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Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793.

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Anthericum.

12. Dieselbe in derjenigen Stellung und Gestalt, welche sie
nach einem starken Regen hat, von der Seite, und

8. von vorne gesehen. Auf dem Fruchtknoten sieht man die
drey Safttröpfchen.

1. 2. Die Saftdrüse ist der Fruchtknoten selbst, oder eigent-
lich nur drey Stellen am oberen Theil desselben, welche so viel
Safttröpfchen absondern und tragen. Durch die Farbe unter-
scheiden sich diese Stellen keinesweges. Auf welche Art ich mich
davon überzeugt habe, daß diese Tröpfchen nicht etwa Regen-
tropfen, sondern Saft sind, habe ich schon in der Einleitung
gesagt.

3. Beym ersten Anblick sollte man glauben, daß diese Saft-
tröpfchen keinesweges gegen den Regen gesichert seyen, da sie
ganz frey an der Luft liegen, und die Blume nicht herabhängt,
sondern ein wenig aufrecht steht. Dieser meiner Theorie nicht
günstigen Meinung bin ich selbst anfangs eine Zeitlang gewesen,
bis mich die Erfahrung vom Gegentheil überzeugte. Als mich
nemlich einstmals auf dem Felde ein ziemlich starker Regen über-
fiel, indem ich nicht weit von einer Gegend war, wo die Pflanze
häufig steht, und damals blühte: so fiel mir jene Meinung ein,
und ich war begierig zu sehen, was für Veränderungen der Re-
gen in den Blumen hervorgebracht haben würde. Als derselbe
also aufgehört hatte, so begab ich mich nach jener Gegend hin.
Hier fand ich nun, daß zwar einige Blumen, welche sehr kurze
Stiele und eine meist völlig aufrechte Stellung hatten, voll Re-
genwassers waren, welches also ihre Safttröpfchen verdorben
hatte, daß aber in den übrigen, ob sie gleich mit Regentropfen
benetzt waren, dennoch kein Regentropfen sich mit einem Saft-
tröpfchen vermischt hatte. Manche von denselben hatten vor dem
Regen diejenige Stellung gehabt, welche die in Fig. 11. vorge-
stellte Blume hat, manche aber eine horizontale. Jetzt aber hat-
ten sie eine solche Stellung, als Fig. 12. anzeigt; manche waren
der Erde noch mehr zugekehrt. Die Regentropfen hatten nemlich
durch ihre Schwere die Blumen herabgebogen. Ich fand also
zwar auf der äußeren Seite der Krone Regentropfen genug, keine
aber, oder sehr wenige auf der inneren. Ferner hatten diejeni-
gen Regentropfen, welche auf die Filamente gefallen waren, die-
selben insgesamt, oder die mehresten von denselben mit einander
und mit dem Griffel in Zusammenhang gebracht, und gleichsam
zusammengeklebt. Weil nun die Filamente unterwärts (nach der
damaligen Stellung der Blumen) dicker sind, als oberwärts, so
wurden auch die Regentropfen von diesem dickeren Theil stärker
angezogen. Deswegen und wegen ihrer eigenen Schwere blieben
sie also hier sitzen, und konnten sich nicht dem Grunde der Blume
nähern, so daß also die Safttröpfchen auch gegen diese Regen-
[Spaltenumbruch]

Anthericum. Conuallaria.
tropfen völlig gesichert waren. Man sieht also, daß diese Blu-
men einen solchen Bau und eine solche Stellung haben, daß die
auf dieselben gefallnen Regentropfen, theils vermöge ihrer eigenen
Schwere, theils vermöge der Anziehungskraft, welche sie gegen
einander selbst und gegen die Filamente äußern, in den meisten
Fällen es sich selbst unmöglich machen, zu den Safttröpfchen zu
gelangen, und dieselben zu verderben. Wehet nun, wann es zu
regnen aufgehört hat, wie gewöhnlich, ein Wind, so schüttelt
derselbe die Blumen. Die Regentropfen fallen also nach und nach
ab, die Filamente begeben sich wieder von einander, die Blumen
richten sich wieder auf, und es kömmt alles wieder in den Zu-
stand, in welchem es vor dem Regen war. Anstatt also, daß
diese Blume, wie ich anfangs selbst geglaubt hatte, ein Beweis
wider die Richtigkeit meiner Theorie seyn sollte, ist sie vielmehr
ein, und zwar schöner, Beweis für dieselbe.

