Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

wenn sie über den Fern reisen: wir gehen ins Tirol, und ebenso haben die Innthaler wenigstens in frühern Zeiten von der Gegend um Reute immer so gesprochen als läge sie in Schwaben. Eine sehr alte Anerkennung des Fernberges als symbolischen Ländertrenners liegt etwa auch in einer Urkunde Herrn Hilpolts von Schwangau aus dem Jahre 1290, wo der Ritter bestimmt, wenn er dereinst jenseits des Ferns sterbe, so möchten sie ihn im innthalischen Stift zu Stams begraben; wenn aber diesseits, im Münster zu Steingaden. Gleichwohl ist der Fernpaß keine strenge Stammesscheide, denn die Oberinnthaler in den Gerichten Telfs, Silz und Imst sind wenigstens stark mit Alemannen gemischt, und die weiter oben um Landeck, im Stanzerthale und gegen Mals hinauf wohnenden scheinen vollbürtige Schwaben zu seyn, die muthmaßlich gerade über den Fern hinüber ihren Weg in jene Gegenden gefunden haben.

Eine andere Hochlandsfahrt läßt sich von Reute aus unternehmen ins Tannheimer Thal. Es ist dieß eine idyllische etwa vier Stunden lange Landschaft, voll schöner Wiesen und anmuthiger Dörfchen, auch mit einem kleinen See geziert. Die Landstraße zieht mitten durch, muß aber um in diese Höhe zu gelangen, bei der Gacht lang und mühselig emporklimmen und steigt dann, wenn das Thal zu Ende ist, gegen den bayerischen Flecken Sonthofen zu, wieder eben so tief hinab. Das Tannheimer Thal gilt in der Gegend als eine landschaftliche Liebenswürdigkeit, zu deren Besuch der Einheimische den fremden Reisenden unablässig aufzufordern pflegt. Zumal wird dann auch der Bergweg über die Aschauer Alpen mit in Vorschlag gebracht, und wenn der rüstige Wanderer darauf eingeht, so erlebt er bei gutem Wetter herrliche Augenfreuden und nebenbei auch manche kleine Unterhaltung in den Sennhütten. Bequemer ist es allerdings durch den wilden, ehedem befestigten Paß der Gacht hinaufzusteigen, durch denselben, den ich vor ein paar Jahren einmal mit etlichen Herren von Reute hinaufstieg, um ins Nesselwängle zu einer Hochzeit zu gehen. Das Nesselwängle heißt zwar auf den Karten Klein-Nesselwang; die Ehrenberger finden es aber gemüthlicher, bei solchen Namen die

wenn sie über den Fern reisen: wir gehen ins Tirol, und ebenso haben die Innthaler wenigstens in frühern Zeiten von der Gegend um Reute immer so gesprochen als läge sie in Schwaben. Eine sehr alte Anerkennung des Fernberges als symbolischen Ländertrenners liegt etwa auch in einer Urkunde Herrn Hilpolts von Schwangau aus dem Jahre 1290, wo der Ritter bestimmt, wenn er dereinst jenseits des Ferns sterbe, so möchten sie ihn im innthalischen Stift zu Stams begraben; wenn aber diesseits, im Münster zu Steingaden. Gleichwohl ist der Fernpaß keine strenge Stammesscheide, denn die Oberinnthaler in den Gerichten Telfs, Silz und Imst sind wenigstens stark mit Alemannen gemischt, und die weiter oben um Landeck, im Stanzerthale und gegen Mals hinauf wohnenden scheinen vollbürtige Schwaben zu seyn, die muthmaßlich gerade über den Fern hinüber ihren Weg in jene Gegenden gefunden haben.

