, Kleine?“

„Haſt Du Doctor Stein ſchon geſehen?“

„Ja, weshalb?“

„Du wollteſt ihn ja während der Jagdzeit auf
ein paar Tage zu uns einladen. Es wäre doch
unartig, wenn wir uns jetzt gar nicht um ihn küm¬
merten.“

Emilie war ſehr roth geworden, als ſie das ſagte;
ihre ganze Geiſtesgegenwart ſchien ſie verlaſſen zu
haben.

„Ihn zu uns einladen?“ rief Adolf von Breeſen,
„nun das fehlte wahrhaftig noch! damit die albernen
Klatſchereien, die Lisbeth über Dich und ihn aufge¬
bracht hat, doch ja unſterblich werden — ihn zu uns
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[266/0276] gangen ſei und daß ſie vielleicht Oswald, den ſie trotz alledem doch noch mit der ganzen Kraft ihres leidenſchaftlichen Herzens liebte, einer großen Ge¬ fahr ausgeſetzt habe. Sie hätte ihn vielleicht in der Raſerei ihrer Eiferſucht mit ihren eigenen Händen morden können — aber ihn den brutalen Mißhand¬ lungen Cloten's und der Anderen ausſetzen — der Gedanke war ihr fürchterlich. Sie blickte wie hülfe¬ ſuchend im Saal umher. Ihr Bruder kam in ihre Nähe. Sie rief ihn. „Was willſt Du, Kleine?“ „Haſt Du Doctor Stein ſchon geſehen?“ „Ja, weshalb?“ „Du wollteſt ihn ja während der Jagdzeit auf ein paar Tage zu uns einladen. Es wäre doch unartig, wenn wir uns jetzt gar nicht um ihn küm¬ merten.“ Emilie war ſehr roth geworden, als ſie das ſagte; ihre ganze Geiſtesgegenwart ſchien ſie verlaſſen zu haben. „Ihn zu uns einladen?“ rief Adolf von Breeſen, „nun das fehlte wahrhaftig noch! damit die albernen Klatſchereien, die Lisbeth über Dich und ihn aufge¬ bracht hat, doch ja unſterblich werden — ihn zu uns einladen? lieber wollte ich —“

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Zitationshilfe: Spielhagen, Friedrich: Problematische Naturen. Bd. 4. Berlin, 1861, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spielhagen_problematische04_1861/276>, abgerufen am 15.05.2024.