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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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Seit dieser Zeit ist auch ein Pfarrer hergesetzt für die weit zerstreute Gemeinde, deren letzte Hütten anderthalb Stunden weit oben an den Halden kleben. Im Winter hat der gerufene Seelsorger mit den besten Schneeschuhen und bei der genauesten Kunde der Wege oft einen halben Tag zu thun, ehe er sich durch den frischgefallenen Schnee dahinaufarbeitet.

Indessen kommt, Gott sey Dank, zuweilen auch der Schrecken zu lustigen Tagen. Der Wirth daselbst führt in seinem Keller einen fürtrefflichen und edlen Velteliner, und im Bregenzerwalde ist mehr als ein Ehrenmann zu treffen, der sich an einen fröhlichen Abend im Schrecken erinnern kann.

Von hier geht's in erträglicher Senkung durch den Tobel abwärts auf Fußsteigen, die dem Wanderer nach dem schwindelnden Sprung von der Krumbacher Höhe herunter bequem und gemächlich erscheinen, obgleich es auch nur schmale holperige Alpenpfade sind. Der "Schrecken" verläßt uns aber doch nicht ganz; es gibt Stellen in dieser Schlucht wo er sehr lebhaft wieder ins Gedächtniß tritt. Eine davon ist gar schauerlich. Der Steig geht durch eine dunkelschattige Enge, wo die ungeheuern Blöcke eines eingebrochenen Grates noch im Wege stehen, und gigantische Fichten, die zerknickt zwischen und unter den Steinen liegen, die Verheerung bezeugen. Unten im tiefen Schacht braust die Ache, und drüben steigt, ganz nahe, ein spitziges Felsenjoch empor, an dem die Tannen wie Spieße übereinander hinaufwachsen.

Nach einer Stunde wird das Hopferebner Bad erreicht, der erste Ort des Bregenzer Hinterwaldes, einer von den ländlichen Brunnenorten, deren es in Tirol und Vorarlberg wohl über ein Hundert gibt. Es ist ein dreistöckiges hölzernes Gebäude, einsam gelegen in der waldigen Wildniß. Unter dem Wohnhaus ist ein Schoppen, in welchen die Quelle vom Berg aus durch lange Rinnen geleitet wird, und in diesem Schoppen sind die Bäder, zwei Reihen von hölzernen Wannen in einer großen Badstube. Diesseits ist's für die Männer, jenseits für die Weiber; zwischen den feindlichen Lagern hindurch geht eine leinene Wand. Das Wasser zu Hopfereben ist schwefelhaltig und hilft gegen Hautkrankheiten, Gicht und

Seit dieser Zeit ist auch ein Pfarrer hergesetzt für die weit zerstreute Gemeinde, deren letzte Hütten anderthalb Stunden weit oben an den Halden kleben. Im Winter hat der gerufene Seelsorger mit den besten Schneeschuhen und bei der genauesten Kunde der Wege oft einen halben Tag zu thun, ehe er sich durch den frischgefallenen Schnee dahinaufarbeitet.

Indessen kommt, Gott sey Dank, zuweilen auch der Schrecken zu lustigen Tagen. Der Wirth daselbst führt in seinem Keller einen fürtrefflichen und edlen Velteliner, und im Bregenzerwalde ist mehr als ein Ehrenmann zu treffen, der sich an einen fröhlichen Abend im Schrecken erinnern kann.

Von hier geht’s in erträglicher Senkung durch den Tobel abwärts auf Fußsteigen, die dem Wanderer nach dem schwindelnden Sprung von der Krumbacher Höhe herunter bequem und gemächlich erscheinen, obgleich es auch nur schmale holperige Alpenpfade sind. Der „Schrecken" verläßt uns aber doch nicht ganz; es gibt Stellen in dieser Schlucht wo er sehr lebhaft wieder ins Gedächtniß tritt. Eine davon ist gar schauerlich. Der Steig geht durch eine dunkelschattige Enge, wo die ungeheuern Blöcke eines eingebrochenen Grates noch im Wege stehen, und gigantische Fichten, die zerknickt zwischen und unter den Steinen liegen, die Verheerung bezeugen. Unten im tiefen Schacht braust die Ache, und drüben steigt, ganz nahe, ein spitziges Felsenjoch empor, an dem die Tannen wie Spieße übereinander hinaufwachsen.