Eine andere Hochlandsfahrt läßt sich von Reute aus unternehmen ins Tannheimer Thal. Es ist dieß eine idyllische etwa vier Stunden lange Landschaft, voll schöner Wiesen und anmuthiger Dörfchen, auch mit einem kleinen See geziert. Die Landstraße zieht mitten durch, muß aber um in diese Höhe zu gelangen, bei der Gacht lang und mühselig emporklimmen und steigt dann, wenn das Thal zu Ende ist, gegen den bayerischen Flecken Sonthofen zu, wieder eben so tief hinab. Das Tannheimer Thal gilt in der Gegend als eine landschaftliche Liebenswürdigkeit, zu deren Besuch der Einheimische den fremden Reisenden unablässig aufzufordern pflegt. Zumal wird dann auch der Bergweg über die Aschauer Alpen mit in Vorschlag gebracht, und wenn der rüstige Wanderer darauf eingeht, so erlebt er bei gutem Wetter herrliche Augenfreuden und nebenbei auch manche kleine Unterhaltung in den Sennhütten. Bequemer ist es allerdings durch den wilden, ehedem befestigten Paß der Gacht hinaufzusteigen, durch denselben, den ich vor ein paar Jahren einmal mit etlichen Herren von Reute hinaufstieg, um ins Nesselwängle zu einer Hochzeit zu gehen. Das Nesselwängle heißt zwar auf den Karten Klein-Nesselwang; die Ehrenberger finden es aber gemüthlicher, bei solchen Namen die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="14"/>
wenn sie über den Fern reisen: wir gehen ins Tirol, und ebenso haben die Innthaler wenigstens in frühern Zeiten von der Gegend um Reute immer so gesprochen als läge sie in Schwaben. Eine sehr alte Anerkennung des Fernberges als symbolischen Ländertrenners liegt etwa auch in einer Urkunde Herrn Hilpolts von Schwangau aus dem Jahre 1290, wo der Ritter bestimmt, wenn er dereinst jenseits des Ferns sterbe, so möchten sie ihn im innthalischen Stift zu Stams begraben; wenn aber diesseits, im Münster zu Steingaden. Gleichwohl ist der Fernpaß keine strenge Stammesscheide, denn die Oberinnthaler in den Gerichten Telfs, Silz und Imst sind wenigstens stark mit Alemannen gemischt, und die weiter oben um Landeck, im Stanzerthale und gegen Mals hinauf wohnenden scheinen vollbürtige Schwaben zu seyn, die muthmaßlich gerade über den Fern hinüber ihren Weg in jene Gegenden gefunden haben.</p>
        <p>Eine andere Hochlandsfahrt läßt sich von Reute aus unternehmen ins Tannheimer Thal. Es ist dieß eine idyllische etwa vier Stunden lange Landschaft, voll schöner Wiesen und anmuthiger Dörfchen, auch mit einem kleinen See geziert. Die Landstraße zieht mitten durch, muß aber um in diese Höhe zu gelangen, bei der Gacht lang und mühselig emporklimmen und steigt dann, wenn das Thal zu Ende ist, gegen den bayerischen Flecken Sonthofen zu, wieder eben so tief hinab. Das Tannheimer Thal gilt in der Gegend als eine landschaftliche Liebenswürdigkeit, zu deren Besuch der Einheimische den fremden Reisenden unablässig aufzufordern pflegt. Zumal wird dann auch der Bergweg über die Aschauer Alpen mit in Vorschlag gebracht, und wenn der rüstige Wanderer darauf eingeht, so erlebt er bei gutem Wetter herrliche Augenfreuden und nebenbei auch manche kleine Unterhaltung in den Sennhütten. Bequemer ist es allerdings durch den wilden, ehedem befestigten Paß der Gacht hinaufzusteigen, durch denselben, den ich vor ein paar Jahren einmal mit etlichen Herren von Reute hinaufstieg, um ins Nesselwängle zu einer Hochzeit zu gehen. Das Nesselwängle heißt zwar auf den Karten Klein-Nesselwang; die Ehrenberger finden es aber gemüthlicher, bei solchen Namen die
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0019] wenn sie über den Fern reisen: wir gehen ins Tirol, und ebenso haben die Innthaler wenigstens in frühern Zeiten von der Gegend um Reute immer so gesprochen als läge sie in Schwaben. Eine sehr alte Anerkennung des Fernberges als symbolischen Ländertrenners liegt etwa auch in einer Urkunde Herrn Hilpolts von Schwangau aus dem Jahre 1290, wo der Ritter bestimmt, wenn er dereinst jenseits des Ferns sterbe, so möchten sie ihn im innthalischen Stift zu Stams begraben; wenn aber diesseits, im Münster zu Steingaden. Gleichwohl ist der Fernpaß keine strenge Stammesscheide, denn die Oberinnthaler in den Gerichten Telfs, Silz und Imst sind wenigstens stark mit Alemannen gemischt, und die weiter oben um Landeck, im Stanzerthale und gegen Mals hinauf wohnenden scheinen vollbürtige Schwaben zu seyn, die muthmaßlich gerade über den Fern hinüber ihren Weg in jene Gegenden gefunden haben. Eine andere Hochlandsfahrt läßt sich von Reute aus unternehmen ins Tannheimer Thal. Es ist dieß eine idyllische etwa vier Stunden lange Landschaft, voll schöner Wiesen und anmuthiger Dörfchen, auch mit einem kleinen See geziert. Die Landstraße zieht mitten durch, muß aber um in diese Höhe zu gelangen, bei der Gacht lang und mühselig emporklimmen und steigt dann, wenn das Thal zu Ende ist, gegen den bayerischen Flecken Sonthofen zu, wieder eben so tief hinab. Das Tannheimer Thal gilt in der Gegend als eine landschaftliche Liebenswürdigkeit, zu deren Besuch der Einheimische den fremden Reisenden unablässig aufzufordern pflegt. Zumal wird dann auch der Bergweg über die Aschauer Alpen mit in Vorschlag gebracht, und wenn der rüstige Wanderer darauf eingeht, so erlebt er bei gutem Wetter herrliche Augenfreuden und nebenbei auch manche kleine Unterhaltung in den Sennhütten. Bequemer ist es allerdings durch den wilden, ehedem befestigten Paß der Gacht hinaufzusteigen, durch denselben, den ich vor ein paar Jahren einmal mit etlichen Herren von Reute hinaufstieg, um ins Nesselwängle zu einer Hochzeit zu gehen. Das Nesselwängle heißt zwar auf den Karten Klein-Nesselwang; die Ehrenberger finden es aber gemüthlicher, bei solchen Namen die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/19
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/19>, abgerufen am 23.04.2024.