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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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gegangt, geschoßt, gesitzt u. s. w. Die Thalsohle am Lech weist von Reute bis Steg nur deutsche Ortsnamen, auf dem südlichen Gebirge dagegen auch undeutsche, romanische, wie Almajur (bei Steg) Alp major, noch mehr aber rhätische, wie Parseier, Parsal, Parzin, Gramais u. s. w. Bei der Zähigkeit mit welcher diese vordeutschen Namen auf Grund und Boden festhaften, ist es ein ziemlich sicherer Schluß daß da, wo jetzt keine mehr zu finden, auch in alten Zeiten keine waren. Nun kömmt aber die Erscheinung, daß die Höhen mit vordeutschen, die Niederungen dagegen mit deutschen Namen besetzt sind, noch an mehreren Stellen vor, immer aber, wie im Patznaun, im Oetzthale in Verbindung mit der Sage, daß der Thalgrund See gewesen. Wir können wohl ohne Gefahr diese Analogie auch auf das Lechthal ausdehnen, und wie an andern Orten behaupten daß die Ebene erst zugänglich geworden, als die Deutschen in das Land drangen. Daraus ergibt sich denn der Satz daß die Bewohner der am Bach gelegenen Orte auf einem Boden sich niedergelassen haben, der früher keine Ansiedler hatte, während die Hirten von Madau, Gramais, Vschlabs, Pfafflar u. s. w. in ursprünglich rhätoromanischen Dörfern sitzen.

Die Männer im Lechthale führen keine Bauerntracht mehr, sondern kleiden sich besser oder schlechter wie die Bürger in den Städten. Die Frauen haben da nicht ganz gleichen Schritt gehalten, vielmehr sich ihre eigenen Moden geschaffen, die indessen bis auf Weniges ziemlich neuen Ursprungs scheinen. Die reichern Weiber tragen wie noch manche Bürgersfrau im übrigen Tirol einen langhaarigen Männerhut, die "minderen" eine Art Bärenmütze. Der Wohlstand bricht sowohl in den kostbaren Stoffen zu Tage aus, als auch in dem reichen Geschmeide, in goldenen Brustketten, Ohrgehängen, Sackuhren, Fingerringen.

Das kleine Thal Pfafflar, zwischen Elmen und Imst, zeichnete sich, wie Staffler sagt, in ältern Zeiten durch eine ganz besondere Kleidung der Weiber aus, die in einem Anzuge von weißem Loden, einer nonnenähnlichen Verhüllung des Halses und einem Filzhute ohne Krämpen bestand. In dieser Gewandung erscheinen die Pfafflarerinnen auch auf ältern

gegangt, geschoßt, gesitzt u. s. w. Die Thalsohle am Lech weist von Reute bis Steg nur deutsche Ortsnamen, auf dem südlichen Gebirge dagegen auch undeutsche, romanische, wie Almajur (bei Steg) Alp major, noch mehr aber rhätische, wie Parseier, Parsal, Parzin, Gramais u. s. w. Bei der Zähigkeit mit welcher diese vordeutschen Namen auf Grund und Boden festhaften, ist es ein ziemlich sicherer Schluß daß da, wo jetzt keine mehr zu finden, auch in alten Zeiten keine waren. Nun kömmt aber die Erscheinung, daß die Höhen mit vordeutschen, die Niederungen dagegen mit deutschen Namen besetzt sind, noch an mehreren Stellen vor, immer aber, wie im Patznaun, im Oetzthale in Verbindung mit der Sage, daß der Thalgrund See gewesen. Wir können wohl ohne Gefahr diese Analogie auch auf das Lechthal ausdehnen, und wie an andern Orten behaupten daß die Ebene erst zugänglich geworden, als die Deutschen in das Land drangen. Daraus ergibt sich denn der Satz daß die Bewohner der am Bach gelegenen Orte auf einem Boden sich niedergelassen haben, der früher keine Ansiedler hatte, während die Hirten von Madau, Gramais, Vschlabs, Pfafflar u. s. w. in ursprünglich rhätoromanischen Dörfern sitzen.

