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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sind mehr als Schätze. Gott bessere es, aber wir werden von den Leuten noch erbauliche Dinge erleben! Die Mißgünstigen und Schadenfrohen sprachen aus voller Kehle allenthalben den frommen Wunsch und die böse Prophezeihung nach. -- In der That gab das Leben, wie es sich jetzo bei Hagenbach's gestaltete, zu mancherlei Nachreden Anlaß. Der Vater bezog mit Scholastika ein kleines Gebäude, das, zum Ruhesitz bestimmt, von ihm dicht neben dem größern Hause errichtet worden war. Die jungen Leute walteten und schalteten in dem letztern ganz allein. Die Thätigkeit in den Magazinen und Geschäftskammern ging ihren alten Schritt, aber in den Wohngemächern wurde eine fast klösterliche Ordnung eingeführt. Das Ehepaar sah blutwenig Leute bei sich, bewohnte weit getrennte Stuben und behandelte sich gegenseitig freundschaftlich, aber ohne eine Spur von inniger Vertraulichkeit. Georg kam und ging, ohne daß Verena sonderlich darauf geachtet hätte. Er reis'te ab, und ihr Auge blieb trocken. Er kam nach mehreren Monaten zurück, und ein einfacher Handschlag der Gattin bewillkommte ihn. Es fiel zwischen ihnen nicht ein unschönes Wort, aber sogar das lauerhafteste Gesinde war nicht vermögend, sie in einem vertraulich-behaglichen Beieinandersitzen zu überraschen. Sie gingen selten zusammen aus; wenn sie's thaten, herrschte eine zwar ungezwungene, aber kühle Freundlichkeit unter ihnen vor. Kein Scherz, wie er auf die Lippen eines jungen Ehemanns kommt,

sind mehr als Schätze. Gott bessere es, aber wir werden von den Leuten noch erbauliche Dinge erleben! Die Mißgünstigen und Schadenfrohen sprachen aus voller Kehle allenthalben den frommen Wunsch und die böse Prophezeihung nach. — In der That gab das Leben, wie es sich jetzo bei Hagenbach's gestaltete, zu mancherlei Nachreden Anlaß. Der Vater bezog mit Scholastika ein kleines Gebäude, das, zum Ruhesitz bestimmt, von ihm dicht neben dem größern Hause errichtet worden war. Die jungen Leute walteten und schalteten in dem letztern ganz allein. Die Thätigkeit in den Magazinen und Geschäftskammern ging ihren alten Schritt, aber in den Wohngemächern wurde eine fast klösterliche Ordnung eingeführt. Das Ehepaar sah blutwenig Leute bei sich, bewohnte weit getrennte Stuben und behandelte sich gegenseitig freundschaftlich, aber ohne eine Spur von inniger Vertraulichkeit. Georg kam und ging, ohne daß Verena sonderlich darauf geachtet hätte. Er reis'te ab, und ihr Auge blieb trocken. Er kam nach mehreren Monaten zurück, und ein einfacher Handschlag der Gattin bewillkommte ihn. Es fiel zwischen ihnen nicht ein unschönes Wort, aber sogar das lauerhafteste Gesinde war nicht vermögend, sie in einem vertraulich-behaglichen Beieinandersitzen zu überraschen. Sie gingen selten zusammen aus; wenn sie's thaten, herrschte eine zwar ungezwungene, aber kühle Freundlichkeit unter ihnen vor. Kein Scherz, wie er auf die Lippen eines jungen Ehemanns kommt,

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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/55>, abgerufen am 24.04.2024.