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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Leucoium.
Leucoium.

Leucoium vernum. Märzblume. Tab. X. 42.
46. 47.

42. Die Blume in natürlicher Stellung und Grösse.

47. Dieselbe nach einem anhaltenden Regen. Damit man
die innere Seite der Krone und die Geschlechtstheile sehen könne,
so ist vorne ein Theil der Krone weggeschnitten worden. Man
sieht, daß zwar der obere, keinesweges aber der untere Theil der
äußeren Seite der Krone, noch viel weniger die innere Seite der-
selben und die Geschlechtstheile mit Regentropfen benetzt sind.

46. Die Blume im Durchschnitt.

1. 2. Ich habe einige Jahre lang von der Saftdrüse eine
irrige Vorstellung gehabt. Ich hielt nemlich den sehr fleischichten
Boden, welcher in Fig. 46. punktirt ist, für die Saftdrüse, so-
wohl wegen seiner Dicke, als auch, weil ich in einigen Blumen
in dem Winkel, welchen derselbe mit der Krone macht, einen klei-
nen Tropfen fand. Nur wunderte mich, daß ich denselben nicht
in allen Blumen antraf. Endlich entdeckte ich die eigentliche
Saftdrüse. Diese ist nemlich der Griffel selbst, welcher an der
Stelle von b bis c Fig. 46. den Saft absondert und enthält. An
dieser Stelle habe ich bey allen Blumen, die sehr alten ausgenom-
men, Saft gefunden. So ungewöhnlich nun diese Bestimmung
des Griffels ist, eben so ungewöhnlich und bloß hieraus erklärbar
ist sowohl seine Gestalt, da er so dick ist, als auch das Saftmaal,
mit welchem er geziert ist.

3. Daß der Saft gegen den Regen völlig gesichert ist, zeiget
Fig. 47. Diese Absicht wird durch folgende Anstalten erreicht.
1) Die Blume hängt herab. 2) Die Kronenblätter sitzen nicht
neben einander, sondern es wechseln drey äußere mit drey inneren
ab, und die ersteren bedecken zum Theil die letzteren. 3) Die
Krone hat mehr eine kugelförmige, als glockenförmige Gestalt,
indem ihre Oeffnung kleiner ist, als ihr mit der Oeffnung gleich-
laufender mittelster Durchschnitt. Ein jedes Blatt ist nemlich sehr
konkav, und dieses daher, weil es sowohl an der Basis, als an
der Spitze sehr fleischicht ist, und die fleischichte Spitze an beiden
Rändern einige Falten hat. 4) Der Griffel ist weit kürzer als
die Krone.

4. Die Blume hat ein doppeltes Saftmaal, ein äußeres und
ein inneres. Jenes sind die grünlichgelben Flecken, mit welchen
die weißen Kronenblätter nicht weit von der Spitze geziert sind,
Fig. 42. 47. Dieses ist der gleichfarbige Fleck, mit welchem das
Ende des dickern Theils des weißen Griffels geziert ist, Fig. 46.
47. So wie die Bienen durch das äußere Saftmaal gelockt wer-
den, in die Blume hineinzukriechen, so führt sie das innere zu
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Leucoium. Narcissus.
dem nahe über demselben befindlichen Saft. Auch hat die Blume
einen zwar schwachen, doch angenehmen Geruch, welcher dem
Geruch der Werftblüthen (Salix caprea) ähnlich ist.

5. Die Blume wird von den Bienen aus eben der Ursache,
als die vorhergehende, häufig besucht, da sie beynahe eben so früh
blühet, als jene. Sie kriechen in dieselbe ganz hinein, und hal-
ten sich lange in derselben auf, und verursachen, daß die Blume
in eine zitternde Bewegung geräth, welches artig anzusehen ist.

Daß sowohl diese, als die vorhergehende Blume von den
Bienen nicht umsonst besucht und benutzet, sondern zugleich be-
fruchtet werde, ist höchst wahrscheinlich. Denn da die Antheren
von der Krone umgeben sind, so kann der Wind dieselben nicht
unmittelbar berühren, folglich ihren Staub nicht anders heraus-
werfen, als durch die Erschütterung der Blume. Aber auch in
diesem Fall kann der Staub höchst schwerlich, wenn nicht gar un-
möglich, auf das Stigma fallen. Denn das Stigma ist die Ober-
fläche der Spitze des Griffels, folglich sehr klein, und überdies
dem herabfallenden Staube nicht zugekehrt, sondern von demsel-
ben abgewendet. Wenn die Befruchtung auf diese Art geschehen
sollte, so müßte das Stigma sich in einige ansehnliche Theile thei-
len, und diese müßten sich oberwärts herumkrümmen. Indem
aber die Bienen entweder den Saft verzehren, oder den Staub
sammlen (das letztere habe ich in dem Leucoium deutlich be-
merkt): so berühren und erschüttern sie die Antheren, und verur-
sachen dadurch, daß der Staub derselben aus den Oeffnungen
herausfällt. Ein Theil desselben haftet an ihrem haarichten Kör-
per. Mit dem bestäubten Körper berühren sie das Stigma, be-
stäuben dasselbe, und befruchten auf solche Art die Blumen.

