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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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stellen. -- Der Landweibel, dessen Sohn die Bräuerstochter geheirathet, aber dadurch in eine verschuldete Wirthschaft gerathen war, hatte sich schon öfters vor den dicken Kopf geschlagen und gesagt: Wie dumm war ich, den Hagenbach's den Stuhl vor die Thür zu setzen! Um wie viel besser stände jetzt mein Bläsi; und Niemand ist an der Aufhetzerei schuld gewesen, als die Base Trümpy; und sie soll mir nicht mehr über die Schwelle kommen! -- Die Base lachte dazu; war doch ihr Herz voll Freude, daß der Bläsi, der sie verschmäht hatte, in schlimme Schuhe gekommen war! -- Auch zu Landenberger's, wie sie sich ausdrückte, mißrathenem Ehestand lachte sie; doch konnte sie den schmucken ehemaligen Knecht nicht völlig aus ihrer Seele reißen und widmete seinen häuslichen Angelegenheiten eine Aufmerksamkeit, die ihr bald selber nicht Ruhe ließ. -- Oft, am späten Abend, wenn alle Lichter in den Häusern ringsum ausgelöscht waren und in Landenberger's Wohngemach allein noch die Kerze brannte, schlich die neugierige, selbstquälerische Schlange an des Undankbaren Haus und horchte an demselben Schiebfenster, in welches der kleine Briefträger am Hochzeittage seine Depesche gereicht hatte. Bis daher war die Lauschende nur Ohrenzeuge von den gleichgültigsten Gesprächen der Eheleute gewesen; sobald Georg mit einem ruhigen: Gute Nacht, Vreneli! seine Lampe genommen, um ins obere Stockwerk seinem Lager zuzuwandern, sobald Verena mit einem gähnen-

stellen. — Der Landweibel, dessen Sohn die Bräuerstochter geheirathet, aber dadurch in eine verschuldete Wirthschaft gerathen war, hatte sich schon öfters vor den dicken Kopf geschlagen und gesagt: Wie dumm war ich, den Hagenbach's den Stuhl vor die Thür zu setzen! Um wie viel besser stände jetzt mein Bläsi; und Niemand ist an der Aufhetzerei schuld gewesen, als die Base Trümpy; und sie soll mir nicht mehr über die Schwelle kommen! — Die Base lachte dazu; war doch ihr Herz voll Freude, daß der Bläsi, der sie verschmäht hatte, in schlimme Schuhe gekommen war! — Auch zu Landenberger's, wie sie sich ausdrückte, mißrathenem Ehestand lachte sie; doch konnte sie den schmucken ehemaligen Knecht nicht völlig aus ihrer Seele reißen und widmete seinen häuslichen Angelegenheiten eine Aufmerksamkeit, die ihr bald selber nicht Ruhe ließ. — Oft, am späten Abend, wenn alle Lichter in den Häusern ringsum ausgelöscht waren und in Landenberger's Wohngemach allein noch die Kerze brannte, schlich die neugierige, selbstquälerische Schlange an des Undankbaren Haus und horchte an demselben Schiebfenster, in welches der kleine Briefträger am Hochzeittage seine Depesche gereicht hatte. Bis daher war die Lauschende nur Ohrenzeuge von den gleichgültigsten Gesprächen der Eheleute gewesen; sobald Georg mit einem ruhigen: Gute Nacht, Vreneli! seine Lampe genommen, um ins obere Stockwerk seinem Lager zuzuwandern, sobald Verena mit einem gähnen-

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[0057] stellen. — Der Landweibel, dessen Sohn die Bräuerstochter geheirathet, aber dadurch in eine verschuldete Wirthschaft gerathen war, hatte sich schon öfters vor den dicken Kopf geschlagen und gesagt: Wie dumm war ich, den Hagenbach's den Stuhl vor die Thür zu setzen! Um wie viel besser stände jetzt mein Bläsi; und Niemand ist an der Aufhetzerei schuld gewesen, als die Base Trümpy; und sie soll mir nicht mehr über die Schwelle kommen! — Die Base lachte dazu; war doch ihr Herz voll Freude, daß der Bläsi, der sie verschmäht hatte, in schlimme Schuhe gekommen war! — Auch zu Landenberger's, wie sie sich ausdrückte, mißrathenem Ehestand lachte sie; doch konnte sie den schmucken ehemaligen Knecht nicht völlig aus ihrer Seele reißen und widmete seinen häuslichen Angelegenheiten eine Aufmerksamkeit, die ihr bald selber nicht Ruhe ließ. — Oft, am späten Abend, wenn alle Lichter in den Häusern ringsum ausgelöscht waren und in Landenberger's Wohngemach allein noch die Kerze brannte, schlich die neugierige, selbstquälerische Schlange an des Undankbaren Haus und horchte an demselben Schiebfenster, in welches der kleine Briefträger am Hochzeittage seine Depesche gereicht hatte. Bis daher war die Lauschende nur Ohrenzeuge von den gleichgültigsten Gesprächen der Eheleute gewesen; sobald Georg mit einem ruhigen: Gute Nacht, Vreneli! seine Lampe genommen, um ins obere Stockwerk seinem Lager zuzuwandern, sobald Verena mit einem gähnen-

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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/57>, abgerufen am 28.03.2024.