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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Lech einmal in weitem Bogen von Elbigenalp nach Kögeln geflossen sey.

Wie sich das auch noch beim Fortschritt der lechthalischen Gelehrsamkeit entwickeln möge, so viel ist gewiß daß Elbigenalp in seinen ersten Zeiten nach St. Mang zu Füßen gehörte. Das Stift sandte dann zur Sommerszeit an Sonn- und Feiertagen einen Priester ab, der den Aelpern die Messe las und darnach wieder heimkehrte. Dieß geschah so lange bis sich ein ständiger Pfarrer hier oben niederließ, was aber gewiß schon im vierzehnten Jahrhundert geschehen war. Das Dorf ist also nicht von gestern her und hat darum auch seine Alterthümer, nämlich zwei Kirchen auf seinem Friedhofe, wovon selbst die jüngere, die jetzige Pfarrkirche, mit spitzigem rothem Kirchthurm schon ehrwürdig ist, während die andere, St. Martin geweiht, ehemals Pfarrkirche, für die älteste im Thale gilt. Sie war 1459 schon einer Ausbesserung bedürftig. Der alte Taufstein von 1411 mit seiner schwer zu enträthselnden Inschrift, der jetzt in der Hauptkirche zu sehen, stand ehedem wahrscheinlich in diesem ältern Gotteshause. Den Calvarienberg, der sich bald hinter dem Dorfe erhebt, habe ich unbesucht gelassen. Man ersieht dort, wie Staffler bemerkt, den Fallenbacher Ferner und das Fallenbacher Fenster, eine natürliche, ganz durchsichtige Oeffnung in einem nahen Gebirgsstocke.

Elbigenalp hat schon viele tüchtige Leute hervorgebracht. Wir nennen zuerst einen Bekannten, den Herrn Anton Falger, der da im vorigen Jahrhundert geboren, im Jahre 1808 nach München kam, mit dem bayerischen Heere die Feldzüge von 1813 und 1814 durchmachte und später bei der bayerischen Steuerkataster-Commission Graveur wurde. Von 1819 bis 1821 hielt er sich zu Weimar auf bei der Lithographie für das Bertuch'sche Institut beschäftigt, im Jahre 1832 aber ging er dem Brauch der Väter getreu nach Elbigenalp zurück, um dort seine Tage zu beschließen. Er hat eine stattliche Lechthalerin zur Frau genommen und besitzt in seinem Dorfe zwei schöne Häuser, wovon das eine blaßblau getünchte, welches er bewohnt, mit seiner eleganten Haltung und dem Ziergärtchen vor dem Eingange ein villenartiges Ansehen hat. Weil

Lech einmal in weitem Bogen von Elbigenalp nach Kögeln geflossen sey.

Wie sich das auch noch beim Fortschritt der lechthalischen Gelehrsamkeit entwickeln möge, so viel ist gewiß daß Elbigenalp in seinen ersten Zeiten nach St. Mang zu Füßen gehörte. Das Stift sandte dann zur Sommerszeit an Sonn- und Feiertagen einen Priester ab, der den Aelpern die Messe las und darnach wieder heimkehrte. Dieß geschah so lange bis sich ein ständiger Pfarrer hier oben niederließ, was aber gewiß schon im vierzehnten Jahrhundert geschehen war. Das Dorf ist also nicht von gestern her und hat darum auch seine Alterthümer, nämlich zwei Kirchen auf seinem Friedhofe, wovon selbst die jüngere, die jetzige Pfarrkirche, mit spitzigem rothem Kirchthurm schon ehrwürdig ist, während die andere, St. Martin geweiht, ehemals Pfarrkirche, für die älteste im Thale gilt. Sie war 1459 schon einer Ausbesserung bedürftig. Der alte Taufstein von 1411 mit seiner schwer zu enträthselnden Inschrift, der jetzt in der Hauptkirche zu sehen, stand ehedem wahrscheinlich in diesem ältern Gotteshause. Den Calvarienberg, der sich bald hinter dem Dorfe erhebt, habe ich unbesucht gelassen. Man ersieht dort, wie Staffler bemerkt, den Fallenbacher Ferner und das Fallenbacher Fenster, eine natürliche, ganz durchsichtige Oeffnung in einem nahen Gebirgsstocke.

