Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Familie aus Wälschland heraus in seine deutsche Villa. Diese bewahrt noch ein schöngetäfeltes Prunkzimmer aus den Zeiten der Planta von Wildenberg; das übrige hat der jetzige Eigner neu und schmuckvoll hergestellt, so daß es ein reizender Sommeraufenthalt geworden. Um den Hof geht nunmehr eine hohe Mauer mit zackigen Zinnen, damit der Ansitz wieder burgmäßig auf Meran herabschaue. Gegen Aufgang von diesem Landhause liegt in einem heimlichen Thälchen, in einer grünen Wiese, die von Weinbergen umgeben ist, die kleine Kirche St. Valentin. Der Heilige dieses Namens war ein Apostel der Rhätier, der auch zu Passau gepredigt haben soll. Er starb 470 zu Mais und wurde hier begraben. Auch Corbinian fand da seine Ruhestätte. Herzog Tassilo von Bayern beschloß 769 auf dem Tage zu Bozen die Uebertragung der Gebeine St. Valentins nach Passau. Bischof Aribo führte dann auch die des heiligen Corbinian nach Freising. Diesen beiden Heiligen verdankt man, daß in jenen Jahrhunderten ein hellerer Lichtstrahl auf die Gegend von Mais fällt. Aribo, der das Leben Corbinians schrieb und sein dritter Nachfolger wurde, war selbst ein Bürgerssohn aus dem Castrum Majense, und so weiß man denn nicht allein von verschiedenen Reisen der Heidenbekehrer, von Kriegszügen der Bojoaren und Longobarden, von Niederlassungen, Predigten, Sterbfällen, Leichenbegängnissen, sondern auch ein für heutige Localblätter prächtiges Unglück, nämlich daß Aribo, als Knabe, im achten Jahrhundert von der Stadtmauer hoch herab in die Passer gestürzt, aber gleichwohl unversehrt davongekommen ist.



Passeyer und Ulten.


Wenige Fremde gehen von Meran, ohne einen Ausflug nach Passeyer gemacht zu haben, zur Heimath Andreas Hofers, des Sandwirths und Obercommandanten von Tirol. Sie ist

Familie aus Wälschland heraus in seine deutsche Villa. Diese bewahrt noch ein schöngetäfeltes Prunkzimmer aus den Zeiten der Planta von Wildenberg; das übrige hat der jetzige Eigner neu und schmuckvoll hergestellt, so daß es ein reizender Sommeraufenthalt geworden. Um den Hof geht nunmehr eine hohe Mauer mit zackigen Zinnen, damit der Ansitz wieder burgmäßig auf Meran herabschaue. Gegen Aufgang von diesem Landhause liegt in einem heimlichen Thälchen, in einer grünen Wiese, die von Weinbergen umgeben ist, die kleine Kirche St. Valentin. Der Heilige dieses Namens war ein Apostel der Rhätier, der auch zu Passau gepredigt haben soll. Er starb 470 zu Mais und wurde hier begraben. Auch Corbinian fand da seine Ruhestätte. Herzog Tassilo von Bayern beschloß 769 auf dem Tage zu Bozen die Uebertragung der Gebeine St. Valentins nach Passau. Bischof Aribo führte dann auch die des heiligen Corbinian nach Freising. Diesen beiden Heiligen verdankt man, daß in jenen Jahrhunderten ein hellerer Lichtstrahl auf die Gegend von Mais fällt. Aribo, der das Leben Corbinians schrieb und sein dritter Nachfolger wurde, war selbst ein Bürgerssohn aus dem Castrum Majense, und so weiß man denn nicht allein von verschiedenen Reisen der Heidenbekehrer, von Kriegszügen der Bojoaren und Longobarden, von Niederlassungen, Predigten, Sterbfällen, Leichenbegängnissen, sondern auch ein für heutige Localblätter prächtiges Unglück, nämlich daß Aribo, als Knabe, im achten Jahrhundert von der Stadtmauer hoch herab in die Passer gestürzt, aber gleichwohl unversehrt davongekommen ist.



Passeyer und Ulten.


