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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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auf den Austritt und Eintritt über die Gränze des Reiches, wäh-
rend für alle, welche innerhalb der Gränzen leben, die völlige Frei-
heit der örtlichen Bewegung
, jedoch unter einer gewissen polizeilichen
Aufsicht, festgestellt wird. Dieß Princip des neuen Paß-Edicts hat
Merker (die Nothwendigkeit des Paßwesens zur Erhaltung der öffent-
lichen Sicherheit, Erlangen 1818), dann sofort theoretisch zu Buch gebracht,
ohne von dem Unterschied des Paß- und Fremdenwesens eine Ahnung
zu haben (s. unten). Das Princip für die Eingangspässe ist, daß
niemand ohne einen ordnungsmäßigen Paß in den Staat eingelassen
werden soll; für die Ausgangspässe gleichfalls, daß der Ausgang
selbst für Fremde ohne solchen Paß nicht gestattet ist. Doch soll bei
gehöriger Legitimation der letztere nicht verweigert werden. Die General-
Paßinstruktion vom 12. Juli
hat die Visirung der Pässe genauer
geordnet. Es ist kein Zweifel, daß dieses Paßrecht eben so gut wie
das von 1813 sich bereits überlebt hat, und daß bei den gegenwärtigen
Verkehrsverhältnissen faktisch schon das freie Paßrecht in Preußen gilt.
Ueber die neuesten Versuche seit 1862 eine freiere Gesetzgebung einzu-
führen, sowie über die einzelnen Vorschriften siehe Rönne am oben a. O.
und preußisches Staatsrecht II. 333. -- Ein ganz analoges Paß-
wesen hat in Bayern die Verordnung das Paßwesen betreffend
vom 17. Januar 1837 und die Instruktion vom 20. Januar eod.
eingeführt; gleichfalls unter ausdrücklicher Anerkennung des freien Ver-
kehrs im Inlande. Darstellung bei Pözl, Bayerisches Verwaltungs-
recht, § 80. 81. Ebenso in Württemberg, General-Verordnung
vom 11. September 1807. Mohl, Württembergisches Verwaltungsrecht
§. 185.

Dasselbe System, dem preußischen wie es scheint streng nachgebildet,
gilt in Sachsen. Regulativ über die Verwaltung der Paßpolizei
im Königreich Sachsen vom 27. Januar 1818; Inländer "werden oft
in den Fall kommen" einen Paß im Inlande zu brauchen, doch "be-
dürfen" sie dessen nicht (?). Erste Vereinbarung mit den Nachbarstaaten
vom 20. November 1841. Funke, Polizeigesetze des Königreichs Sachsen.
II. Bd. Abschnitt III. S. 66 ff.

Oesterreich endlich ordnete sein Verkehrsrecht erst durch die neue
Verordnung vom 9. Februar 1857; die Verordnung enthält die
definitive (schon lange praktisch nicht mehr übliche) Abschaffung der Pässe
für das Inland, und die Forderung eines ordnungsmäßigen Passes für
die Ueberschreitung der Gränze. Die früheren sogenannten "Urlaubs-
bewilligungen" sind schon seit 1857 außer Kraft. Stubenrauch, Ver-
waltungsgesetz I. 177. Die volle Freiheit des Paßwesens und Aufhebung
der Vidirung durch Verordnung vom 9. November 1865.

auf den Austritt und Eintritt über die Gränze des Reiches, wäh-
rend für alle, welche innerhalb der Gränzen leben, die völlige Frei-
heit der örtlichen Bewegung
, jedoch unter einer gewiſſen polizeilichen
Aufſicht, feſtgeſtellt wird. Dieß Princip des neuen Paß-Edicts hat
Merker (die Nothwendigkeit des Paßweſens zur Erhaltung der öffent-
lichen Sicherheit, Erlangen 1818), dann ſofort theoretiſch zu Buch gebracht,
ohne von dem Unterſchied des Paß- und Fremdenweſens eine Ahnung
zu haben (ſ. unten). Das Princip für die Eingangspäſſe iſt, daß
niemand ohne einen ordnungsmäßigen Paß in den Staat eingelaſſen
werden ſoll; für die Ausgangspäſſe gleichfalls, daß der Ausgang
ſelbſt für Fremde ohne ſolchen Paß nicht geſtattet iſt. Doch ſoll bei
gehöriger Legitimation der letztere nicht verweigert werden. Die General-
Paßinſtruktion vom 12. Juli
hat die Viſirung der Päſſe genauer
geordnet. Es iſt kein Zweifel, daß dieſes Paßrecht eben ſo gut wie
das von 1813 ſich bereits überlebt hat, und daß bei den gegenwärtigen
Verkehrsverhältniſſen faktiſch ſchon das freie Paßrecht in Preußen gilt.
Ueber die neueſten Verſuche ſeit 1862 eine freiere Geſetzgebung einzu-
führen, ſowie über die einzelnen Vorſchriften ſiehe Rönne am oben a. O.
und preußiſches Staatsrecht II. 333. — Ein ganz analoges Paß-
weſen hat in Bayern die Verordnung das Paßweſen betreffend
vom 17. Januar 1837 und die Inſtruktion vom 20. Januar eod.
eingeführt; gleichfalls unter ausdrücklicher Anerkennung des freien Ver-
kehrs im Inlande. Darſtellung bei Pözl, Bayeriſches Verwaltungs-
recht, § 80. 81. Ebenſo in Württemberg, General-Verordnung
vom 11. September 1807. Mohl, Württembergiſches Verwaltungsrecht
§. 185.