Elbigenalp hat schon viele tüchtige Leute hervorgebracht. Wir nennen zuerst einen Bekannten, den Herrn Anton Falger, der da im vorigen Jahrhundert geboren, im Jahre 1808 nach München kam, mit dem bayerischen Heere die Feldzüge von 1813 und 1814 durchmachte und später bei der bayerischen Steuerkataster-Commission Graveur wurde. Von 1819 bis 1821 hielt er sich zu Weimar auf bei der Lithographie für das Bertuch’sche Institut beschäftigt, im Jahre 1832 aber ging er dem Brauch der Väter getreu nach Elbigenalp zurück, um dort seine Tage zu beschließen. Er hat eine stattliche Lechthalerin zur Frau genommen und besitzt in seinem Dorfe zwei schöne Häuser, wovon das eine blaßblau getünchte, welches er bewohnt, mit seiner eleganten Haltung und dem Ziergärtchen vor dem Eingange ein villenartiges Ansehen hat. Weil

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[20/0025] Lech einmal in weitem Bogen von Elbigenalp nach Kögeln geflossen sey. Wie sich das auch noch beim Fortschritt der lechthalischen Gelehrsamkeit entwickeln möge, so viel ist gewiß daß Elbigenalp in seinen ersten Zeiten nach St. Mang zu Füßen gehörte. Das Stift sandte dann zur Sommerszeit an Sonn- und Feiertagen einen Priester ab, der den Aelpern die Messe las und darnach wieder heimkehrte. Dieß geschah so lange bis sich ein ständiger Pfarrer hier oben niederließ, was aber gewiß schon im vierzehnten Jahrhundert geschehen war. Das Dorf ist also nicht von gestern her und hat darum auch seine Alterthümer, nämlich zwei Kirchen auf seinem Friedhofe, wovon selbst die jüngere, die jetzige Pfarrkirche, mit spitzigem rothem Kirchthurm schon ehrwürdig ist, während die andere, St. Martin geweiht, ehemals Pfarrkirche, für die älteste im Thale gilt. Sie war 1459 schon einer Ausbesserung bedürftig. Der alte Taufstein von 1411 mit seiner schwer zu enträthselnden Inschrift, der jetzt in der Hauptkirche zu sehen, stand ehedem wahrscheinlich in diesem ältern Gotteshause. Den Calvarienberg, der sich bald hinter dem Dorfe erhebt, habe ich unbesucht gelassen. Man ersieht dort, wie Staffler bemerkt, den Fallenbacher Ferner und das Fallenbacher Fenster, eine natürliche, ganz durchsichtige Oeffnung in einem nahen Gebirgsstocke. Elbigenalp hat schon viele tüchtige Leute hervorgebracht. Wir nennen zuerst einen Bekannten, den Herrn Anton Falger, der da im vorigen Jahrhundert geboren, im Jahre 1808 nach München kam, mit dem bayerischen Heere die Feldzüge von 1813 und 1814 durchmachte und später bei der bayerischen Steuerkataster-Commission Graveur wurde. Von 1819 bis 1821 hielt er sich zu Weimar auf bei der Lithographie für das Bertuch’sche Institut beschäftigt, im Jahre 1832 aber ging er dem Brauch der Väter getreu nach Elbigenalp zurück, um dort seine Tage zu beschließen. Er hat eine stattliche Lechthalerin zur Frau genommen und besitzt in seinem Dorfe zwei schöne Häuser, wovon das eine blaßblau getünchte, welches er bewohnt, mit seiner eleganten Haltung und dem Ziergärtchen vor dem Eingange ein villenartiges Ansehen hat. Weil

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/25>, abgerufen am 16.04.2024.