Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
Vater. Wahr, aber auch schrecklich, daß es
wahr ist! Ich steckte durch Unvorsichtigkeit das
Haus in Brand, und fordere nun von den Be-
wohnern, die seine Flamme fühlen, und sich nicht
retten können, daß sie diese verzehrende Flamme
löschen sollen. Weh mir! Weh mir! Ich bin
der eigne Stifter meines Unglücks, mein Loos ist
Jammer und Elend! -- -- Edler Jüngling,
noch ist Rettung möglich! Ich beschwöre, ich
bitte sie, stehen sie mir bei, und wir siegen ge-
wiß.
Friedrich. Ich will thun, was ich ver-
mag, dazu verpflichtet mich Vernunft und Ehre.

Sie stehen hier auf Werbung, es wird ihnen
ein leichtes seyn, ihren Rückruf zu bewirken.
Zeit und Abwesenheit werden sie überzeugen, daß
ihre Liebe zu meiner Tochter die größte Thorheit
war. Sie werden bald eine schönere und bessere
Gattin finden, und jene in ihren Armen ver-
gessen.
Friedrich. Ah des weisen Salomo! Wäre
Vergessenheit möglich, dann bedürfte ich ihres
Raths nicht, er ward mir schon selbst, und frü-
her, ehe sies wohl dachten. (er öfnet seine
Brieftasche, und zeigt ihm zwei versie-
gelte Briefe
)
Sehen sie, diese zwei Briefe,
einer an meine Mutter, der andre an meinen
Onkel, enthalten beide die Bitte zur Rückberufung
ins Vaterland. Da ich darin vorstelle, daß ich
bei längerm Aufenthalte Schulden machen müßte,
Vater. Wahr, aber auch ſchrecklich, daß es
wahr iſt! Ich ſteckte durch Unvorſichtigkeit das
Haus in Brand, und fordere nun von den Be-
wohnern, die ſeine Flamme fuͤhlen, und ſich nicht
retten koͤnnen, daß ſie dieſe verzehrende Flamme
loͤſchen ſollen. Weh mir! Weh mir! Ich bin
der eigne Stifter meines Ungluͤcks, mein Loos iſt
Jammer und Elend! — — Edler Juͤngling,
noch iſt Rettung moͤglich! Ich beſchwoͤre, ich
bitte ſie, ſtehen ſie mir bei, und wir ſiegen ge-
wiß.
Friedrich. Ich will thun, was ich ver-
mag, dazu verpflichtet mich Vernunft und Ehre.

Sie ſtehen hier auf Werbung, es wird ihnen
ein leichtes ſeyn, ihren Ruͤckruf zu bewirken.
Zeit und Abweſenheit werden ſie uͤberzeugen, daß
ihre Liebe zu meiner Tochter die groͤßte Thorheit
war. Sie werden bald eine ſchoͤnere und beſſere
Gattin finden, und jene in ihren Armen ver-
geſſen.
Friedrich. Ah des weiſen Salomo! Waͤre
Vergeſſenheit moͤglich, dann beduͤrfte ich ihres
Raths nicht, er ward mir ſchon ſelbſt, und fruͤ-
her, ehe ſies wohl dachten. (er oͤfnet ſeine
Brieftaſche, und zeigt ihm zwei verſie-
gelte Briefe
)
Sehen ſie, dieſe zwei Briefe,
einer an meine Mutter, der andre an meinen
Onkel, enthalten beide die Bitte zur Ruͤckberufung
ins Vaterland. Da ich darin vorſtelle, daß ich
bei laͤngerm Aufenthalte Schulden machen muͤßte,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0022" n="14"/>
        <sp who="#VATER">
          <speaker><hi rendition="#g">Vater</hi>.</speaker>
          <p>Wahr, aber auch &#x017F;chrecklich, daß es<lb/>
wahr i&#x017F;t! Ich &#x017F;teckte durch Unvor&#x017F;ichtigkeit das<lb/>
Haus in Brand, und fordere nun von den Be-<lb/>
wohnern, die &#x017F;eine Flamme fu&#x0364;hlen, und &#x017F;ich nicht<lb/>
retten ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie die&#x017F;e verzehrende Flamme<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;chen &#x017F;ollen. Weh mir! Weh mir! Ich bin<lb/>
der eigne Stifter meines Unglu&#x0364;cks, mein Loos i&#x017F;t<lb/>