Daß die Befruchtung beider Blumen selten von Statten
geht, lehrt die Erfahrung, indem man selten eine mit guten Sa-
menkörnern angefüllte Samenkapsel findet. Hievon läßt sich kein
Grund angeben, solange man bey der mechanischen Befruchtungs-
art stehen bleibt; es läßt sich aber leicht erklären, wenn man an-
nimmt, daß die Blumen von den Bienen befruchtet werden.
Denn während ihrer Blühezeit ist es mehrentheils noch so kalt,
daß die Bienen noch nicht ausfliegen können. Im nächstvergan-
genen Jahr *) blühete Galanthus schon am 14. Februar, und
Leucoium 8 oder 14 Tage später, und die Witterung wurde erst
in den letzten Tagen ihrer Blühezeit so gelinde, daß die Bienen
ausfliegen konnten.

Narcissus.

1. Die Saftdrüse ist der Fruchtknoten selbst.

2. Der Safthalter ist die Kronenröhre.

*) Hierdurch verstehe ich jedesmal das Jahr 1791.
M 2
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Leucoium.
Leucoium.

Leucoium vernum. Maͤrzblume. Tab. X. 42.
46. 47.

42. Die Blume in natuͤrlicher Stellung und Groͤſſe.

47. Dieſelbe nach einem anhaltenden Regen. Damit man
die innere Seite der Krone und die Geſchlechtstheile ſehen koͤnne,
ſo iſt vorne ein Theil der Krone weggeſchnitten worden. Man
ſieht, daß zwar der obere, keinesweges aber der untere Theil der
aͤußeren Seite der Krone, noch viel weniger die innere Seite der-
ſelben und die Geſchlechtstheile mit Regentropfen benetzt ſind.

46. Die Blume im Durchſchnitt.

1. 2. Ich habe einige Jahre lang von der Saftdruͤſe eine
irrige Vorſtellung gehabt. Ich hielt nemlich den ſehr fleiſchichten
Boden, welcher in Fig. 46. punktirt iſt, fuͤr die Saftdruͤſe, ſo-
wohl wegen ſeiner Dicke, als auch, weil ich in einigen Blumen
in dem Winkel, welchen derſelbe mit der Krone macht, einen klei-
nen Tropfen fand. Nur wunderte mich, daß ich denſelben nicht
in allen Blumen antraf. Endlich entdeckte ich die eigentliche
Saftdruͤſe. Dieſe iſt nemlich der Griffel ſelbſt, welcher an der
Stelle von b bis c Fig. 46. den Saft abſondert und enthaͤlt. An
dieſer Stelle habe ich bey allen Blumen, die ſehr alten ausgenom-
men, Saft gefunden. So ungewoͤhnlich nun dieſe Beſtimmung
des Griffels iſt, eben ſo ungewoͤhnlich und bloß hieraus erklaͤrbar
iſt ſowohl ſeine Geſtalt, da er ſo dick iſt, als auch das Saftmaal,
mit welchem er geziert iſt.

3. Daß der Saft gegen den Regen voͤllig geſichert iſt, zeiget
Fig. 47. Dieſe Abſicht wird durch folgende Anſtalten erreicht.
1) Die Blume haͤngt herab. 2) Die Kronenblaͤtter ſitzen nicht
neben einander, ſondern es wechſeln drey aͤußere mit drey inneren
ab, und die erſteren bedecken zum Theil die letzteren. 3) Die
Krone hat mehr eine kugelfoͤrmige, als glockenfoͤrmige Geſtalt,
indem ihre Oeffnung kleiner iſt, als ihr mit der Oeffnung gleich-
laufender mittelſter Durchſchnitt. Ein jedes Blatt iſt nemlich ſehr
konkav, und dieſes daher, weil es ſowohl an der Baſis, als an
der Spitze ſehr fleiſchicht iſt, und die fleiſchichte Spitze an beiden
Raͤndern einige Falten hat. 4) Der Griffel iſt weit kuͤrzer als
die Krone.

