Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorrede.

Es ist einmal gegen mich bemerkt worden, daß ich
nur das Kleine bilde, und daß meine Menschen stets
gewöhnliche Menschen seien. Wenn das wahr ist, bin
ich heute in der Lage, den Lesern ein noch Kleineres
und Unbedeutenderes an zu bieten, nehmlich allerlei
Spielereien für junge Herzen. Es soll sogar in
denselben nicht einmal Tugend und Sitte geprediget
werden, wie es gebräuchlich ist, sondern sie sollen
nur durch das wirken, was sie sind. Wenn etwas
Edles und Gutes in mir ist, so wird es von selber
in meinen Schriften liegen; wenn aber dasselbe nicht
in meinem Gemüthe ist, so werde ich mich vergeblich
bemühen, Hohes und Schönes darzustellen, es wird
doch immer das Niedrige und Unedle durchscheinen.
Großes oder Kleines zu bilden hatte ich bei meinen
Schriften überhaupt nie im Sinne, ich wurde von
ganz anderen Gesezen geleitet. Die Kunst ist mir ein

Stifter, Jugendschriften. I. 1
Vorrede.

Es iſt einmal gegen mich bemerkt worden, daß ich
nur das Kleine bilde, und daß meine Menſchen ſtets
gewöhnliche Menſchen ſeien. Wenn das wahr iſt, bin
ich heute in der Lage, den Leſern ein noch Kleineres
und Unbedeutenderes an zu bieten, nehmlich allerlei
Spielereien für junge Herzen. Es ſoll ſogar in
denſelben nicht einmal Tugend und Sitte geprediget
werden, wie es gebräuchlich iſt, ſondern ſie ſollen
nur durch das wirken, was ſie ſind. Wenn etwas
Edles und Gutes in mir iſt, ſo wird es von ſelber
in meinen Schriften liegen; wenn aber dasſelbe nicht
in meinem Gemüthe iſt, ſo werde ich mich vergeblich
bemühen, Hohes und Schönes darzuſtellen, es wird
doch immer das Niedrige und Unedle durchſcheinen.
Großes oder Kleines zu bilden hatte ich bei meinen
Schriften überhaupt nie im Sinne, ich wurde von
ganz anderen Geſezen geleitet. Die Kunſt iſt mir ein

Stifter, Jugendſchriften. I. 1
<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0014" n="[1]"/>
    <body>
      <div type="preface" n="1">
        <head> <hi rendition="#b #g">Vorrede.</hi><lb/>
        </head>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Es i&#x017F;t einmal gegen mich bemerkt worden, daß ich<lb/>
nur das Kleine bilde, und daß meine Men&#x017F;chen &#x017F;tets<lb/>
gewöhnliche Men&#x017F;chen &#x017F;eien. Wenn das wahr i&#x017F;t, bin<lb/>
ich heute in der Lage, den Le&#x017F;ern ein noch Kleineres<lb/>
und Unbedeutenderes an zu bieten, nehmlich allerlei<lb/>
Spielereien für junge Herzen. Es &#x017F;oll &#x017F;ogar in<lb/>
den&#x017F;elben nicht einmal Tugend und Sitte geprediget<lb/>
werden, wie es gebräuchlich i&#x017F;t, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ollen<lb/>
nur durch das wirken, was &#x017F;ie &#x017F;ind. Wenn etwas<lb/>
Edles und Gutes in mir i&#x017F;t, &#x017F;o wird es von &#x017F;elber<lb/>
in meinen Schriften liegen; wenn aber das&#x017F;elbe nicht<lb/>
in meinem Gemüthe i&#x017F;t, &#x017F;o werde ich mich vergeblich<lb/>
bemühen, Hohes und Schönes darzu&#x017F;tellen, es wird<lb/>
doch immer das Niedrige und Unedle durch&#x017F;cheinen.<lb/>
Großes oder Kleines zu bilden hatte ich bei meinen<lb/>
Schriften überhaupt nie im Sinne, ich wurde von<lb/>
ganz anderen Ge&#x017F;ezen geleitet. Die Kun&#x017F;t i&#x017F;t mir ein<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Stifter, Jugend&#x017F;chriften. I. 1<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[1]/0014] Vorrede. Es iſt einmal gegen mich bemerkt worden, daß ich nur das Kleine bilde, und daß meine Menſchen ſtets gewöhnliche Menſchen ſeien. Wenn das wahr iſt, bin ich heute in der Lage, den Leſern ein noch Kleineres und Unbedeutenderes an zu bieten, nehmlich allerlei Spielereien für junge Herzen. Es ſoll ſogar in denſelben nicht einmal Tugend und Sitte geprediget werden, wie es gebräuchlich iſt, ſondern ſie ſollen nur durch das wirken, was ſie ſind. Wenn etwas Edles und Gutes in mir iſt, ſo wird es von ſelber in meinen Schriften liegen; wenn aber dasſelbe nicht in meinem Gemüthe iſt, ſo werde ich mich vergeblich bemühen, Hohes und Schönes darzuſtellen, es wird doch immer das Niedrige und Unedle durchſcheinen. Großes oder Kleines zu bilden hatte ich bei meinen Schriften überhaupt nie im Sinne, ich wurde von ganz anderen Geſezen geleitet. Die Kunſt iſt mir ein Stifter, Jugendſchriften. I. 1

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/14
Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/14>, abgerufen am 14.10.2024.