Jammer und Elend! &#x2014; &#x2014; Edler Ju&#x0364;ngling,<lb/>
noch i&#x017F;t Rettung mo&#x0364;glich! Ich be&#x017F;chwo&#x0364;re, ich<lb/>
bitte &#x017F;ie, &#x017F;tehen &#x017F;ie mir bei, und wir &#x017F;iegen ge-<lb/>
wiß.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FRIED">
          <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker>
          <p>Ich will thun, was ich ver-<lb/>
mag, dazu verpflichtet mich Vernunft und Ehre.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;tehen hier auf Werbung, es wird ihnen<lb/>
ein leichtes &#x017F;eyn, ihren Ru&#x0364;ckruf zu bewirken.<lb/>
Zeit und Abwe&#x017F;enheit werden &#x017F;ie u&#x0364;berzeugen, daß<lb/>
ihre Liebe zu meiner Tochter die gro&#x0364;ßte Thorheit<lb/>
war. Sie werden bald eine &#x017F;cho&#x0364;nere und be&#x017F;&#x017F;ere<lb/>
Gattin finden, und jene in ihren Armen ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#FRIED">
          <speaker><hi rendition="#g">Friedrich</hi>.</speaker>
          <p>Ah des wei&#x017F;en Salomo! Wa&#x0364;re<lb/>
Verge&#x017F;&#x017F;enheit mo&#x0364;glich, dann bedu&#x0364;rfte ich ihres<lb/>
Raths nicht, er ward mir &#x017F;chon &#x017F;elb&#x017F;t, und fru&#x0364;-<lb/>
her, ehe &#x017F;ies wohl dachten. <stage>(<hi rendition="#g">er o&#x0364;fnet &#x017F;eine<lb/>
Briefta&#x017F;che, und zeigt ihm zwei ver&#x017F;ie-<lb/>
gelte Briefe</hi>)</stage> Sehen &#x017F;ie, die&#x017F;e zwei Briefe,<lb/>
einer an meine Mutter, der andre an meinen<lb/>
Onkel, enthalten beide die Bitte zur Ru&#x0364;ckberufung<lb/>
ins Vaterland. Da ich darin vor&#x017F;telle, daß ich<lb/>
bei la&#x0364;ngerm Aufenthalte Schulden machen mu&#x0364;ßte,<lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0022] Vater. Wahr, aber auch ſchrecklich, daß es wahr iſt! Ich ſteckte durch Unvorſichtigkeit das Haus in Brand, und fordere nun von den Be- wohnern, die ſeine Flamme fuͤhlen, und ſich nicht retten koͤnnen, daß ſie dieſe verzehrende Flamme loͤſchen ſollen. Weh mir! Weh mir! Ich bin der eigne Stifter meines Ungluͤcks, mein Loos iſt Jammer und Elend! — — Edler Juͤngling, noch iſt Rettung moͤglich! Ich beſchwoͤre, ich bitte ſie, ſtehen ſie mir bei, und wir ſiegen ge- wiß. Friedrich. Ich will thun, was ich ver- mag, dazu verpflichtet mich Vernunft und Ehre. Sie ſtehen hier auf Werbung, es wird ihnen ein leichtes ſeyn, ihren Ruͤckruf zu bewirken. Zeit und Abweſenheit werden ſie uͤberzeugen, daß ihre Liebe zu meiner Tochter die groͤßte Thorheit war. Sie werden bald eine ſchoͤnere und beſſere Gattin finden, und jene in ihren Armen ver- geſſen. Friedrich. Ah des weiſen Salomo! Waͤre Vergeſſenheit moͤglich, dann beduͤrfte ich ihres Raths nicht, er ward mir ſchon ſelbſt, und fruͤ- her, ehe ſies wohl dachten. (er oͤfnet ſeine Brieftaſche, und zeigt ihm zwei verſie- gelte Briefe) Sehen ſie, dieſe zwei Briefe, einer an meine Mutter, der andre an meinen Onkel, enthalten beide die Bitte zur Ruͤckberufung ins Vaterland. Da ich darin vorſtelle, daß ich bei laͤngerm Aufenthalte Schulden machen muͤßte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/22
Zitationshilfe: Spiess, Christian Heinrich: Biographien der Wahnsinnigen. Bd. 2. Leipzig, 1796, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spiess_biographien02_1796/22>, abgerufen am 16.04.2024.