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Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Band getrennt und einem Jeden von euch die Freiheit wiedergegeben werde.

So geschah es auch. Der Pfarrer hielt Wort, die Kirche that ihre Pflicht. Im Bernerland, im Hause Landenberger's, ließen sich die Verkannten nieder, und Hagenbach vermißte seine Heimath nicht mehr. Er lernte noch das seligste Glück kennen, das ihm blühte, in Landenberger's, des Erretters, Freundschaft, in den Armen seiner Kinder und seiner Scholastika, deren inneres Auge sich wunderbar bei der Auffindung ihres Sohnes wieder aufthat und offen blieb, wenn auch ihr äußeres Auge beständig von den Schleiern der Nacht verschlossen gehalten wurde. -- Doch entschädigt ja das innere warme Leben für die äußere bunte Welt. Nur seufzte die Genesene manchmal: Wie manches Unheil hätt' uns der Wirth am Arlberge erspart, wenn er uns gestanden hätte, daß ihm die kleine Leiche entwendet worden; wenn er nicht aus Angst und falschem Mitleid geschwiegen hätte! Aber sein Schweigen und Landenberger's und Georg's Schweigen hat Alles böse gemacht. Doch ist Georg ja nicht mehr vorhanden, und meinen Johann hab' ich so lieb, daß ich ihm von Herzen Alles vergebe! -- Hierauf küßten und drückten Sohn und Tochter die so mild gewordene Mutter und pflegten sie nebst dem Vater als ein Paar von Kleinodien, und schworen sich's zu, niemals sich zu verehelichen und zuerst den Eltern, dann dem Kinde Johannes ihr ganzes Leben zu weihen. -- Sie haben Wort gehalten.

Band getrennt und einem Jeden von euch die Freiheit wiedergegeben werde.

So geschah es auch. Der Pfarrer hielt Wort, die Kirche that ihre Pflicht. Im Bernerland, im Hause Landenberger's, ließen sich die Verkannten nieder, und Hagenbach vermißte seine Heimath nicht mehr. Er lernte noch das seligste Glück kennen, das ihm blühte, in Landenberger's, des Erretters, Freundschaft, in den Armen seiner Kinder und seiner Scholastika, deren inneres Auge sich wunderbar bei der Auffindung ihres Sohnes wieder aufthat und offen blieb, wenn auch ihr äußeres Auge beständig von den Schleiern der Nacht verschlossen gehalten wurde. — Doch entschädigt ja das innere warme Leben für die äußere bunte Welt. Nur seufzte die Genesene manchmal: Wie manches Unheil hätt' uns der Wirth am Arlberge erspart, wenn er uns gestanden hätte, daß ihm die kleine Leiche entwendet worden; wenn er nicht aus Angst und falschem Mitleid geschwiegen hätte! Aber sein Schweigen und Landenberger's und Georg's Schweigen hat Alles böse gemacht. Doch ist Georg ja nicht mehr vorhanden, und meinen Johann hab' ich so lieb, daß ich ihm von Herzen Alles vergebe! — Hierauf küßten und drückten Sohn und Tochter die so mild gewordene Mutter und pflegten sie nebst dem Vater als ein Paar von Kleinodien, und schworen sich's zu, niemals sich zu verehelichen und zuerst den Eltern, dann dem Kinde Johannes ihr ganzes Leben zu weihen. — Sie haben Wort gehalten.

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Zitationshilfe: Spindler, Karl: Die Engel-Ehe. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 8. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–66. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spindler_engel_1910/69>, abgerufen am 19.04.2024.