Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Hand. Deine Geduld wird mir aber schon, wie's heißt, den Giftzahn ausbeißen. Mein Jähzorn hat mir viele böse Stunden gemacht. Beim Regiment saß ich nur zu oft wegen Händel auf der Wacht. Und wie ich zum Regiment gekommen bin, daran ist wieder meine Rauflust Schuld gewesen. -- Du hast doch nicht Jemand todt geschlagen? -- Behüte; aber ein Auge hat's dem Kameraden immerhin gekostet, und ich hatte Angst vor Strafe und Gefängniß und vor des Vaters Zorn, und bin daher davon und unter die Soldaten gelaufen. -- Der arme Vater! hast du ihn nimmer vor seinem Tode gesehen? -- Georg lachte etwas verschmitzt und entgegnete schmeichlerisch: Lieb Vreneli, verzeih' daß ich dich bis zu dieser Stund' angelogen habe; aber mein Vater lebt noch, ich denke, in der besten Gesundheit. -- Er lebt noch? und warum hast du gelogen? -- Sei nicht böse, Vreneli. Der Alte ist eben zornig, wie ich, nur verraucht der Zorn bei ihm nicht so geschwinde. Er kann seinen Unwillen schier nicht verwinden. Ich hab' ihm vom Regiment ein paarmal geschrieben, aber immer keine Antwort erhalten. Ich schämte mich vor euch, Alles zu erzählen, wie ich davon gelaufen bin. Und dann -- hätten der Ammann und der Rath die Einwilligung zur Heirath vom Vater begehrt, ... er hätte mir sie gewißlich nicht ertheilt, und ich wäre zu Appenzell abgewiesen worden. Darum ließ ich mich als eine Waise gelten, und mit ein paar neuen Thalern hab' ich's bei den Herren durchgedrückt,

Hand. Deine Geduld wird mir aber schon, wie's heißt, den Giftzahn ausbeißen. Mein Jähzorn hat mir viele böse Stunden gemacht. Beim Regiment saß ich nur zu oft wegen Händel auf der Wacht. Und wie ich zum Regiment gekommen bin, daran ist wieder meine Rauflust Schuld gewesen. — Du hast doch nicht Jemand todt geschlagen? — Behüte; aber ein Auge hat's dem Kameraden immerhin gekostet, und ich hatte Angst vor Strafe und Gefängniß und vor des Vaters Zorn, und bin daher davon und unter die Soldaten gelaufen. — Der arme Vater! hast du ihn nimmer vor seinem Tode gesehen? — Georg lachte etwas verschmitzt und entgegnete schmeichlerisch: Lieb Vreneli, verzeih' daß ich dich bis zu dieser Stund' angelogen habe; aber mein Vater lebt noch, ich denke, in der besten Gesundheit. — Er lebt noch? und warum hast du gelogen? — Sei nicht böse, Vreneli. Der Alte ist eben zornig, wie ich, nur verraucht der Zorn bei ihm nicht so geschwinde. Er kann seinen Unwillen schier nicht verwinden. Ich hab' ihm vom Regiment ein paarmal geschrieben, aber immer keine Antwort erhalten. Ich schämte mich vor euch, Alles zu erzählen, wie ich davon gelaufen bin. Und dann — hätten der Ammann und der Rath die Einwilligung zur Heirath vom Vater begehrt, ... er hätte mir sie gewißlich nicht ertheilt, und ich wäre zu Appenzell abgewiesen worden. Darum ließ ich mich als eine Waise gelten, und mit ein paar neuen Thalern hab' ich's bei den Herren durchgedrückt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0051"/>
Hand. Deine Geduld wird mir aber schon, wie's heißt, den Giftzahn                ausbeißen. Mein Jähzorn hat mir viele böse Stunden gemacht. Beim Regiment saß ich nur                zu oft wegen Händel auf der Wacht. Und wie ich zum Regiment gekommen bin, daran ist                wieder meine Rauflust Schuld gewesen. &#x2014; Du hast doch nicht Jemand todt geschlagen? &#x2014;                Behüte; aber ein Auge hat's dem Kameraden immerhin gekostet, und ich hatte Angst vor                Strafe und Gefängniß und vor des Vaters Zorn, und bin daher davon und unter die                Soldaten gelaufen. &#x2014; Der arme Vater! hast du ihn nimmer vor seinem Tode gesehen? &#x2014;                Georg lachte etwas verschmitzt und entgegnete schmeichlerisch: Lieb Vreneli, verzeih'                daß ich dich bis zu dieser Stund' angelogen habe; aber mein Vater lebt noch, ich                denke, in der besten Gesundheit. &#x2014; Er lebt noch? und warum hast du gelogen? &#x2014; Sei                nicht böse, Vreneli. Der Alte ist eben zornig, wie ich, nur verraucht der Zorn bei                ihm nicht so geschwinde. Er kann seinen Unwillen schier nicht verwinden. Ich hab' ihm                vom Regiment ein paarmal geschrieben, aber immer keine Antwort erhalten. Ich schämte                mich vor euch, Alles zu erzählen, wie ich davon gelaufen bin. Und dann &#x2014; hätten der                Ammann und der Rath die Einwilligung zur Heirath vom Vater begehrt, ... er hätte mir                sie gewißlich nicht ertheilt, und ich wäre zu Appenzell abgewiesen worden. Darum ließ                ich mich als eine Waise gelten, und mit ein paar neuen Thalern hab' ich's bei den                Herren durchgedrückt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0051] Hand. Deine Geduld wird mir aber schon, wie's heißt, den Giftzahn ausbeißen. Mein Jähzorn hat mir viele böse Stunden gemacht. Beim Regiment saß ich nur zu oft wegen Händel auf der Wacht. Und wie ich zum Regiment gekommen bin, daran ist wieder meine Rauflust Schuld gewesen. — Du hast doch nicht Jemand todt geschlagen? — Behüte; aber ein Auge hat's dem Kameraden immerhin gekostet, und ich hatte Angst vor Strafe und Gefängniß und vor des Vaters Zorn, und bin daher davon und unter die Soldaten gelaufen. — Der arme Vater! hast du ihn nimmer vor seinem Tode gesehen? — Georg lachte etwas verschmitzt und entgegnete schmeichlerisch: Lieb Vreneli, verzeih' daß ich dich bis zu dieser Stund' angelogen habe; aber mein Vater lebt noch, ich denke, in der besten Gesundheit. — Er lebt noch? und warum hast du gelogen? — Sei nicht böse, Vreneli. Der Alte ist eben zornig, wie ich, nur verraucht der Zorn bei ihm nicht so geschwinde. Er kann seinen Unwillen schier nicht verwinden. Ich hab' ihm vom Regiment ein paarmal geschrieben, aber immer keine Antwort erhalten. Ich schämte mich vor euch, Alles zu erzählen, wie ich davon gelaufen bin. Und dann — hätten der Ammann und der Rath die Einwilligung zur Heirath vom Vater begehrt, ... er hätte mir sie gewißlich nicht ertheilt, und ich wäre zu Appenzell abgewiesen worden. Darum ließ ich mich als eine Waise gelten, und mit ein paar neuen Thalern hab' ich's bei den Herren durchgedrückt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:06:51Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:06:51Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/51
Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/51>, abgerufen am 18.04.2024.