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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Der Weg von Elbigenalp nach Holzgau oder lechthalerisch zu reden - in die Holzgäu - zieht wechselreich an Häusern, Mühlen, Capellen, Gärten und Feldern vorüber. Hie und da öffnet sich ein Seitenthal, aus welchem weiße Gebäude glänzen und ein rauschender Bach strömt. Links und rechts stehen hohe Berge, über welche beschneite Hörner herüberblicken. Um Holzgau herum zeigt sich viel Feldbau, freilich was Getreide betrifft bei weitem nicht zureichend für den Bedarf, so wenig als anderswo im Lechthal, dessen Haupterzeugniß sonst der Flachs ist. Die schönen Häuser liegen wie zu Elbigenalp in kleinen Weilern zerstreut umher. Auch hier wie dort stehen auf dem erhabenen Friedhofe zwei Kirchen verschiedenen Alters neben einander. In der jüngern, aber größern, der jetzigen Pfarrkirche, ist ein Gemälde aufgehängt zum Andenken an die Bußpredigten, welche die Liguorianer im Jahre 1841 hier gehalten haben. Die lieblichen Lechthalerinnen, prunkend im Sonntagsstaate, sind da kniend mit Büßermienen verewigt, die ihren Reizen keinen Eintrag thun. Ein junger, bleicher, anziehender Liguorianer predigt voll heiligen Eifers den schönen Sünderinnen Bekehrung. Es scheint fast eine Schalkheit des Malers daß er gerade die Mädchen dem Jüngling gegenübergestellt. - Außerhalb an der Kirche finden sich zwei schöne Grabsteine, welche der in seinem Vaterland nicht mit Unrecht geschätzte Bildhauer Reinalter zu Bozen gemeißelt hat. Sie sind zum Andenken der Gebrüder Ignaz Anton und Franz Schueler, welche sich als Handelsleute zu Amsterdam große Reichthümer gesammelt hatten und zu Holzgau, in ihrem Geburtsorte, gestorben sind.

Neben der großen Kirche findet sich die kleine gothische St. Sebastians, welche ehemals die Pfarrkirche war, jetzt aber als Speicher für Kirchengeräthe benützt wird. Sehenswerth sind darin drei alte, vielleicht dem vierzehnten Jahrhundert entstammende Wandgemälde aus dem Martyrium des Kirchenpatrons. Die dunkeln Farben sind noch ziemlich gut erhalten, die hellen aber stark verblichen. Uebrigens werden durch Balken und Bretter, welche man sorglos an die Gemälde lehnt, auch jene bald abgekratzt seyn.

Der Weg von Elbigenalp nach Holzgau oder lechthalerisch zu reden – in die Holzgäu – zieht wechselreich an Häusern, Mühlen, Capellen, Gärten und Feldern vorüber. Hie und da öffnet sich ein Seitenthal, aus welchem weiße Gebäude glänzen und ein rauschender Bach strömt. Links und rechts stehen hohe Berge, über welche beschneite Hörner herüberblicken. Um Holzgau herum zeigt sich viel Feldbau, freilich was Getreide betrifft bei weitem nicht zureichend für den Bedarf, so wenig als anderswo im Lechthal, dessen Haupterzeugniß sonst der Flachs ist. Die schönen Häuser liegen wie zu Elbigenalp in kleinen Weilern zerstreut umher. Auch hier wie dort stehen auf dem erhabenen Friedhofe zwei Kirchen verschiedenen Alters neben einander. In der jüngern, aber größern, der jetzigen Pfarrkirche, ist ein Gemälde aufgehängt zum Andenken an die Bußpredigten, welche die Liguorianer im Jahre 1841 hier gehalten haben. Die lieblichen Lechthalerinnen, prunkend im Sonntagsstaate, sind da kniend mit Büßermienen verewigt, die ihren Reizen keinen Eintrag thun. Ein junger, bleicher, anziehender Liguorianer predigt voll heiligen Eifers den schönen Sünderinnen Bekehrung. Es scheint fast eine Schalkheit des Malers daß er gerade die Mädchen dem Jüngling gegenübergestellt. – Außerhalb an der Kirche finden sich zwei schöne Grabsteine, welche der in seinem Vaterland nicht mit Unrecht geschätzte Bildhauer Reinalter zu Bozen gemeißelt hat. Sie sind zum Andenken der Gebrüder Ignaz Anton und Franz Schueler, welche sich als Handelsleute zu Amsterdam große Reichthümer gesammelt hatten und zu Holzgau, in ihrem Geburtsorte, gestorben sind.

