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Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852.

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Immensee.

Wiederum waren Jahre vorüber. -- Auf einem
abwärts führenden schattigen Waldwege wanderte an
einem warmen Frühlingsnachmittage ein junger Mann
mit kräftigem, gebräuntem Antlitz. Mit seinen ernsten
grauen Augen sah er gespannt in die Ferne, als er¬
warte er endlich eine Veränderung des einförmigen
Weges, die jedoch immer nicht eintreten wollte. Endlich
kam ein Karrenfuhrwerk langsam von unten herauf.
Holla! guter Freund, rief der Wanderer dem neben¬
gehenden Bauer zu, geht's hier recht nach Immensee?

Immer gerad' aus; antwortete der Mann, und
rückte an seinem Rundhute.

Hat's denn noch weit bis dahin?

Der Herr ist dicht davor. Keine halbe Pfeif' Toback,
so haben's den See; das Herrenhaus liegt hart daran.

Der Bauer fuhr vorüber; der Andere ging eiliger
unter den Bäumen entlang. Nach einer Viertelstunde
hörte ihm zur Linken plötzlich der Schatten auf; der
Weg führte an einem Abhang, aus dem die Gipfel
hundertjähriger Eichen nur kaum hervorragten. Ueber

Immenſee.

Wiederum waren Jahre vorüber. — Auf einem
abwärts führenden ſchattigen Waldwege wanderte an
einem warmen Frühlingsnachmittage ein junger Mann
mit kräftigem, gebräuntem Antlitz. Mit ſeinen ernſten
grauen Augen ſah er geſpannt in die Ferne, als er¬
warte er endlich eine Veränderung des einförmigen
Weges, die jedoch immer nicht eintreten wollte. Endlich
kam ein Karrenfuhrwerk langſam von unten herauf.
Holla! guter Freund, rief der Wanderer dem neben¬
gehenden Bauer zu, geht's hier recht nach Immenſee?

Immer gerad' aus; antwortete der Mann, und
rückte an ſeinem Rundhute.

Hat's denn noch weit bis dahin?

Der Herr iſt dicht davor. Keine halbe Pfeif' Toback,
ſo haben's den See; das Herrenhaus liegt hart daran.

Der Bauer fuhr vorüber; der Andere ging eiliger
unter den Bäumen entlang. Nach einer Viertelſtunde
hörte ihm zur Linken plötzlich der Schatten auf; der
Weg führte an einem Abhang, aus dem die Gipfel
hundertjähriger Eichen nur kaum hervorragten. Ueber

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[38/0044] Immenſee. Wiederum waren Jahre vorüber. — Auf einem abwärts führenden ſchattigen Waldwege wanderte an einem warmen Frühlingsnachmittage ein junger Mann mit kräftigem, gebräuntem Antlitz. Mit ſeinen ernſten grauen Augen ſah er geſpannt in die Ferne, als er¬ warte er endlich eine Veränderung des einförmigen Weges, die jedoch immer nicht eintreten wollte. Endlich kam ein Karrenfuhrwerk langſam von unten herauf. Holla! guter Freund, rief der Wanderer dem neben¬ gehenden Bauer zu, geht's hier recht nach Immenſee? Immer gerad' aus; antwortete der Mann, und rückte an ſeinem Rundhute. Hat's denn noch weit bis dahin? Der Herr iſt dicht davor. Keine halbe Pfeif' Toback, ſo haben's den See; das Herrenhaus liegt hart daran. Der Bauer fuhr vorüber; der Andere ging eiliger unter den Bäumen entlang. Nach einer Viertelſtunde hörte ihm zur Linken plötzlich der Schatten auf; der Weg führte an einem Abhang, aus dem die Gipfel hundertjähriger Eichen nur kaum hervorragten. Ueber

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Zitationshilfe: Storm, Theodor: Immensee. Berlin, 1852, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/storm_immensee_1852/44>, abgerufen am 18.04.2024.