Die Männer im Lechthale führen keine Bauerntracht mehr, sondern kleiden sich besser oder schlechter wie die Bürger in den Städten. Die Frauen haben da nicht ganz gleichen Schritt gehalten, vielmehr sich ihre eigenen Moden geschaffen, die indessen bis auf Weniges ziemlich neuen Ursprungs scheinen. Die reichern Weiber tragen wie noch manche Bürgersfrau im übrigen Tirol einen langhaarigen Männerhut, die „minderen" eine Art Bärenmütze. Der Wohlstand bricht sowohl in den kostbaren Stoffen zu Tage aus, als auch in dem reichen Geschmeide, in goldenen Brustketten, Ohrgehängen, Sackuhren, Fingerringen.

Das kleine Thal Pfafflar, zwischen Elmen und Imst, zeichnete sich, wie Staffler sagt, in ältern Zeiten durch eine ganz besondere Kleidung der Weiber aus, die in einem Anzuge von weißem Loden, einer nonnenähnlichen Verhüllung des Halses und einem Filzhute ohne Krämpen bestand. In dieser Gewandung erscheinen die Pfafflarerinnen auch auf ältern

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[27/0032] gegangt, geschoßt, gesitzt u. s. w. Die Thalsohle am Lech weist von Reute bis Steg nur deutsche Ortsnamen, auf dem südlichen Gebirge dagegen auch undeutsche, romanische, wie Almajur (bei Steg) Alp major, noch mehr aber rhätische, wie Parseier, Parsal, Parzin, Gramais u. s. w. Bei der Zähigkeit mit welcher diese vordeutschen Namen auf Grund und Boden festhaften, ist es ein ziemlich sicherer Schluß daß da, wo jetzt keine mehr zu finden, auch in alten Zeiten keine waren. Nun kömmt aber die Erscheinung, daß die Höhen mit vordeutschen, die Niederungen dagegen mit deutschen Namen besetzt sind, noch an mehreren Stellen vor, immer aber, wie im Patznaun, im Oetzthale in Verbindung mit der Sage, daß der Thalgrund See gewesen. Wir können wohl ohne Gefahr diese Analogie auch auf das Lechthal ausdehnen, und wie an andern Orten behaupten daß die Ebene erst zugänglich geworden, als die Deutschen in das Land drangen. Daraus ergibt sich denn der Satz daß die Bewohner der am Bach gelegenen Orte auf einem Boden sich niedergelassen haben, der früher keine Ansiedler hatte, während die Hirten von Madau, Gramais, Vschlabs, Pfafflar u. s. w. in ursprünglich rhätoromanischen Dörfern sitzen. Die Männer im Lechthale führen keine Bauerntracht mehr, sondern kleiden sich besser oder schlechter wie die Bürger in den Städten. Die Frauen haben da nicht ganz gleichen Schritt gehalten, vielmehr sich ihre eigenen Moden geschaffen, die indessen bis auf Weniges ziemlich neuen Ursprungs scheinen. Die reichern Weiber tragen wie noch manche Bürgersfrau im übrigen Tirol einen langhaarigen Männerhut, die „minderen" eine Art Bärenmütze. Der Wohlstand bricht sowohl in den kostbaren Stoffen zu Tage aus, als auch in dem reichen Geschmeide, in goldenen Brustketten, Ohrgehängen, Sackuhren, Fingerringen. Das kleine Thal Pfafflar, zwischen Elmen und Imst, zeichnete sich, wie Staffler sagt, in ältern Zeiten durch eine ganz besondere Kleidung der Weiber aus, die in einem Anzuge von weißem Loden, einer nonnenähnlichen Verhüllung des Halses und einem Filzhute ohne Krämpen bestand. In dieser Gewandung erscheinen die Pfafflarerinnen auch auf ältern

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/32>, abgerufen am 24.04.2024.