4. Die Blume hat ein doppeltes Saftmaal, ein aͤußeres und
ein inneres. Jenes ſind die gruͤnlichgelben Flecken, mit welchen
die weißen Kronenblaͤtter nicht weit von der Spitze geziert ſind,
Fig. 42. 47. Dieſes iſt der gleichfarbige Fleck, mit welchem das
Ende des dickern Theils des weißen Griffels geziert iſt, Fig. 46.
47. So wie die Bienen durch das aͤußere Saftmaal gelockt wer-
den, in die Blume hineinzukriechen, ſo fuͤhrt ſie das innere zu
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Leucoium. Narciſſus.
dem nahe uͤber demſelben befindlichen Saft. Auch hat die Blume
einen zwar ſchwachen, doch angenehmen Geruch, welcher dem
Geruch der Werftbluͤthen (Salix caprea) aͤhnlich iſt.

5. Die Blume wird von den Bienen aus eben der Urſache,
als die vorhergehende, haͤufig beſucht, da ſie beynahe eben ſo fruͤh
bluͤhet, als jene. Sie kriechen in dieſelbe ganz hinein, und hal-
ten ſich lange in derſelben auf, und verurſachen, daß die Blume
in eine zitternde Bewegung geraͤth, welches artig anzuſehen iſt.

Daß ſowohl dieſe, als die vorhergehende Blume von den
Bienen nicht umſonſt beſucht und benutzet, ſondern zugleich be-
fruchtet werde, iſt hoͤchſt wahrſcheinlich. Denn da die Antheren
von der Krone umgeben ſind, ſo kann der Wind dieſelben nicht
unmittelbar beruͤhren, folglich ihren Staub nicht anders heraus-
werfen, als durch die Erſchuͤtterung der Blume. Aber auch in
dieſem Fall kann der Staub hoͤchſt ſchwerlich, wenn nicht gar un-
moͤglich, auf das Stigma fallen. Denn das Stigma iſt die Ober-
flaͤche der Spitze des Griffels, folglich ſehr klein, und uͤberdies
dem herabfallenden Staube nicht zugekehrt, ſondern von demſel-
ben abgewendet. Wenn die Befruchtung auf dieſe Art geſchehen
ſollte, ſo muͤßte das Stigma ſich in einige anſehnliche Theile thei-
len, und dieſe muͤßten ſich oberwaͤrts herumkruͤmmen. Indem
aber die Bienen entweder den Saft verzehren, oder den Staub
ſammlen (das letztere habe ich in dem Leucoium deutlich be-
merkt): ſo beruͤhren und erſchuͤttern ſie die Antheren, und verur-
ſachen dadurch, daß der Staub derſelben aus den Oeffnungen
herausfaͤllt. Ein Theil deſſelben haftet an ihrem haarichten Koͤr-
per. Mit dem beſtaͤubten Koͤrper beruͤhren ſie das Stigma, be-
ſtaͤuben daſſelbe, und befruchten auf ſolche Art die Blumen.

Daß die Befruchtung beider Blumen ſelten von Statten
geht, lehrt die Erfahrung, indem man ſelten eine mit guten Sa-
menkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſel findet. Hievon laͤßt ſich kein
Grund angeben, ſolange man bey der mechaniſchen Befruchtungs-
art ſtehen bleibt; es laͤßt ſich aber leicht erklaͤren, wenn man an-
nimmt, daß die Blumen von den Bienen befruchtet werden.
Denn waͤhrend ihrer Bluͤhezeit iſt es mehrentheils noch ſo kalt,
daß die Bienen noch nicht ausfliegen koͤnnen. Im naͤchſtvergan-
genen Jahr *) bluͤhete Galanthus ſchon am 14. Februar, und
Leucoium 8 oder 14 Tage ſpaͤter, und die Witterung wurde erſt
in den letzten Tagen ihrer Bluͤhezeit ſo gelinde, daß die Bienen
ausfliegen konnten.

Narciſſus.

1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.

