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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Es ist daher auch unmöglich, eine die ganze Verwaltung unfassende
Wissenschaft auf Grundlage der Polizei aufzustellen. Es ist nicht
möglich, bei der Polizeiwissenschaft als Form der Verwal-
tung stehen zu bleiben
.

Dagegen gibt es eine Reihe von Gebieten des Lebens, in denen
die Verwaltung eben gar nichts anderes zu thun hat, als einen Schutz
herzustellen, und in denen sich auch äußerlich diese Aufgabe von der
fördernden und positiven Verwaltung sehr wohl scheiden läßt. In allen
diesen Gebieten und Fällen nun tritt eine selbständige polizeiliche
Thätigkeit auf, und damit wird denn eine selbständige Darstel-
lung ihrer Aufgabe und ihres Verfahrens möglich
. So
z. B. bei der Sicherheitspolizei, bei der Gesundheitspolizei, bei der Ge-
werbepolizei, bei der Feuer- und Wasserpolizei u. s. w. Allenthalben
wo dieß der Fall ist, wird nicht bloß eine selbständige Behandlung
dieser polizeilichen Thätigkeit thunlich und nützlich, sondern sogar die
Bezeichnung als "Polizei," das ist also als die Gesammtheit der
zum Schutze der allgemeinen Interessen zu ergreifenden
Maßregeln der Verwaltung
, eine eben so richtige als zweckmäßige
sein. Man kann das, wenn man durchaus will, auch "Polizeiwissen-
schaft" nennen. Nur wird es dabei klar sein, daß es keine durchgrei-
fende, einheitliche Darstellung der Verwaltungslehre als "Polizeiwissen-
schaft" mehr geben kann, sondern daß das, was wir Polizeilehre oder
Wissenschaft zu nennen haben, künftig nur in den selbständigen ein-
zelnen
Polizeigebieten und der wissenschaftlichen Darstellung der Auf-
gabe und des Verfahrens für den Schutz der Gemeinschaft innerhalb
dieser speciellen Polizeigebiete bestehen wird. Die Polizei ist daher
weder als Thätigkeit der Verwaltung noch als Gegenstand der Wissen-
schaft ausgeschlossen. Nur ist sie künftig eben, was sie sein soll, ein
immanenter, und von den großen Principien der Verwaltung und des
Verwaltungsrechts beherrschter, sich dem Ganzen der Verwaltungslehre
nach ihrer besondern Aufgabe und Stellung einreihender Theil der-
selben.

Vielleicht daß uns damit gelungen ist, die Grundlagen des richtigen
Verhältnisses der Polizei zur Verwaltung festzustellen. Es ist das aber
um so wichtiger, als wir dieser Voraussetzung für das folgende Gebiet,
das Verwaltungsrecht, wesentlich bedürfen.


Es iſt daher auch unmöglich, eine die ganze Verwaltung unfaſſende
Wiſſenſchaft auf Grundlage der Polizei aufzuſtellen. Es iſt nicht
möglich, bei der Polizeiwiſſenſchaft als Form der Verwal-
tung ſtehen zu bleiben
.

Dagegen gibt es eine Reihe von Gebieten des Lebens, in denen
die Verwaltung eben gar nichts anderes zu thun hat, als einen Schutz
herzuſtellen, und in denen ſich auch äußerlich dieſe Aufgabe von der
fördernden und poſitiven Verwaltung ſehr wohl ſcheiden läßt. In allen
dieſen Gebieten und Fällen nun tritt eine ſelbſtändige polizeiliche
Thätigkeit auf, und damit wird denn eine ſelbſtändige Darſtel-
lung ihrer Aufgabe und ihres Verfahrens möglich
. So
z. B. bei der Sicherheitspolizei, bei der Geſundheitspolizei, bei der Ge-
werbepolizei, bei der Feuer- und Waſſerpolizei u. ſ. w. Allenthalben
wo dieß der Fall iſt, wird nicht bloß eine ſelbſtändige Behandlung
dieſer polizeilichen Thätigkeit thunlich und nützlich, ſondern ſogar die
Bezeichnung als „Polizei,“ das iſt alſo als die Geſammtheit der
zum Schutze der allgemeinen Intereſſen zu ergreifenden
Maßregeln der Verwaltung
, eine eben ſo richtige als zweckmäßige
ſein. Man kann das, wenn man durchaus will, auch „Polizeiwiſſen-
ſchaft“ nennen. Nur wird es dabei klar ſein, daß es keine durchgrei-
fende, einheitliche Darſtellung der Verwaltungslehre als „Polizeiwiſſen-
ſchaft“ mehr geben kann, ſondern daß das, was wir Polizeilehre oder
Wiſſenſchaft zu nennen haben, künftig nur in den ſelbſtändigen ein-
zelnen
Polizeigebieten und der wiſſenſchaftlichen Darſtellung der Auf-
gabe und des Verfahrens für den Schutz der Gemeinſchaft innerhalb
dieſer ſpeciellen Polizeigebiete beſtehen wird. Die Polizei iſt daher
weder als Thätigkeit der Verwaltung noch als Gegenſtand der Wiſſen-
ſchaft ausgeſchloſſen. Nur iſt ſie künftig eben, was ſie ſein ſoll, ein
immanenter, und von den großen Principien der Verwaltung und des
Verwaltungsrechts beherrſchter, ſich dem Ganzen der Verwaltungslehre
nach ihrer beſondern Aufgabe und Stellung einreihender Theil der-
ſelben.