Wenige Fremde gehen von Meran, ohne einen Ausflug nach Passeyer gemacht zu haben, zur Heimath Andreas Hofers, des Sandwirths und Obercommandanten von Tirol. Sie ist

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0350" n="346"/>
Familie aus Wälschland heraus in seine deutsche Villa. Diese bewahrt noch ein schöngetäfeltes Prunkzimmer aus den Zeiten der Planta von Wildenberg; das übrige hat der jetzige Eigner neu und schmuckvoll hergestellt, so daß es ein reizender Sommeraufenthalt geworden. Um den Hof geht nunmehr eine hohe Mauer mit zackigen Zinnen, damit der Ansitz wieder burgmäßig auf Meran herabschaue. Gegen Aufgang von diesem Landhause liegt in einem heimlichen Thälchen, in einer grünen Wiese, die von Weinbergen umgeben ist, die kleine Kirche St. Valentin. Der Heilige dieses Namens war ein Apostel der Rhätier, der auch zu Passau gepredigt haben soll. Er starb 470 zu Mais und wurde hier begraben. Auch Corbinian fand da seine Ruhestätte. Herzog Tassilo von Bayern beschloß 769 auf dem Tage zu Bozen die Uebertragung der Gebeine St. Valentins nach Passau. Bischof Aribo führte dann auch die des heiligen Corbinian nach Freising. Diesen beiden Heiligen verdankt man, daß in jenen Jahrhunderten ein hellerer Lichtstrahl auf die Gegend von Mais fällt. Aribo, der das Leben Corbinians schrieb und sein dritter Nachfolger wurde, war selbst ein Bürgerssohn aus dem <hi rendition="#aq">Castrum Majense,</hi> und so weiß man denn nicht allein von verschiedenen Reisen der Heidenbekehrer, von Kriegszügen der Bojoaren und Longobarden, von Niederlassungen, Predigten, Sterbfällen, Leichenbegängnissen, sondern auch ein für heutige Localblätter prächtiges Unglück, nämlich daß Aribo, als Knabe, im achten Jahrhundert von der Stadtmauer hoch herab in die Passer gestürzt, aber gleichwohl unversehrt davongekommen ist.</p>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head>Passeyer und Ulten.</head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Wenige Fremde gehen von Meran, ohne einen Ausflug nach Passeyer gemacht zu haben, zur Heimath Andreas Hofers, des Sandwirths und Obercommandanten von Tirol. Sie ist
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0350] Familie aus Wälschland heraus in seine deutsche Villa. Diese bewahrt noch ein schöngetäfeltes Prunkzimmer aus den Zeiten der Planta von Wildenberg; das übrige hat der jetzige Eigner neu und schmuckvoll hergestellt, so daß es ein reizender Sommeraufenthalt geworden. Um den Hof geht nunmehr eine hohe Mauer mit zackigen Zinnen, damit der Ansitz wieder burgmäßig auf Meran herabschaue. Gegen Aufgang von diesem Landhause liegt in einem heimlichen Thälchen, in einer grünen Wiese, die von Weinbergen umgeben ist, die kleine Kirche St. Valentin. Der Heilige dieses Namens war ein Apostel der Rhätier, der auch zu Passau gepredigt haben soll. Er starb 470 zu Mais und wurde hier begraben. Auch Corbinian fand da seine Ruhestätte. Herzog Tassilo von Bayern beschloß 769 auf dem Tage zu Bozen die Uebertragung der Gebeine St. Valentins nach Passau. Bischof Aribo führte dann auch die des heiligen Corbinian nach Freising. Diesen beiden Heiligen verdankt man, daß in jenen Jahrhunderten ein hellerer Lichtstrahl auf die Gegend von Mais fällt. Aribo, der das Leben Corbinians schrieb und sein dritter Nachfolger wurde, war selbst ein Bürgerssohn aus dem Castrum Majense, und so weiß man denn nicht allein von verschiedenen Reisen der Heidenbekehrer, von Kriegszügen der Bojoaren und Longobarden, von Niederlassungen, Predigten, Sterbfällen, Leichenbegängnissen, sondern auch ein für heutige Localblätter prächtiges Unglück, nämlich daß Aribo, als Knabe, im achten Jahrhundert von der Stadtmauer hoch herab in die Passer gestürzt, aber gleichwohl unversehrt davongekommen ist. Passeyer und Ulten. Wenige Fremde gehen von Meran, ohne einen Ausflug nach Passeyer gemacht zu haben, zur Heimath Andreas Hofers, des Sandwirths und Obercommandanten von Tirol. Sie ist

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-05T13:27:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-05T13:27:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-05T13:27:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche werden als Halbgeviertstriche wiedergegeben.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/350
Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/350>, abgerufen am 20.04.2024.