Daſſelbe Syſtem, dem preußiſchen wie es ſcheint ſtreng nachgebildet,
gilt in Sachſen. Regulativ über die Verwaltung der Paßpolizei
im Königreich Sachſen vom 27. Januar 1818; Inländer „werden oft
in den Fall kommen“ einen Paß im Inlande zu brauchen, doch „be-
dürfen“ ſie deſſen nicht (?). Erſte Vereinbarung mit den Nachbarſtaaten
vom 20. November 1841. Funke, Polizeigeſetze des Königreichs Sachſen.
II. Bd. Abſchnitt III. S. 66 ff.

Oeſterreich endlich ordnete ſein Verkehrsrecht erſt durch die neue
Verordnung vom 9. Februar 1857; die Verordnung enthält die
definitive (ſchon lange praktiſch nicht mehr übliche) Abſchaffung der Päſſe
für das Inland, und die Forderung eines ordnungsmäßigen Paſſes für
die Ueberſchreitung der Gränze. Die früheren ſogenannten „Urlaubs-
bewilligungen“ ſind ſchon ſeit 1857 außer Kraft. Stubenrauch, Ver-
waltungsgeſetz I. 177. Die volle Freiheit des Paßweſens und Aufhebung
der Vidirung durch Verordnung vom 9. November 1865.

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[263/0285] auf den Austritt und Eintritt über die Gränze des Reiches, wäh- rend für alle, welche innerhalb der Gränzen leben, die völlige Frei- heit der örtlichen Bewegung, jedoch unter einer gewiſſen polizeilichen Aufſicht, feſtgeſtellt wird. Dieß Princip des neuen Paß-Edicts hat Merker (die Nothwendigkeit des Paßweſens zur Erhaltung der öffent- lichen Sicherheit, Erlangen 1818), dann ſofort theoretiſch zu Buch gebracht, ohne von dem Unterſchied des Paß- und Fremdenweſens eine Ahnung zu haben (ſ. unten). Das Princip für die Eingangspäſſe iſt, daß niemand ohne einen ordnungsmäßigen Paß in den Staat eingelaſſen werden ſoll; für die Ausgangspäſſe gleichfalls, daß der Ausgang ſelbſt für Fremde ohne ſolchen Paß nicht geſtattet iſt. Doch ſoll bei gehöriger Legitimation der letztere nicht verweigert werden. Die General- Paßinſtruktion vom 12. Juli hat die Viſirung der Päſſe genauer geordnet. Es iſt kein Zweifel, daß dieſes Paßrecht eben ſo gut wie das von 1813 ſich bereits überlebt hat, und daß bei den gegenwärtigen Verkehrsverhältniſſen faktiſch ſchon das freie Paßrecht in Preußen gilt. Ueber die neueſten Verſuche ſeit 1862 eine freiere Geſetzgebung einzu- führen, ſowie über die einzelnen Vorſchriften ſiehe Rönne am oben a. O. und preußiſches Staatsrecht II. 333. — Ein ganz analoges Paß- weſen hat in Bayern die Verordnung das Paßweſen betreffend vom 17. Januar 1837 und die Inſtruktion vom 20. Januar eod. eingeführt; gleichfalls unter ausdrücklicher Anerkennung des freien Ver- kehrs im Inlande. Darſtellung bei Pözl, Bayeriſches Verwaltungs- recht, § 80. 81. Ebenſo in Württemberg, General-Verordnung vom 11. September 1807. Mohl, Württembergiſches Verwaltungsrecht §. 185. Daſſelbe Syſtem, dem preußiſchen wie es ſcheint ſtreng nachgebildet, gilt in Sachſen. Regulativ über die Verwaltung der Paßpolizei im Königreich Sachſen vom 27. Januar 1818; Inländer „werden oft in den Fall kommen“ einen Paß im Inlande zu brauchen, doch „be- dürfen“ ſie deſſen nicht (?). Erſte Vereinbarung mit den Nachbarſtaaten vom 20. November 1841. Funke, Polizeigeſetze des Königreichs Sachſen. II. Bd. Abſchnitt III. S. 66 ff. Oeſterreich endlich ordnete ſein Verkehrsrecht erſt durch die neue Verordnung vom 9. Februar 1857; die Verordnung enthält die definitive (ſchon lange praktiſch nicht mehr übliche) Abſchaffung der Päſſe für das Inland, und die Forderung eines ordnungsmäßigen Paſſes für die Ueberſchreitung der Gränze. Die früheren ſogenannten „Urlaubs- bewilligungen“ ſind ſchon ſeit 1857 außer Kraft. Stubenrauch, Ver- waltungsgeſetz I. 177. Die volle Freiheit des Paßweſens und Aufhebung der Vidirung durch Verordnung vom 9. November 1865.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/285>, abgerufen am 19.04.2024.