Anthericum frutescens. Ob ich gleich in den weni-
gen Blumen, welche ich zu untersuchen Gelegenheit gehabt habe,
keinen Saft angetroffen habe: so folgt doch sowohl aus ihrer Ver-
wandtschaft mit der vorhergehenden Art, als auch aus ihrer
Struktur, daß sie eine Saftblume ist. Denn die Filamente sind
haaricht, dienen also zur Saftdecke. Die ganze Blume ist gelb;
die Kronenblätter aber haben in der Mitte einen grünen Streif.

Conuallaria.

Conuallaria Polygonatum. Weißwurz. Tab.
XII.
5--7.

5. Die vergrösserte Blume in natürlicher Stellung.

6. Dieselbe, nachdem die vorderste Hälfte der Krone nebst
den an dieselbe angewachsenen Staubgefäßen abgeschnitten
worden.

7. Dieselbe, von unten gesehen.

1. Die Saftdrüse ist der Fruchtknoten selbst.

2. Zwischen demselben und dem Grunde der Kronenröhre
ist der Saft enthalten. Derselbe wird vom Fruchtknoten und
vom Grunde der Kronenröhre zu stark angezogen, als daß er
sollte herabfließen können.

3. Der Saft kann vom Regen nicht verdorben werden.
Denn 1) hängt die Blume herab, und hat die Gestalt einer
Röhre, 2) kann auch ein Regentropfen, welcher in die Oeffnung
derselben gekommen ist, nicht tiefer hineindringen, sowohl wegen
seiner eigenen Schwere, als auch, weil die Staubgefäße sich an
den Griffel biegen, und also die Eine Oeffnung in sechs kleinere
zertheilen.

4. Die Blume hat ein Saftmaal; denn die weiße Krone ist
an der Oeffnung grün.

N 2
[Spaltenumbruch]
Anthericum.

12. Dieſelbe in derjenigen Stellung und Geſtalt, welche ſie
nach einem ſtarken Regen hat, von der Seite, und

8. von vorne geſehen. Auf dem Fruchtknoten ſieht man die
drey Safttroͤpfchen.

1. 2. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt, oder eigent-
lich nur drey Stellen am oberen Theil deſſelben, welche ſo viel
Safttroͤpfchen abſondern und tragen. Durch die Farbe unter-
ſcheiden ſich dieſe Stellen keinesweges. Auf welche Art ich mich
davon uͤberzeugt habe, daß dieſe Troͤpfchen nicht etwa Regen-
tropfen, ſondern Saft ſind, habe ich ſchon in der Einleitung
geſagt.

3. Beym erſten Anblick ſollte man glauben, daß dieſe Saft-
troͤpfchen keinesweges gegen den Regen geſichert ſeyen, da ſie
ganz frey an der Luft liegen, und die Blume nicht herabhaͤngt,
ſondern ein wenig aufrecht ſteht. Dieſer meiner Theorie nicht
guͤnſtigen Meinung bin ich ſelbſt anfangs eine Zeitlang geweſen,
bis mich die Erfahrung vom Gegentheil uͤberzeugte. Als mich
nemlich einſtmals auf dem Felde ein ziemlich ſtarker Regen uͤber-
fiel, indem ich nicht weit von einer Gegend war, wo die Pflanze
haͤufig ſteht, und damals bluͤhte: ſo fiel mir jene Meinung ein,
und ich war begierig zu ſehen, was fuͤr Veraͤnderungen der Re-
gen in den Blumen hervorgebracht haben wuͤrde. Als derſelbe
alſo aufgehoͤrt hatte, ſo begab ich mich nach jener Gegend hin.
Hier fand ich nun, daß zwar einige Blumen, welche ſehr kurze
Stiele und eine meiſt voͤllig aufrechte Stellung hatten, voll Re-
genwaſſers waren, welches alſo ihre Safttroͤpfchen verdorben
hatte, daß aber in den uͤbrigen, ob ſie gleich mit Regentropfen
benetzt waren, dennoch kein Regentropfen ſich mit einem Saft-
troͤpfchen vermiſcht hatte. Manche von denſelben hatten vor dem
Regen diejenige Stellung gehabt, welche die in Fig. 11. vorge-
ſtellte Blume hat, manche aber eine horizontale. Jetzt aber hat-
ten ſie eine ſolche Stellung, als Fig. 12. anzeigt; manche waren
der Erde noch mehr zugekehrt. Die Regentropfen hatten nemlich
durch ihre Schwere die Blumen herabgebogen. Ich fand alſo
zwar auf der aͤußeren Seite der Krone Regentropfen genug, keine
aber, oder ſehr wenige auf der inneren. Ferner hatten diejeni-
gen Regentropfen, welche auf die Filamente gefallen waren, die-
ſelben insgeſamt, oder die mehreſten von denſelben mit einander
und mit dem Griffel in Zuſammenhang gebracht, und gleichſam
zuſammengeklebt. Weil nun die Filamente unterwaͤrts (nach der
damaligen Stellung der Blumen) dicker ſind, als oberwaͤrts, ſo
wurden auch die Regentropfen von dieſem dickeren Theil ſtaͤrker
angezogen. Deswegen und wegen ihrer eigenen Schwere blieben
ſie alſo hier ſitzen, und konnten ſich nicht dem Grunde der Blume
naͤhern, ſo daß alſo die Safttroͤpfchen auch gegen dieſe Regen-
[Spaltenumbruch]

