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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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und Schildaer für andre Gegenden. Ihnen bindet nämlich nachbarliche Schalkheit alles Alberne auf, dessen sie sich gerne selbst entledigen möchte. Die Schwarzenberger Stücklein haben daher einigen Ruf. Wer Lust hat, mag übrigens bei ihnen selbst nachfragen, warum sie sich Bsocher und Psipser nennen lassen müssen.

Weiter abwärts, im äußern Walde, an den Ufern des Subersbaches und der Bolgenach liegen theils in freundlichen Auen, theils an leichtbewaldeten Mittelgebirge noch verschiedene Gemeinden. Dort finden sich aber keine beträchtlichen Dorfschaften mehr, sondern es leben die Einwohner, wie im angränzenden bayerischen Allgau, in kleinen, nahe an einander liegenden Weilern oder in vereinzelten Höfen. In dieser Gegend und zwar zum Hof in Lingenau ist die älteste Pfarre des Waldes im Jahre 1150 gegründet, vom Kloster Mehrerau bei Bregenz, einem Stifte, das um die erste Ausrodung und Bebauung des Waldes große Verdienste hatte.

Die Höhen, welche von außen um den Bregenzerwald herumlaufen, gebieten fast alle über unendliche Fernsichten. Der mählige Abfall des Gebirges, das niedere schwäbische Hügelland, das bis an den Schwarzwald und die rauhe Alp offen daliegt, die schönen Ufer des Bodensees, der glänzende Spiegel des schwäbischen Meeres selbst, die Appenzeller Gebirge und die höhern Bündner Alpen - das alles erlaubt entweder dem Blick in der weiten, reichen Ferne zu schwelgen, oder gibt ihm in der Nähe einen großartigen Schlußstein. Die Lose zwischen Schwarzenberg und Dorenbüren, die Lorenne ober Alberschwende, jede mit einem wunderbaren Ueberblick des schönen Rheinthals, werden um so lieber und öfter begangen, als darüber abkürzende Verbindungswege aus dem Walde an die Rheingestade führen. Der Hochheteri in der Bolgenacher Gemeinde, von dessen Spitze die Städte Augsburg und Ulm zu erschauen sind, wird noch höher gerühmt.

Der Bregenzerwald hatte vor 50 Jahren noch keine fahrbare Straße, keinen fahrbaren Zugang. Es war ein abgeschlossener Park, durch welchen nur Fußpfade führten. Damals zogen die Wälder in reisigen Karawanen von dreißig

und Schildaer für andre Gegenden. Ihnen bindet nämlich nachbarliche Schalkheit alles Alberne auf, dessen sie sich gerne selbst entledigen möchte. Die Schwarzenberger Stücklein haben daher einigen Ruf. Wer Lust hat, mag übrigens bei ihnen selbst nachfragen, warum sie sich Bsocher und Psipser nennen lassen müssen.

Weiter abwärts, im äußern Walde, an den Ufern des Subersbaches und der Bolgenach liegen theils in freundlichen Auen, theils an leichtbewaldeten Mittelgebirge noch verschiedene Gemeinden. Dort finden sich aber keine beträchtlichen Dorfschaften mehr, sondern es leben die Einwohner, wie im angränzenden bayerischen Allgau, in kleinen, nahe an einander liegenden Weilern oder in vereinzelten Höfen. In dieser Gegend und zwar zum Hof in Lingenau ist die älteste Pfarre des Waldes im Jahre 1150 gegründet, vom Kloster Mehrerau bei Bregenz, einem Stifte, das um die erste Ausrodung und Bebauung des Waldes große Verdienste hatte.

