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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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es einem entschiedenen Blau, da es sich auf Indigofera Anil L. bezieht. 3 Pflanzen
sind "bunt", aber "pinima"; die Papageienbuntheit (paragoa) fehlt.

Die Eingeborenen hätten Indigo aus der soeben erwähnten Pflanze gewinnen
können, doch haben sie es nicht verstanden. Bei der Fabrikation des Indigo be-
dienen sich brasilische Industrielle indianischer Hände, bezeugt Martius; sie sei erst
von den Portugiesen eingeführt worden und liefere eine wenig begehrte Sorte.
Das Genipapo-Schwarz hat einen blauen Ton und entspricht so vortrefflich der
Anlehnung des Blau in den Farbenbezeichnungen an Schwarz. Aus dem Schwarz
geht auch das Blau der Tätowierung hervor. Man betrachte sich die Sammlungen
im Museum für Völkerkunde, die noch frei sind von blauen Stickperlen und
Zeugen, und man wird mit einem Blick das ganze Verhältnis verstehen. Dort
finden sich an den bemalten Gerätschaften nur Rot, Gelb, Weiss und Schwarz und
der Federschmuck zeigt auch Grün und Blau, er zeigt auch beide Farben in herr-
licher Reinheit, aber ungesichtet, in beliebiger Zusammenstellung untereinander
und mit den übrigen Farben in einem leuchtenden Gesamtbild, das einlädt allgemein
zu bewundern, aber nicht genau zu zergliedern. Farbensymphonie nennt man das
in der modernen Kunst, und es ist begreiflich, dass man aus einer Symphonie
keine Tonleiter lernt. Wie in den Vitrinen, sieht es in der Seele des Indianers
aus. Blaues und Grünes hat er nicht anders zu Hause als in Gestalt seiner Peri-
kitos und Papageien oder ähnlicher Schmuckvögel und so nimmt er deren Namen
zum Farbennamen, der für blau und grün ausreicht.

Einen Unterschied zwischen blau und grün hat er entschieden immer ge-
macht, und das ist der, dass er Blaues, aber nicht Grünes dem Schwarzen oder
Dunkeln anreihte. Warum nennt er nicht auch gelegentlich ein Grün "schwarz-
dunkel"? Der Grund dafür scheint nur zu sein, dass die Fälle, wo ein Grün so
auffallend ist, dass es als unterscheidendes Merkmal für die Bezeichnung herangezogen
wird, abgesehen von den Papageien selbst, wie die Listen zeigen, sehr selten sind,
und dass es sich dann immer um ein leuchtendes Papageiengrün handelt. Dagegen
herrscht bei dem mit "schwarzdunkel" = blau unterschiedenen Tieren immer das
dunkelblau vor; so hat selbst das wohl hellste von ihnen, der Ararauna, nach
Brehm "alle oberen Teile nebst den Schwanzdecken dunkel himmelblau"; die
Federn haben sogar vielfach im äussern Teil der Fahne einen ganz schwärzlichen
Ton, und nur, wenn der Vogel vom vollen Sonnenlicht beschienen dahinfliegt,
kommt ein helleres duftiges Azur zur Geltung.



es einem entschiedenen Blau, da es sich auf Indigofera Anil L. bezieht. 3 Pflanzen
sind »bunt«, aber „pinima“; die Papageienbuntheit (paragoa) fehlt.

Die Eingeborenen hätten Indigo aus der soeben erwähnten Pflanze gewinnen
können, doch haben sie es nicht verstanden. Bei der Fabrikation des Indigo be-
dienen sich brasilische Industrielle indianischer Hände, bezeugt Martius; sie sei erst
von den Portugiesen eingeführt worden und liefere eine wenig begehrte Sorte.
Das Genipapo-Schwarz hat einen blauen Ton und entspricht so vortrefflich der
Anlehnung des Blau in den Farbenbezeichnungen an Schwarz. Aus dem Schwarz
geht auch das Blau der Tätowierung hervor. Man betrachte sich die Sammlungen
im Museum für Völkerkunde, die noch frei sind von blauen Stickperlen und
Zeugen, und man wird mit einem Blick das ganze Verhältnis verstehen. Dort
finden sich an den bemalten Gerätschaften nur Rot, Gelb, Weiss und Schwarz und
der Federschmuck zeigt auch Grün und Blau, er zeigt auch beide Farben in herr-
licher Reinheit, aber ungesichtet, in beliebiger Zusammenstellung untereinander
und mit den übrigen Farben in einem leuchtenden Gesamtbild, das einlädt allgemein
zu bewundern, aber nicht genau zu zergliedern. Farbensymphonie nennt man das
in der modernen Kunst, und es ist begreiflich, dass man aus einer Symphonie
keine Tonleiter lernt. Wie in den Vitrinen, sieht es in der Seele des Indianers
aus. Blaues und Grünes hat er nicht anders zu Hause als in Gestalt seiner Peri-
kitos und Papageien oder ähnlicher Schmuckvögel und so nimmt er deren Namen
zum Farbennamen, der für blau und grün ausreicht.