Vielleicht daß uns damit gelungen iſt, die Grundlagen des richtigen
Verhältniſſes der Polizei zur Verwaltung feſtzuſtellen. Es iſt das aber
um ſo wichtiger, als wir dieſer Vorausſetzung für das folgende Gebiet,
das Verwaltungsrecht, weſentlich bedürfen.


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[73/0095] Es iſt daher auch unmöglich, eine die ganze Verwaltung unfaſſende Wiſſenſchaft auf Grundlage der Polizei aufzuſtellen. Es iſt nicht möglich, bei der Polizeiwiſſenſchaft als Form der Verwal- tung ſtehen zu bleiben. Dagegen gibt es eine Reihe von Gebieten des Lebens, in denen die Verwaltung eben gar nichts anderes zu thun hat, als einen Schutz herzuſtellen, und in denen ſich auch äußerlich dieſe Aufgabe von der fördernden und poſitiven Verwaltung ſehr wohl ſcheiden läßt. In allen dieſen Gebieten und Fällen nun tritt eine ſelbſtändige polizeiliche Thätigkeit auf, und damit wird denn eine ſelbſtändige Darſtel- lung ihrer Aufgabe und ihres Verfahrens möglich. So z. B. bei der Sicherheitspolizei, bei der Geſundheitspolizei, bei der Ge- werbepolizei, bei der Feuer- und Waſſerpolizei u. ſ. w. Allenthalben wo dieß der Fall iſt, wird nicht bloß eine ſelbſtändige Behandlung dieſer polizeilichen Thätigkeit thunlich und nützlich, ſondern ſogar die Bezeichnung als „Polizei,“ das iſt alſo als die Geſammtheit der zum Schutze der allgemeinen Intereſſen zu ergreifenden Maßregeln der Verwaltung, eine eben ſo richtige als zweckmäßige ſein. Man kann das, wenn man durchaus will, auch „Polizeiwiſſen- ſchaft“ nennen. Nur wird es dabei klar ſein, daß es keine durchgrei- fende, einheitliche Darſtellung der Verwaltungslehre als „Polizeiwiſſen- ſchaft“ mehr geben kann, ſondern daß das, was wir Polizeilehre oder Wiſſenſchaft zu nennen haben, künftig nur in den ſelbſtändigen ein- zelnen Polizeigebieten und der wiſſenſchaftlichen Darſtellung der Auf- gabe und des Verfahrens für den Schutz der Gemeinſchaft innerhalb dieſer ſpeciellen Polizeigebiete beſtehen wird. Die Polizei iſt daher weder als Thätigkeit der Verwaltung noch als Gegenſtand der Wiſſen- ſchaft ausgeſchloſſen. Nur iſt ſie künftig eben, was ſie ſein ſoll, ein immanenter, und von den großen Principien der Verwaltung und des Verwaltungsrechts beherrſchter, ſich dem Ganzen der Verwaltungslehre nach ihrer beſondern Aufgabe und Stellung einreihender Theil der- ſelben. Vielleicht daß uns damit gelungen iſt, die Grundlagen des richtigen Verhältniſſes der Polizei zur Verwaltung feſtzuſtellen. Es iſt das aber um ſo wichtiger, als wir dieſer Vorausſetzung für das folgende Gebiet, das Verwaltungsrecht, weſentlich bedürfen.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/95>, abgerufen am 19.04.2024.