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Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853.

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Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit Einfachheit Be¬
zwingung seiner selbst Verstandesgemäßheit Wirksam¬
keit in seinem Kreise Bewunderung des Schönen ver¬
bunden mit einem heiteren gelassenen Sterben halte
ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemüthes
furchtbar einherrollenden Zorn die Begier nach Rache
den entzündeten Geist, der nach Thätigkeit strebt,
umreißt, ändert, zerstört, und in der Erregung oft das
eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, son¬
dern für kleiner, da diese Dinge so gut nur Hervor¬
bringungen einzelner und einseitiger Kräfte sind, wie
Stürme feuerspeiende Berge Erdbeben. Wir wollen
das sanfte Gesez zu erbliken suchen, wodurch das
menschliche Geschlecht geleitet wird. Es gibt Kräfte
die nach dem Bestehen des Einzelnen zielen. Sie neh¬
men alles und verwenden es, was zum Bestehen und
zum Entwikeln desselben nothwendig ist. Sie sichern
den Bestand des Einen und dadurch den Aller. Wenn
aber Jemand jedes Ding unbedingt an sich reißt, was
sein Wesen braucht, wenn er die Bedingungen des
Daseins eines Anderen zerstört, so ergrimmt etwas
Höheres in uns, wir helfen dem Schwachen und
Unterdrükten, wir stellen den Stand wieder her, daß
er ein Mensch neben dem Andern bestehe, und
seine menschliche Bahn gehen könne, und wenn wir

Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit Einfachheit Be¬
zwingung ſeiner ſelbſt Verſtandesgemäßheit Wirkſam¬
keit in ſeinem Kreiſe Bewunderung des Schönen ver¬
bunden mit einem heiteren gelaſſenen Sterben halte
ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemüthes
furchtbar einherrollenden Zorn die Begier nach Rache
den entzündeten Geiſt, der nach Thätigkeit ſtrebt,
umreißt, ändert, zerſtört, und in der Erregung oft das
eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, ſon¬
dern für kleiner, da dieſe Dinge ſo gut nur Hervor¬
bringungen einzelner und einſeitiger Kräfte ſind, wie
Stürme feuerſpeiende Berge Erdbeben. Wir wollen
das ſanfte Geſez zu erbliken ſuchen, wodurch das
menſchliche Geſchlecht geleitet wird. Es gibt Kräfte
die nach dem Beſtehen des Einzelnen zielen. Sie neh¬
men alles und verwenden es, was zum Beſtehen und
zum Entwikeln desſelben nothwendig iſt. Sie ſichern
den Beſtand des Einen und dadurch den Aller. Wenn
aber Jemand jedes Ding unbedingt an ſich reißt, was
ſein Weſen braucht, wenn er die Bedingungen des
Daſeins eines Anderen zerſtört, ſo ergrimmt etwas
Höheres in uns, wir helfen dem Schwachen und
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[6/0019] Ein ganzes Leben voll Gerechtigkeit Einfachheit Be¬ zwingung ſeiner ſelbſt Verſtandesgemäßheit Wirkſam¬ keit in ſeinem Kreiſe Bewunderung des Schönen ver¬ bunden mit einem heiteren gelaſſenen Sterben halte ich für groß: mächtige Bewegungen des Gemüthes furchtbar einherrollenden Zorn die Begier nach Rache den entzündeten Geiſt, der nach Thätigkeit ſtrebt, umreißt, ändert, zerſtört, und in der Erregung oft das eigene Leben hinwirft, halte ich nicht für größer, ſon¬ dern für kleiner, da dieſe Dinge ſo gut nur Hervor¬ bringungen einzelner und einſeitiger Kräfte ſind, wie Stürme feuerſpeiende Berge Erdbeben. Wir wollen das ſanfte Geſez zu erbliken ſuchen, wodurch das menſchliche Geſchlecht geleitet wird. Es gibt Kräfte die nach dem Beſtehen des Einzelnen zielen. Sie neh¬ men alles und verwenden es, was zum Beſtehen und zum Entwikeln desſelben nothwendig iſt. Sie ſichern den Beſtand des Einen und dadurch den Aller. Wenn aber Jemand jedes Ding unbedingt an ſich reißt, was ſein Weſen braucht, wenn er die Bedingungen des Daſeins eines Anderen zerſtört, ſo ergrimmt etwas Höheres in uns, wir helfen dem Schwachen und Unterdrükten, wir ſtellen den Stand wieder her, daß er ein Menſch neben dem Andern beſtehe, und ſeine menſchliche Bahn gehen könne, und wenn wir

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Bunte Steine. Bd. 1. Pest u. a., 1853, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_steine01_1853/19>, abgerufen am 19.04.2024.