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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Alles was der bezeichneten Linie nördlich liegt, wird von ungemischten Deutschen bewohnt. Von diesen gehören die Bregenzerwälder wie die Bewohner der Stadt Bregenz und des Landgerichtes Dornbirn unbestritten dem alemannischen Stamme an. Ein Anderes scheint mit den Walsern der Fall zu seyn, welche sich in den zwei Thälern angebaut, die von ihnen den Namen führen. Diese Walser hat man ehemals für Romanen gehalten, und zwar zunächst, weil man ihren Namen für gleichbedeutend mit Walen, Walchen hielt. In neuerer Zeit hat sich dagegen herausgestellt, daß Walser, Valisensis nicht einen Walen, sondern einen Ankömmling aus dem Wallis an der Rhone bedeute. Dorthin weist auch manches in der Mundart der Walser. Wenn es sich nun zur völligen Gewißheit erheben ließe daß, wie Albert Schott behauptet, die Bewohner des Wallis burgundischen Stammes seyen, so wäre dieselbe Herkunft auch für die vorarlbergischen Walser in Anspruch zu nehmen. Immerhin bleibt ihnen ihre Heimath am Rhodanus unbestritten, und dieser Umstand ist es auch, der diese kleine Völkerschaft dem Liebhaber ethnographischer Forschungen so anziehend macht. Ein Theil derselben, nämlich die Einwohner von Damils, Fontanella, Ragall u. s. w. sitzt in ehemals romanischen Dörfern und im Umfange des frühern drusischen Capitels. Etwas mehr über diese Dinge werden wir bei spätern Gelegenheiten vorbringen. Uebrigens wohnen die alemannischen Hirten des Bregenzerwaldes, die wallisischen, wahrscheinlich burgundischen Walser und die germanisirten Romanen des Montavons, alle in ihrem Wesen merklich gekennzeichnet und unterschieden, so nahe bei einander daß ein rüstiger Wanderer in einem Tage ihre drei Gebiete berühren kann. Die Einwohner der gewerbfleißigen Städte und Flecken auf dem vorarlbergischen Rheinufer haben ein allgemeiner oberschwäbisches Gepräge. An das bojoarische Tirol erinnert hier überhaupt nichts als die politische Zutheilung. Sonst zeigt das Ländchen in seiner ganzen Physiognomie fast mehr Aehnlichkeit mit einem Kanton der Schweiz, als mit einem tirolischen Kreise.

Alles was der bezeichneten Linie nördlich liegt, wird von ungemischten Deutschen bewohnt. Von diesen gehören die Bregenzerwälder wie die Bewohner der Stadt Bregenz und des Landgerichtes Dornbirn unbestritten dem alemannischen Stamme an. Ein Anderes scheint mit den Walsern der Fall zu seyn, welche sich in den zwei Thälern angebaut, die von ihnen den Namen führen. Diese Walser hat man ehemals für Romanen gehalten, und zwar zunächst, weil man ihren Namen für gleichbedeutend mit Walen, Walchen hielt. In neuerer Zeit hat sich dagegen herausgestellt, daß Walser, Valisensis nicht einen Walen, sondern einen Ankömmling aus dem Wallis an der Rhone bedeute. Dorthin weist auch manches in der Mundart der Walser. Wenn es sich nun zur völligen Gewißheit erheben ließe daß, wie Albert Schott behauptet, die Bewohner des Wallis burgundischen Stammes seyen, so wäre dieselbe Herkunft auch für die vorarlbergischen Walser in Anspruch zu nehmen. Immerhin bleibt ihnen ihre Heimath am Rhodanus unbestritten, und dieser Umstand ist es auch, der diese kleine Völkerschaft dem Liebhaber ethnographischer Forschungen so anziehend macht. Ein Theil derselben, nämlich die Einwohner von Damils, Fontanella, Ragall u. s. w. sitzt in ehemals romanischen Dörfern und im Umfange des frühern drusischen Capitels. Etwas mehr über diese Dinge werden wir bei spätern Gelegenheiten vorbringen. Uebrigens wohnen die alemannischen Hirten des Bregenzerwaldes, die wallisischen, wahrscheinlich burgundischen Walser und die germanisirten Romanen des Montavons, alle in ihrem Wesen merklich gekennzeichnet und unterschieden, so nahe bei einander daß ein rüstiger Wanderer in einem Tage ihre drei Gebiete berühren kann. Die Einwohner der gewerbfleißigen Städte und Flecken auf dem vorarlbergischen Rheinufer haben ein allgemeiner oberschwäbisches Gepräge. An das bojoarische Tirol erinnert hier überhaupt nichts als die politische Zutheilung. Sonst zeigt das Ländchen in seiner ganzen Physiognomie fast mehr Aehnlichkeit mit einem Kanton der Schweiz, als mit einem tirolischen Kreise.

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[7/0012] Alles was der bezeichneten Linie nördlich liegt, wird von ungemischten Deutschen bewohnt. Von diesen gehören die Bregenzerwälder wie die Bewohner der Stadt Bregenz und des Landgerichtes Dornbirn unbestritten dem alemannischen Stamme an. Ein Anderes scheint mit den Walsern der Fall zu seyn, welche sich in den zwei Thälern angebaut, die von ihnen den Namen führen. Diese Walser hat man ehemals für Romanen gehalten, und zwar zunächst, weil man ihren Namen für gleichbedeutend mit Walen, Walchen hielt. In neuerer Zeit hat sich dagegen herausgestellt, daß Walser, Valisensis nicht einen Walen, sondern einen Ankömmling aus dem Wallis an der Rhone bedeute. Dorthin weist auch manches in der Mundart der Walser. Wenn es sich nun zur völligen Gewißheit erheben ließe daß, wie Albert Schott behauptet, die Bewohner des Wallis burgundischen Stammes seyen, so wäre dieselbe Herkunft auch für die vorarlbergischen Walser in Anspruch zu nehmen. Immerhin bleibt ihnen ihre Heimath am Rhodanus unbestritten, und dieser Umstand ist es auch, der diese kleine Völkerschaft dem Liebhaber ethnographischer Forschungen so anziehend macht. Ein Theil derselben, nämlich die Einwohner von Damils, Fontanella, Ragall u. s. w. sitzt in ehemals romanischen Dörfern und im Umfange des frühern drusischen Capitels. Etwas mehr über diese Dinge werden wir bei spätern Gelegenheiten vorbringen. Uebrigens wohnen die alemannischen Hirten des Bregenzerwaldes, die wallisischen, wahrscheinlich burgundischen Walser und die germanisirten Romanen des Montavons, alle in ihrem Wesen merklich gekennzeichnet und unterschieden, so nahe bei einander daß ein rüstiger Wanderer in einem Tage ihre drei Gebiete berühren kann. Die Einwohner der gewerbfleißigen Städte und Flecken auf dem vorarlbergischen Rheinufer haben ein allgemeiner oberschwäbisches Gepräge. An das bojoarische Tirol erinnert hier überhaupt nichts als die politische Zutheilung. Sonst zeigt das Ländchen in seiner ganzen Physiognomie fast mehr Aehnlichkeit mit einem Kanton der Schweiz, als mit einem tirolischen Kreise.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/12>, abgerufen am 28.03.2024.