Anthericum. Conuallaria.
tropfen voͤllig geſichert waren. Man ſieht alſo, daß dieſe Blu-
men einen ſolchen Bau und eine ſolche Stellung haben, daß die
auf dieſelben gefallnen Regentropfen, theils vermoͤge ihrer eigenen
Schwere, theils vermoͤge der Anziehungskraft, welche ſie gegen
einander ſelbſt und gegen die Filamente aͤußern, in den meiſten
Faͤllen es ſich ſelbſt unmoͤglich machen, zu den Safttroͤpfchen zu
gelangen, und dieſelben zu verderben. Wehet nun, wann es zu
regnen aufgehoͤrt hat, wie gewoͤhnlich, ein Wind, ſo ſchuͤttelt
derſelbe die Blumen. Die Regentropfen fallen alſo nach und nach
ab, die Filamente begeben ſich wieder von einander, die Blumen
richten ſich wieder auf, und es koͤmmt alles wieder in den Zu-
ſtand, in welchem es vor dem Regen war. Anſtatt alſo, daß
dieſe Blume, wie ich anfangs ſelbſt geglaubt hatte, ein Beweis
wider die Richtigkeit meiner Theorie ſeyn ſollte, iſt ſie vielmehr
ein, und zwar ſchoͤner, Beweis fuͤr dieſelbe.

Anthericum fruteſcens. Ob ich gleich in den weni-
gen Blumen, welche ich zu unterſuchen Gelegenheit gehabt habe,
keinen Saft angetroffen habe: ſo folgt doch ſowohl aus ihrer Ver-
wandtſchaft mit der vorhergehenden Art, als auch aus ihrer
Struktur, daß ſie eine Saftblume iſt. Denn die Filamente ſind
haaricht, dienen alſo zur Saftdecke. Die ganze Blume iſt gelb;
die Kronenblaͤtter aber haben in der Mitte einen gruͤnen Streif.

Conuallaria.

Conuallaria Polygonatum. Weißwurz. Tab.
XII.
5—7.

5. Die vergroͤſſerte Blume in natuͤrlicher Stellung.

6. Dieſelbe, nachdem die vorderſte Haͤlfte der Krone nebſt
den an dieſelbe angewachſenen Staubgefaͤßen abgeſchnitten
worden.

7. Dieſelbe, von unten geſehen.

1. Die Saftdruͤſe iſt der Fruchtknoten ſelbſt.

2. Zwiſchen demſelben und dem Grunde der Kronenroͤhre
iſt der Saft enthalten. Derſelbe wird vom Fruchtknoten und
vom Grunde der Kronenroͤhre zu ſtark angezogen, als daß er
ſollte herabfließen koͤnnen.

3. Der Saft kann vom Regen nicht verdorben werden.
Denn 1) haͤngt die Blume herab, und hat die Geſtalt einer
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derſelben gekommen iſt, nicht tiefer hineindringen, ſowohl wegen
ſeiner eigenen Schwere, als auch, weil die Staubgefaͤße ſich an
den Griffel biegen, und alſo die Eine Oeffnung in ſechs kleinere
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4. Die Blume hat ein Saftmaal; denn die weiße Krone iſt
an der Oeffnung gruͤn.

N 2
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Denn 1) haͤngt die Blume herab, und hat die Geſtalt einer Roͤhre, 2) kann auch ein Regentropfen, welcher in die Oeffnung derſelben gekommen iſt, nicht tiefer hineindringen, ſowohl wegen ſeiner eigenen Schwere, als auch, weil die Staubgefaͤße ſich an den Griffel biegen, und alſo die Eine Oeffnung in ſechs kleinere zertheilen. 4. Die Blume hat ein Saftmaal; denn die weiße Krone iſt an der Oeffnung gruͤn. N 2

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

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Zitationshilfe: Sprengel, Christian Konrad: Das entdeckte Geheimniss der Natur im Bau und in der Befruchtung der Blumen. Berlin, 1793, S. [111]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sprengel_blumen_1793/111>, abgerufen am 25.04.2024.