Nach einer Stunde wird das Hopferebner Bad erreicht, der erste Ort des Bregenzer Hinterwaldes, einer von den ländlichen Brunnenorten, deren es in Tirol und Vorarlberg wohl über ein Hundert gibt. Es ist ein dreistöckiges hölzernes Gebäude, einsam gelegen in der waldigen Wildniß. Unter dem Wohnhaus ist ein Schoppen, in welchen die Quelle vom Berg aus durch lange Rinnen geleitet wird, und in diesem Schoppen sind die Bäder, zwei Reihen von hölzernen Wannen in einer großen Badstube. Diesseits ist’s für die Männer, jenseits für die Weiber; zwischen den feindlichen Lagern hindurch geht eine leinene Wand. Das Wasser zu Hopfereben ist schwefelhaltig und hilft gegen Hautkrankheiten, Gicht und

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[37/0042] Seit dieser Zeit ist auch ein Pfarrer hergesetzt für die weit zerstreute Gemeinde, deren letzte Hütten anderthalb Stunden weit oben an den Halden kleben. Im Winter hat der gerufene Seelsorger mit den besten Schneeschuhen und bei der genauesten Kunde der Wege oft einen halben Tag zu thun, ehe er sich durch den frischgefallenen Schnee dahinaufarbeitet. Indessen kommt, Gott sey Dank, zuweilen auch der Schrecken zu lustigen Tagen. Der Wirth daselbst führt in seinem Keller einen fürtrefflichen und edlen Velteliner, und im Bregenzerwalde ist mehr als ein Ehrenmann zu treffen, der sich an einen fröhlichen Abend im Schrecken erinnern kann. Von hier geht’s in erträglicher Senkung durch den Tobel abwärts auf Fußsteigen, die dem Wanderer nach dem schwindelnden Sprung von der Krumbacher Höhe herunter bequem und gemächlich erscheinen, obgleich es auch nur schmale holperige Alpenpfade sind. Der „Schrecken" verläßt uns aber doch nicht ganz; es gibt Stellen in dieser Schlucht wo er sehr lebhaft wieder ins Gedächtniß tritt. Eine davon ist gar schauerlich. Der Steig geht durch eine dunkelschattige Enge, wo die ungeheuern Blöcke eines eingebrochenen Grates noch im Wege stehen, und gigantische Fichten, die zerknickt zwischen und unter den Steinen liegen, die Verheerung bezeugen. Unten im tiefen Schacht braust die Ache, und drüben steigt, ganz nahe, ein spitziges Felsenjoch empor, an dem die Tannen wie Spieße übereinander hinaufwachsen. Nach einer Stunde wird das Hopferebner Bad erreicht, der erste Ort des Bregenzer Hinterwaldes, einer von den ländlichen Brunnenorten, deren es in Tirol und Vorarlberg wohl über ein Hundert gibt. Es ist ein dreistöckiges hölzernes Gebäude, einsam gelegen in der waldigen Wildniß. Unter dem Wohnhaus ist ein Schoppen, in welchen die Quelle vom Berg aus durch lange Rinnen geleitet wird, und in diesem Schoppen sind die Bäder, zwei Reihen von hölzernen Wannen in einer großen Badstube. Diesseits ist’s für die Männer, jenseits für die Weiber; zwischen den feindlichen Lagern hindurch geht eine leinene Wand. Das Wasser zu Hopfereben ist schwefelhaltig und hilft gegen Hautkrankheiten, Gicht und

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/42>, abgerufen am 25.04.2024.