2. Der Safthalter iſt die Kronenroͤhre.

*) Hierdurch verſtehe ich jedesmal das Jahr 1791.
M 2
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Endlich entdeckte ich die eigentliche Saftdruͤſe. Dieſe iſt nemlich der Griffel ſelbſt, welcher an der Stelle von b bis c Fig. 46. den Saft abſondert und enthaͤlt. An dieſer Stelle habe ich bey allen Blumen, die ſehr alten ausgenom- men, Saft gefunden. So ungewoͤhnlich nun dieſe Beſtimmung des Griffels iſt, eben ſo ungewoͤhnlich und bloß hieraus erklaͤrbar iſt ſowohl ſeine Geſtalt, da er ſo dick iſt, als auch das Saftmaal, mit welchem er geziert iſt. 3. Daß der Saft gegen den Regen voͤllig geſichert iſt, zeiget Fig. 47. Dieſe Abſicht wird durch folgende Anſtalten erreicht. 1) Die Blume haͤngt herab. 2) Die Kronenblaͤtter ſitzen nicht neben einander, ſondern es wechſeln drey aͤußere mit drey inneren ab, und die erſteren bedecken zum Theil die letzteren. 3) Die Krone hat mehr eine kugelfoͤrmige, als glockenfoͤrmige Geſtalt, indem ihre Oeffnung kleiner iſt, als ihr mit der Oeffnung gleich- laufender mittelſter Durchſchnitt. Ein jedes Blatt iſt nemlich ſehr konkav, und dieſes daher, weil es ſowohl an der Baſis, als an der Spitze ſehr fleiſchicht iſt, und die fleiſchichte Spitze an beiden Raͤndern einige Falten hat. 4) Der Griffel iſt weit kuͤrzer als die Krone. 4. Die Blume hat ein doppeltes Saftmaal, ein aͤußeres und ein inneres. Jenes ſind die gruͤnlichgelben Flecken, mit welchen die weißen Kronenblaͤtter nicht weit von der Spitze geziert ſind, Fig. 42. 47. Dieſes iſt der gleichfarbige Fleck, mit welchem das Ende des dickern Theils des weißen Griffels geziert iſt, Fig. 46. 47. So wie die Bienen durch das aͤußere Saftmaal gelockt wer- den, in die Blume hineinzukriechen, ſo fuͤhrt ſie das innere zu dem nahe uͤber demſelben befindlichen Saft. Auch hat die Blume einen zwar ſchwachen, doch angenehmen Geruch, welcher dem Geruch der Werftbluͤthen (Salix caprea) aͤhnlich iſt. 5. Die Blume wird von den Bienen aus eben der Urſache, als die vorhergehende, haͤufig beſucht, da ſie beynahe eben ſo fruͤh bluͤhet, als jene. Sie kriechen in dieſelbe ganz hinein, und hal- ten ſich lange in derſelben auf, und verurſachen, daß die Blume in eine zitternde Bewegung geraͤth, welches artig anzuſehen iſt. Daß ſowohl dieſe, als die vorhergehende Blume von den Bienen nicht umſonſt beſucht und benutzet, ſondern zugleich be- fruchtet werde, iſt hoͤchſt wahrſcheinlich. Denn da die Antheren von der Krone umgeben ſind, ſo kann der Wind dieſelben nicht unmittelbar beruͤhren, folglich ihren Staub nicht anders heraus- werfen, als durch die Erſchuͤtterung der Blume. Aber auch in dieſem Fall kann der Staub hoͤchſt ſchwerlich, wenn nicht gar un- moͤglich, auf das Stigma fallen. Denn das Stigma iſt die Ober- flaͤche der Spitze des Griffels, folglich ſehr klein, und uͤberdies dem herabfallenden Staube nicht zugekehrt, ſondern von demſel- ben abgewendet. Wenn die Befruchtung auf dieſe Art geſchehen ſollte, ſo muͤßte das Stigma ſich in einige anſehnliche Theile thei- len, und dieſe muͤßten ſich oberwaͤrts herumkruͤmmen. Indem aber die Bienen entweder den Saft verzehren, oder den Staub ſammlen (das letztere habe ich in dem Leucoium deutlich be- merkt): ſo beruͤhren und erſchuͤttern ſie die Antheren, und verur- ſachen dadurch, daß der Staub derſelben aus den Oeffnungen herausfaͤllt. Ein Theil deſſelben haftet an ihrem haarichten Koͤr- per. Mit dem beſtaͤubten Koͤrper beruͤhren ſie das Stigma, be- ſtaͤuben daſſelbe, und befruchten auf ſolche Art die Blumen. Daß die Befruchtung beider Blumen ſelten von Statten geht, lehrt die Erfahrung, indem man ſelten eine mit guten Sa- menkoͤrnern angefuͤllte Samenkapſel findet. Hievon laͤßt ſich kein Grund angeben, ſolange man bey der mechaniſchen Befruchtungs- art ſtehen bleibt; es laͤßt ſich aber leicht erklaͤren, wenn man an- nimmt, daß die Blumen von den Bienen befruchtet werden. Denn waͤhrend ihrer Bluͤhezeit iſt es mehrentheils noch ſo kalt, daß die Bienen noch nicht ausfliegen koͤnnen. Im naͤchſtvergan- genen Jahr *) bluͤhete Galanthus ſchon am 14. Februar, und Leucoium 8 oder 14 Tage ſpaͤter, und die Witterung wurde erſt in den letzten Tagen ihrer Bluͤhezeit ſo gelinde, daß die Bienen ausfliegen konnten. Narciſſus. 1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt. 2. Der Safthalter iſt die Kronenroͤhre. *) Hierdurch verſtehe ich jedesmal das Jahr 1791. M 2

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/103>, abgerufen am 16.04.2024.