Einen Unterschied zwischen blau und grün hat er entschieden immer ge-
macht, und das ist der, dass er Blaues, aber nicht Grünes dem Schwarzen oder
Dunkeln anreihte. Warum nennt er nicht auch gelegentlich ein Grün »schwarz-
dunkel«? Der Grund dafür scheint nur zu sein, dass die Fälle, wo ein Grün so
auffallend ist, dass es als unterscheidendes Merkmal für die Bezeichnung herangezogen
wird, abgesehen von den Papageien selbst, wie die Listen zeigen, sehr selten sind,
und dass es sich dann immer um ein leuchtendes Papageiengrün handelt. Dagegen
herrscht bei dem mit »schwarzdunkel« = blau unterschiedenen Tieren immer das
dunkelblau vor; so hat selbst das wohl hellste von ihnen, der Ararauna, nach
Brehm »alle oberen Teile nebst den Schwanzdecken dunkel himmelblau«; die
Federn haben sogar vielfach im äussern Teil der Fahne einen ganz schwärzlichen
Ton, und nur, wenn der Vogel vom vollen Sonnenlicht beschienen dahinfliegt,
kommt ein helleres duftiges Azur zur Geltung.



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[423/0487] es einem entschiedenen Blau, da es sich auf Indigofera Anil L. bezieht. 3 Pflanzen sind »bunt«, aber „pinima“; die Papageienbuntheit (paragoa) fehlt. Die Eingeborenen hätten Indigo aus der soeben erwähnten Pflanze gewinnen können, doch haben sie es nicht verstanden. Bei der Fabrikation des Indigo be- dienen sich brasilische Industrielle indianischer Hände, bezeugt Martius; sie sei erst von den Portugiesen eingeführt worden und liefere eine wenig begehrte Sorte. Das Genipapo-Schwarz hat einen blauen Ton und entspricht so vortrefflich der Anlehnung des Blau in den Farbenbezeichnungen an Schwarz. Aus dem Schwarz geht auch das Blau der Tätowierung hervor. Man betrachte sich die Sammlungen im Museum für Völkerkunde, die noch frei sind von blauen Stickperlen und Zeugen, und man wird mit einem Blick das ganze Verhältnis verstehen. Dort finden sich an den bemalten Gerätschaften nur Rot, Gelb, Weiss und Schwarz und der Federschmuck zeigt auch Grün und Blau, er zeigt auch beide Farben in herr- licher Reinheit, aber ungesichtet, in beliebiger Zusammenstellung untereinander und mit den übrigen Farben in einem leuchtenden Gesamtbild, das einlädt allgemein zu bewundern, aber nicht genau zu zergliedern. Farbensymphonie nennt man das in der modernen Kunst, und es ist begreiflich, dass man aus einer Symphonie keine Tonleiter lernt. Wie in den Vitrinen, sieht es in der Seele des Indianers aus. Blaues und Grünes hat er nicht anders zu Hause als in Gestalt seiner Peri- kitos und Papageien oder ähnlicher Schmuckvögel und so nimmt er deren Namen zum Farbennamen, der für blau und grün ausreicht. Einen Unterschied zwischen blau und grün hat er entschieden immer ge- macht, und das ist der, dass er Blaues, aber nicht Grünes dem Schwarzen oder Dunkeln anreihte. Warum nennt er nicht auch gelegentlich ein Grün »schwarz- dunkel«? Der Grund dafür scheint nur zu sein, dass die Fälle, wo ein Grün so auffallend ist, dass es als unterscheidendes Merkmal für die Bezeichnung herangezogen wird, abgesehen von den Papageien selbst, wie die Listen zeigen, sehr selten sind, und dass es sich dann immer um ein leuchtendes Papageiengrün handelt. Dagegen herrscht bei dem mit »schwarzdunkel« = blau unterschiedenen Tieren immer das dunkelblau vor; so hat selbst das wohl hellste von ihnen, der Ararauna, nach Brehm »alle oberen Teile nebst den Schwanzdecken dunkel himmelblau«; die Federn haben sogar vielfach im äussern Teil der Fahne einen ganz schwärzlichen Ton, und nur, wenn der Vogel vom vollen Sonnenlicht beschienen dahinfliegt, kommt ein helleres duftiges Azur zur Geltung.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/487>, abgerufen am 20.04.2024.