Neben der großen Kirche findet sich die kleine gothische St. Sebastians, welche ehemals die Pfarrkirche war, jetzt aber als Speicher für Kirchengeräthe benützt wird. Sehenswerth sind darin drei alte, vielleicht dem vierzehnten Jahrhundert entstammende Wandgemälde aus dem Martyrium des Kirchenpatrons. Die dunkeln Farben sind noch ziemlich gut erhalten, die hellen aber stark verblichen. Uebrigens werden durch Balken und Bretter, welche man sorglos an die Gemälde lehnt, auch jene bald abgekratzt seyn.

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[25/0030] Der Weg von Elbigenalp nach Holzgau oder lechthalerisch zu reden – in die Holzgäu – zieht wechselreich an Häusern, Mühlen, Capellen, Gärten und Feldern vorüber. Hie und da öffnet sich ein Seitenthal, aus welchem weiße Gebäude glänzen und ein rauschender Bach strömt. Links und rechts stehen hohe Berge, über welche beschneite Hörner herüberblicken. Um Holzgau herum zeigt sich viel Feldbau, freilich was Getreide betrifft bei weitem nicht zureichend für den Bedarf, so wenig als anderswo im Lechthal, dessen Haupterzeugniß sonst der Flachs ist. Die schönen Häuser liegen wie zu Elbigenalp in kleinen Weilern zerstreut umher. Auch hier wie dort stehen auf dem erhabenen Friedhofe zwei Kirchen verschiedenen Alters neben einander. In der jüngern, aber größern, der jetzigen Pfarrkirche, ist ein Gemälde aufgehängt zum Andenken an die Bußpredigten, welche die Liguorianer im Jahre 1841 hier gehalten haben. Die lieblichen Lechthalerinnen, prunkend im Sonntagsstaate, sind da kniend mit Büßermienen verewigt, die ihren Reizen keinen Eintrag thun. Ein junger, bleicher, anziehender Liguorianer predigt voll heiligen Eifers den schönen Sünderinnen Bekehrung. Es scheint fast eine Schalkheit des Malers daß er gerade die Mädchen dem Jüngling gegenübergestellt. – Außerhalb an der Kirche finden sich zwei schöne Grabsteine, welche der in seinem Vaterland nicht mit Unrecht geschätzte Bildhauer Reinalter zu Bozen gemeißelt hat. Sie sind zum Andenken der Gebrüder Ignaz Anton und Franz Schueler, welche sich als Handelsleute zu Amsterdam große Reichthümer gesammelt hatten und zu Holzgau, in ihrem Geburtsorte, gestorben sind. Neben der großen Kirche findet sich die kleine gothische St. Sebastians, welche ehemals die Pfarrkirche war, jetzt aber als Speicher für Kirchengeräthe benützt wird. Sehenswerth sind darin drei alte, vielleicht dem vierzehnten Jahrhundert entstammende Wandgemälde aus dem Martyrium des Kirchenpatrons. Die dunkeln Farben sind noch ziemlich gut erhalten, die hellen aber stark verblichen. Uebrigens werden durch Balken und Bretter, welche man sorglos an die Gemälde lehnt, auch jene bald abgekratzt seyn.

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/30>, abgerufen am 16.04.2024.