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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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selber würde kommen, sobald der Herr Pfarrer sich entfernt haben würde. -- Die Amme, den Auftrag auszurichten, ließ das Kind auf dem Schooße der Mutter und ging hinaus. Der Pfarrer seinerseits, wohl einsehend, wie Landenberger's Bescheid zu verstehen, beschloß, ehrlich und gerade mit der Sprache herauszugehen. -- Dies Euer Kind, liebe Frau? fragte er. Verena bejahte. -- Euer Kind, wahrhaftig und wahr? -- Verena erröthete. Der Herr fragt so dringend und sonderbar, Georg. Sage ihm doch ... -- Ich will redlich sein, fiel ihr der Pfarrer ins Wort. Dieses und Jenes -- er erzählte den Bericht der Angeberin -- hat mir Jemand als die reinste Wahrheit hinterbracht. Ich bin es mir und euch selbst schuldig, euch auf euer Gewissen zu befragen. Wenn Ihr, Frau Landenberger, durch Euern Edelmuth Euch habt überreden lassen, Eures Mannes Schwachheit im Dunkel zu begraben und sein Kind das Eurige zu nennen, so habt Ihr etwas gethan, das zwar an sich eher zu loben als zu schelten ist, das aber nichts desto weniger in seinen Folgen verderblich werden kann. Der frömmste Betrug ist immer nur Betrug. Wenn er ans Licht kommt -- und er wird's -- wie könnt ihr euch beide vor dem weltlichen Richter verantworten? Wenn eure Ehe dereinst mit Kindern gesegnet würde . . . was wolltet ihr mit dem Eingedrungenen beginnen? Oder sollte er mitzehren am Erbe der rechtmäßigen Sprößlinge, und könntet ihr zugeben . . .?

selber würde kommen, sobald der Herr Pfarrer sich entfernt haben würde. — Die Amme, den Auftrag auszurichten, ließ das Kind auf dem Schooße der Mutter und ging hinaus. Der Pfarrer seinerseits, wohl einsehend, wie Landenberger's Bescheid zu verstehen, beschloß, ehrlich und gerade mit der Sprache herauszugehen. — Dies Euer Kind, liebe Frau? fragte er. Verena bejahte. — Euer Kind, wahrhaftig und wahr? — Verena erröthete. Der Herr fragt so dringend und sonderbar, Georg. Sage ihm doch ... — Ich will redlich sein, fiel ihr der Pfarrer ins Wort. Dieses und Jenes — er erzählte den Bericht der Angeberin — hat mir Jemand als die reinste Wahrheit hinterbracht. Ich bin es mir und euch selbst schuldig, euch auf euer Gewissen zu befragen. Wenn Ihr, Frau Landenberger, durch Euern Edelmuth Euch habt überreden lassen, Eures Mannes Schwachheit im Dunkel zu begraben und sein Kind das Eurige zu nennen, so habt Ihr etwas gethan, das zwar an sich eher zu loben als zu schelten ist, das aber nichts desto weniger in seinen Folgen verderblich werden kann. Der frömmste Betrug ist immer nur Betrug. Wenn er ans Licht kommt — und er wird's — wie könnt ihr euch beide vor dem weltlichen Richter verantworten? Wenn eure Ehe dereinst mit Kindern gesegnet würde . . . was wolltet ihr mit dem Eingedrungenen beginnen? Oder sollte er mitzehren am Erbe der rechtmäßigen Sprößlinge, und könntet ihr zugeben . . .?

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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/63>, abgerufen am 24.04.2024.