Die Höhen, welche von außen um den Bregenzerwald herumlaufen, gebieten fast alle über unendliche Fernsichten. Der mählige Abfall des Gebirges, das niedere schwäbische Hügelland, das bis an den Schwarzwald und die rauhe Alp offen daliegt, die schönen Ufer des Bodensees, der glänzende Spiegel des schwäbischen Meeres selbst, die Appenzeller Gebirge und die höhern Bündner Alpen – das alles erlaubt entweder dem Blick in der weiten, reichen Ferne zu schwelgen, oder gibt ihm in der Nähe einen großartigen Schlußstein. Die Lose zwischen Schwarzenberg und Dorenbüren, die Lorenne ober Alberschwende, jede mit einem wunderbaren Ueberblick des schönen Rheinthals, werden um so lieber und öfter begangen, als darüber abkürzende Verbindungswege aus dem Walde an die Rheingestade führen. Der Hochheteri in der Bolgenacher Gemeinde, von dessen Spitze die Städte Augsburg und Ulm zu erschauen sind, wird noch höher gerühmt.

Der Bregenzerwald hatte vor 50 Jahren noch keine fahrbare Straße, keinen fahrbaren Zugang. Es war ein abgeschlossener Park, durch welchen nur Fußpfade führten. Damals zogen die Wälder in reisigen Karawanen von dreißig

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und Schildaer für andre Gegenden. Ihnen bindet nämlich nachbarliche Schalkheit alles Alberne auf, dessen sie sich gerne selbst entledigen möchte. Die Schwarzenberger Stücklein haben daher einigen Ruf. Wer Lust hat, mag übrigens bei ihnen selbst nachfragen, warum sie sich Bsocher und Psipser nennen lassen müssen.</p>
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[43/0048] und Schildaer für andre Gegenden. Ihnen bindet nämlich nachbarliche Schalkheit alles Alberne auf, dessen sie sich gerne selbst entledigen möchte. Die Schwarzenberger Stücklein haben daher einigen Ruf. Wer Lust hat, mag übrigens bei ihnen selbst nachfragen, warum sie sich Bsocher und Psipser nennen lassen müssen. Weiter abwärts, im äußern Walde, an den Ufern des Subersbaches und der Bolgenach liegen theils in freundlichen Auen, theils an leichtbewaldeten Mittelgebirge noch verschiedene Gemeinden. Dort finden sich aber keine beträchtlichen Dorfschaften mehr, sondern es leben die Einwohner, wie im angränzenden bayerischen Allgau, in kleinen, nahe an einander liegenden Weilern oder in vereinzelten Höfen. In dieser Gegend und zwar zum Hof in Lingenau ist die älteste Pfarre des Waldes im Jahre 1150 gegründet, vom Kloster Mehrerau bei Bregenz, einem Stifte, das um die erste Ausrodung und Bebauung des Waldes große Verdienste hatte. Die Höhen, welche von außen um den Bregenzerwald herumlaufen, gebieten fast alle über unendliche Fernsichten. Der mählige Abfall des Gebirges, das niedere schwäbische Hügelland, das bis an den Schwarzwald und die rauhe Alp offen daliegt, die schönen Ufer des Bodensees, der glänzende Spiegel des schwäbischen Meeres selbst, die Appenzeller Gebirge und die höhern Bündner Alpen – das alles erlaubt entweder dem Blick in der weiten, reichen Ferne zu schwelgen, oder gibt ihm in der Nähe einen großartigen Schlußstein. Die Lose zwischen Schwarzenberg und Dorenbüren, die Lorenne ober Alberschwende, jede mit einem wunderbaren Ueberblick des schönen Rheinthals, werden um so lieber und öfter begangen, als darüber abkürzende Verbindungswege aus dem Walde an die Rheingestade führen. Der Hochheteri in der Bolgenacher Gemeinde, von dessen Spitze die Städte Augsburg und Ulm zu erschauen sind, wird noch höher gerühmt. Der Bregenzerwald hatte vor 50 Jahren noch keine fahrbare Straße, keinen fahrbaren Zugang. Es war ein abgeschlossener Park, durch welchen nur Fußpfade führten. Damals zogen die Wälder in reisigen Karawanen von dreißig

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/48>, abgerufen am 25.04.2024.