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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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VI. KAPITEL.

I. Gemeinsamer Aufbruch und Besuch
der drei Bakairidörfer.

Independencia während meiner Abwesenheit. Vorbereitungen zur Abreise. Nach dem ersten Bakairi-
dorf. Photographieren. Puppe überreicht. Nach dem zweiten Bakairidorf. Flussfahrt. Gastfreund-
schaft. Vermummung zum Holen der Speisen. Nachttanz. Fries im Häuptlingshaus. Nach dem
dritten Bakairidorf. Begrüssungsreden. Sammlung. Der erste Nahuqua. Körpermessung und Perlen.

Am 19. September 1887 kamen Ehrenreich und Vogel an. Wir fuhren
gemeinsam zu dem zweiten Dorf der Bakairi, wo wir noch ein Kanu erwarben
und kehrten zum ersten Dorf zurück. Jene brachen dann am 24. September
zur Independencia auf, und ich folgte ihnen am 25., überholte sie noch, da Carlos
fieberkrank war, und am 26. waren wir alle wieder in der Independencia ver-
einigt. Tumayaua und Luchu hatten mich begleitet und konnten jetzt das "Wau-
wau" am Original studieren. Unsern Besuch der zweiten Bakairi möchte ich hier
noch nicht schildern, sondern bei dem Bericht über den späteren gemeinsamen
anfügen, damit die Kreuz- und Querwege den Ueberblick nicht erschweren.

Ich war also vom 8.--26. September von der Independencia abwesend
gewesen. Es lässt sich denken, mit welchem Gefühl der Erlösung Wilhelm und
Perrot unsere Kanus begrüssten.

Die Maultiere hatten ihnen und dem alten Januario viele Sorgen gemacht.
Tag um Tag fehlte bald dieses, bald jenes. Januario hatte ein Tier einmal von
dem zweitnächsten Lagerplatz der Herreise zurückholen müssen und war so immer
unterwegs gewesen. Inzwischen war auf der Queimada frisches junges Gras auf-
geschossen und damit die Zukunft gesichert. Die Esel waren in gutem Zustande,
sie fingen bereits an, fett zu werden, verwilderten schon und kamen täglich zur
Tränke an einen Tümpel. Nur "Balisa", der "Pfahl", hatte sich ein mit Maden
gefülltes Loch auf dem Rücken zugelegt. "Tormenta" war den Qualen des
Daseins entrückt worden. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, frass
das Gras nicht mehr, das man ihm sorglich vorschnitt, und lag eines Morgens
tot auf dem Sandstrand.


VI. KAPITEL.

I. Gemeinsamer Aufbruch und Besuch
der drei Bakaïrídörfer.

Independencia während meiner Abwesenheit. Vorbereitungen zur Abreise. Nach dem ersten Bakaïrí-
dorf. Photographieren. Puppe überreicht. Nach dem zweiten Bakaïrídorf. Flussfahrt. Gastfreund-
schaft. Vermummung zum Holen der Speisen. Nachttanz. Fries im Häuptlingshaus. Nach dem
dritten Bakaïrídorf. Begrüssungsreden. Sammlung. Der erste Nahuquá. Körpermessung und Perlen.

Am 19. September 1887 kamen Ehrenreich und Vogel an. Wir fuhren
gemeinsam zu dem zweiten Dorf der Bakaïrí, wo wir noch ein Kanu erwarben
und kehrten zum ersten Dorf zurück. Jene brachen dann am 24. September
zur Independencia auf, und ich folgte ihnen am 25., überholte sie noch, da Carlos
fieberkrank war, und am 26. waren wir alle wieder in der Independencia ver-
einigt. Tumayaua und Luchu hatten mich begleitet und konnten jetzt das »Wau-
wau« am Original studieren. Unsern Besuch der zweiten Bakaïrí möchte ich hier
noch nicht schildern, sondern bei dem Bericht über den späteren gemeinsamen
anfügen, damit die Kreuz- und Querwege den Ueberblick nicht erschweren.

Ich war also vom 8.—26. September von der Independencia abwesend
gewesen. Es lässt sich denken, mit welchem Gefühl der Erlösung Wilhelm und
Perrot unsere Kanus begrüssten.

Die Maultiere hatten ihnen und dem alten Januario viele Sorgen gemacht.
Tag um Tag fehlte bald dieses, bald jenes. Januario hatte ein Tier einmal von
dem zweitnächsten Lagerplatz der Herreise zurückholen müssen und war so immer
unterwegs gewesen. Inzwischen war auf der Queimada frisches junges Gras auf-
geschossen und damit die Zukunft gesichert. Die Esel waren in gutem Zustande,
sie fingen bereits an, fett zu werden, verwilderten schon und kamen täglich zur
Tränke an einen Tümpel. Nur »Balisa«, der »Pfahl«, hatte sich ein mit Maden
gefülltes Loch auf dem Rücken zugelegt. »Tormenta« war den Qualen des
Daseins entrückt worden. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, frass
das Gras nicht mehr, das man ihm sorglich vorschnitt, und lag eines Morgens
tot auf dem Sandstrand.


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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. [82]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/112>, abgerufen am 29.03.2024.