Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Mutter braucht mich nothwendig. -- Deine Zukunft ist deßwegen nicht außer Acht zu lassen. -- Wie meint Ihr das? -- Du mußt versorgt werden; es ist hohe Zeit. -- Warum denn? Bin ich nicht bei Euch versorgt? es geht mir ja nichts ab. -- Das wird nicht so bleiben. -- Bin ich nicht genügsam, Vater? O laßt mich friedlich und ruhig leben wie bisher, Euch zu Diensten sein, Euch und der Mutter bis an Euer Ende, wenn's einmal Gott so haben will. -- Hm; wir können noch lange leben, die Mutter und ich. -- Ei, desto besser, das ist ja mein Wunsch. -- Du würdest indessen eine alte Jungfer. -- Was thät's? -- Und wenn deine Eltern einmal gestorben sind... was wolltest du dann beginnen? -- In diesem Hause fortleben, von dem, was Eure Güte mir lassen wird, leben, still und frei. -- Wenn alsdann aber dieses Haus einem Andern gehörte, wir dir nichts hinterließen als den Bettelstab? -- Da bei dieser Rede das Mädchen verwundert in die Höhe schaute und lächelnd in des Vaters Augen studirte, fuhr Hagenbach, wiewohl schweren Herzens, fort: Herzliebes Kind, ich will mich zusammen nehmen, um dir zu gestehen, was du wissen mußt. Wie ich in meiner Wirthschaft gehindert bin, ist dir bekannt; sie geht den Krebsgang, nicht erst seit gestern. Wie gut ich gegen meine habsüchtigen Blutsfreunde gewesen, ist dir auch nicht fremd. Ich habe -- mit einem Wort -- von Anfang her allzuviel auf mein Erworbenes und auf meine Kräfte gebaut. Beide

Mutter braucht mich nothwendig. — Deine Zukunft ist deßwegen nicht außer Acht zu lassen. — Wie meint Ihr das? — Du mußt versorgt werden; es ist hohe Zeit. — Warum denn? Bin ich nicht bei Euch versorgt? es geht mir ja nichts ab. — Das wird nicht so bleiben. — Bin ich nicht genügsam, Vater? O laßt mich friedlich und ruhig leben wie bisher, Euch zu Diensten sein, Euch und der Mutter bis an Euer Ende, wenn's einmal Gott so haben will. — Hm; wir können noch lange leben, die Mutter und ich. — Ei, desto besser, das ist ja mein Wunsch. — Du würdest indessen eine alte Jungfer. — Was thät's? — Und wenn deine Eltern einmal gestorben sind... was wolltest du dann beginnen? — In diesem Hause fortleben, von dem, was Eure Güte mir lassen wird, leben, still und frei. — Wenn alsdann aber dieses Haus einem Andern gehörte, wir dir nichts hinterließen als den Bettelstab? — Da bei dieser Rede das Mädchen verwundert in die Höhe schaute und lächelnd in des Vaters Augen studirte, fuhr Hagenbach, wiewohl schweren Herzens, fort: Herzliebes Kind, ich will mich zusammen nehmen, um dir zu gestehen, was du wissen mußt. Wie ich in meiner Wirthschaft gehindert bin, ist dir bekannt; sie geht den Krebsgang, nicht erst seit gestern. Wie gut ich gegen meine habsüchtigen Blutsfreunde gewesen, ist dir auch nicht fremd. Ich habe — mit einem Wort — von Anfang her allzuviel auf mein Erworbenes und auf meine Kräfte gebaut. Beide

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024"/>
Mutter braucht mich nothwendig. &#x2014; Deine Zukunft ist deßwegen nicht                außer Acht zu lassen. &#x2014; Wie meint Ihr das? &#x2014; Du mußt versorgt werden; es ist hohe                Zeit. &#x2014; Warum denn? Bin ich nicht bei Euch versorgt? es geht mir ja nichts ab. &#x2014; Das                wird nicht so bleiben. &#x2014; Bin ich nicht genügsam, Vater? O laßt mich friedlich und                ruhig leben wie bisher, Euch zu Diensten sein, Euch und der Mutter bis an Euer Ende,                wenn's einmal Gott so haben will. &#x2014; Hm; wir können noch lange leben, die Mutter und                ich. &#x2014; Ei, desto besser, das ist ja mein Wunsch. &#x2014; Du würdest indessen eine alte                Jungfer. &#x2014; Was thät's? &#x2014; Und wenn deine Eltern einmal gestorben sind... was wolltest                du dann beginnen? &#x2014; In diesem Hause fortleben, von dem, was Eure Güte mir lassen                wird, leben, still und frei. &#x2014; Wenn alsdann aber dieses Haus einem Andern gehörte,                wir dir nichts hinterließen als den Bettelstab? &#x2014; Da bei dieser Rede das Mädchen                verwundert in die Höhe schaute und lächelnd in des Vaters Augen studirte, fuhr                Hagenbach, wiewohl schweren Herzens, fort: Herzliebes Kind, ich will mich zusammen                nehmen, um dir zu gestehen, was du wissen mußt. Wie ich in meiner Wirthschaft                gehindert bin, ist dir bekannt; sie geht den Krebsgang, nicht erst seit gestern. Wie                gut ich gegen meine habsüchtigen Blutsfreunde gewesen, ist dir auch nicht fremd. Ich                habe &#x2014; mit einem Wort &#x2014; von Anfang her allzuviel auf mein Erworbenes und auf meine                Kräfte gebaut. Beide<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0024] Mutter braucht mich nothwendig. — Deine Zukunft ist deßwegen nicht außer Acht zu lassen. — Wie meint Ihr das? — Du mußt versorgt werden; es ist hohe Zeit. — Warum denn? Bin ich nicht bei Euch versorgt? es geht mir ja nichts ab. — Das wird nicht so bleiben. — Bin ich nicht genügsam, Vater? O laßt mich friedlich und ruhig leben wie bisher, Euch zu Diensten sein, Euch und der Mutter bis an Euer Ende, wenn's einmal Gott so haben will. — Hm; wir können noch lange leben, die Mutter und ich. — Ei, desto besser, das ist ja mein Wunsch. — Du würdest indessen eine alte Jungfer. — Was thät's? — Und wenn deine Eltern einmal gestorben sind... was wolltest du dann beginnen? — In diesem Hause fortleben, von dem, was Eure Güte mir lassen wird, leben, still und frei. — Wenn alsdann aber dieses Haus einem Andern gehörte, wir dir nichts hinterließen als den Bettelstab? — Da bei dieser Rede das Mädchen verwundert in die Höhe schaute und lächelnd in des Vaters Augen studirte, fuhr Hagenbach, wiewohl schweren Herzens, fort: Herzliebes Kind, ich will mich zusammen nehmen, um dir zu gestehen, was du wissen mußt. Wie ich in meiner Wirthschaft gehindert bin, ist dir bekannt; sie geht den Krebsgang, nicht erst seit gestern. Wie gut ich gegen meine habsüchtigen Blutsfreunde gewesen, ist dir auch nicht fremd. Ich habe — mit einem Wort — von Anfang her allzuviel auf mein Erworbenes und auf meine Kräfte gebaut. Beide

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:06:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/24
Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/24>, abgerufen am 19.04.2024.