Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

habe, aber wenn dies der Fall ist, dann habe ich mich entschieden zu meinem Nachtheile gebessert. O, die Zeit bringt traurige Veränderungen hervor, du würdest mich nicht wieder erkennen, so vernünftig bin ich geworden. Nur einmal schien mein Glück, das schon so lange auf Reisen ist, wieder zurückkehren zu wollen, ich glaubte die Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, aber ich behielt nur ihren Chignon in der Hand, während sie mir davon lief.

Ich hatte mich nämlich am vorigen Sonntag entschlossen, endlich einen lang gehegten Wunsch meiner Tante zu erfüllen und die Dorfkirche zu besuchen, um mich dort in der Andacht zu üben. Die Kirche war voll von Bauern und Bäuerinnen aus dem Dorfe und aus den Gehöften und Weilern der Umgebung. Auf sämmtlichen Gesichtern lag eine sonderbare Mischung von Sonnenbrand, Inbrunst und Durst. Da sah ich plötzlich aus der wirren Masse von rothen Ohren, schwarzen Filzhüten, fettglänzenden blonden und braunen Zöpfen, silbernen Jackenknöpfen, nackten Knieen, grellen

habe, aber wenn dies der Fall ist, dann habe ich mich entschieden zu meinem Nachtheile gebessert. O, die Zeit bringt traurige Veränderungen hervor, du würdest mich nicht wieder erkennen, so vernünftig bin ich geworden. Nur einmal schien mein Glück, das schon so lange auf Reisen ist, wieder zurückkehren zu wollen, ich glaubte die Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, aber ich behielt nur ihren Chignon in der Hand, während sie mir davon lief.

Ich hatte mich nämlich am vorigen Sonntag entschlossen, endlich einen lang gehegten Wunsch meiner Tante zu erfüllen und die Dorfkirche zu besuchen, um mich dort in der Andacht zu üben. Die Kirche war voll von Bauern und Bäuerinnen aus dem Dorfe und aus den Gehöften und Weilern der Umgebung. Auf sämmtlichen Gesichtern lag eine sonderbare Mischung von Sonnenbrand, Inbrunst und Durst. Da sah ich plötzlich aus der wirren Masse von rothen Ohren, schwarzen Filzhüten, fettglänzenden blonden und braunen Zöpfen, silbernen Jackenknöpfen, nackten Knieen, grellen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011" n="9"/>
habe, aber wenn dies der Fall ist, dann habe ich mich entschieden zu meinem Nachtheile gebessert. O, die Zeit bringt traurige Veränderungen hervor, du würdest mich nicht wieder erkennen, so vernünftig bin ich geworden. Nur einmal schien mein Glück, das schon so lange auf Reisen ist, wieder zurückkehren zu wollen, ich glaubte die Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, aber ich behielt nur ihren Chignon in der Hand, während sie mir davon lief.</p>
        <p>Ich hatte mich nämlich am vorigen Sonntag entschlossen, endlich einen lang gehegten Wunsch meiner Tante zu erfüllen und die Dorfkirche zu besuchen, um mich dort in der Andacht zu üben. Die Kirche war voll von Bauern und Bäuerinnen aus dem Dorfe und aus den Gehöften und Weilern der Umgebung. Auf sämmtlichen Gesichtern lag eine sonderbare Mischung von Sonnenbrand, Inbrunst und Durst. Da sah ich plötzlich aus der wirren Masse von rothen Ohren, schwarzen Filzhüten, fettglänzenden blonden und braunen Zöpfen, silbernen Jackenknöpfen, nackten Knieen, grellen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0011] habe, aber wenn dies der Fall ist, dann habe ich mich entschieden zu meinem Nachtheile gebessert. O, die Zeit bringt traurige Veränderungen hervor, du würdest mich nicht wieder erkennen, so vernünftig bin ich geworden. Nur einmal schien mein Glück, das schon so lange auf Reisen ist, wieder zurückkehren zu wollen, ich glaubte die Gelegenheit beim Schopfe zu fassen, aber ich behielt nur ihren Chignon in der Hand, während sie mir davon lief. Ich hatte mich nämlich am vorigen Sonntag entschlossen, endlich einen lang gehegten Wunsch meiner Tante zu erfüllen und die Dorfkirche zu besuchen, um mich dort in der Andacht zu üben. Die Kirche war voll von Bauern und Bäuerinnen aus dem Dorfe und aus den Gehöften und Weilern der Umgebung. Auf sämmtlichen Gesichtern lag eine sonderbare Mischung von Sonnenbrand, Inbrunst und Durst. Da sah ich plötzlich aus der wirren Masse von rothen Ohren, schwarzen Filzhüten, fettglänzenden blonden und braunen Zöpfen, silbernen Jackenknöpfen, nackten Knieen, grellen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/11
Zitationshilfe: Spitzer, Daniel: Das Herrenrecht. Eine Novelle in Briefen. Wien, 1877, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spitzer_herrenrecht_1877/11>, abgerufen am 19.04.2024.