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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Leben viel erfahren, bin eines Bauern Sohn, hab's dann im Militär bis zum Hauptmann gebracht, und bin schließlich, nachdem ich invalid geworden, zum Verwalter auf eines Fürsten Gütern an der schlesischen Grenze avancirt. Der Fürst gab mir ein gut Salär, Nebenverdienst fand ich auch und, was das Beste, ein treffliches Weib, von polnischen Eltern zwar, doch in Mähren geboren. Ich hätte als ein glücklicher Vater von vier lieben Kindern mit dem Kaiser selbst nicht getauscht; da kam das Heimweh plötzlich über mich, und es litt mich nicht mehr im fremden Lande. Leider hat mich der Durst nach der Heimath die Halbschied meiner Kinder gekostet. Er wischte sich einige Thränen aus dem Auge. Die Fassung stellte sich jedoch bald wieder ein, daß er ruhig sagen konnte: Nun, wie Hiob sprach: der Herr hat's gegeben, und so weiter. Wenn ich nur einmal wieder meinen Geburtsort betreten habe, soll Alles gleich besser gehen, und wir haben von hier aus nicht mehr weit; nicht wahr? -- Nicht allzusehr. Seien Sie überzeugt, daß ich Alles thun werde, um Ihnen die Reise zu erleichtern, wenn Sie etwa in Verlegenheit sein sollten. Was bei diesen schlechten Zeiten in meinen geringen Kräften steht... -- Nicht doch, nein, wahrlich nicht, guter Freund, rief der Reisende mit Lächeln, indem er seine Weste aufstreifte und darunter eine wohlgefüllte Geldkatze sehen ließ: da ist schon zu leben; da stecken noch Kremnitzer und ungarische Thaler die Hülle und Fülle. Auch hat

Leben viel erfahren, bin eines Bauern Sohn, hab's dann im Militär bis zum Hauptmann gebracht, und bin schließlich, nachdem ich invalid geworden, zum Verwalter auf eines Fürsten Gütern an der schlesischen Grenze avancirt. Der Fürst gab mir ein gut Salär, Nebenverdienst fand ich auch und, was das Beste, ein treffliches Weib, von polnischen Eltern zwar, doch in Mähren geboren. Ich hätte als ein glücklicher Vater von vier lieben Kindern mit dem Kaiser selbst nicht getauscht; da kam das Heimweh plötzlich über mich, und es litt mich nicht mehr im fremden Lande. Leider hat mich der Durst nach der Heimath die Halbschied meiner Kinder gekostet. Er wischte sich einige Thränen aus dem Auge. Die Fassung stellte sich jedoch bald wieder ein, daß er ruhig sagen konnte: Nun, wie Hiob sprach: der Herr hat's gegeben, und so weiter. Wenn ich nur einmal wieder meinen Geburtsort betreten habe, soll Alles gleich besser gehen, und wir haben von hier aus nicht mehr weit; nicht wahr? — Nicht allzusehr. Seien Sie überzeugt, daß ich Alles thun werde, um Ihnen die Reise zu erleichtern, wenn Sie etwa in Verlegenheit sein sollten. Was bei diesen schlechten Zeiten in meinen geringen Kräften steht... — Nicht doch, nein, wahrlich nicht, guter Freund, rief der Reisende mit Lächeln, indem er seine Weste aufstreifte und darunter eine wohlgefüllte Geldkatze sehen ließ: da ist schon zu leben; da stecken noch Kremnitzer und ungarische Thaler die Hülle und Fülle. Auch hat

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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/10>, abgerufen am 18.04.2024.