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Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

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auserlesene, mit den Theorien einer wissenschaftlichen Religionsphilosophie vertraute Zuhörerschaft um sich geschart hatte, war er in dieser Provinz auf Unwissenheit und Gleichgültigkeit gegen seine tiefen Probleme gestoßen. Er hatte eine Art von Dezentralisation des modernen Religionsunterrichtes versucht, in der Hoffnung, in dieser, aus den verschiedensten Kreisen stammenden Zuhörerschaft, genug geistig hochstehende Elemente zu finden, die sich zu einem festen Kern zusammenschließen ließen, fähig, den Keim seiner Lehre zu empfangen und weiterzutragen.

Seine Predigten bewegten sich nicht im Buchstaben, sondern im Geiste des Dogmas. Seine Lieblingsgleichnisse waren dem Wortschatz der Wissenschaften entnommen, seine Rede endete in lyrischem Schwung, dessen Poesie der Mehrzahl verständlich war.

Obgleich die Geistlichkeit diese ungewohnte Art zu predigen kühl aufnahm, oder vielleicht gerade aus diesem Grunde, gewann Pater Patry schnell die Sympathien der Männer. Zuerst scharten sie sich aus Neugierde um seine Kanzel, dann kamen sie aus Interesse eifrig wieder. Bei den Frauen wäre er beinahe gescheitert infolge jenes umgekehrten Snobismus, der den Provinzlerinnen eigen zu sein pflegt.

auserlesene, mit den Theorien einer wissenschaftlichen Religionsphilosophie vertraute Zuhörerschaft um sich geschart hatte, war er in dieser Provinz auf Unwissenheit und Gleichgültigkeit gegen seine tiefen Probleme gestoßen. Er hatte eine Art von Dezentralisation des modernen Religionsunterrichtes versucht, in der Hoffnung, in dieser, aus den verschiedensten Kreisen stammenden Zuhörerschaft, genug geistig hochstehende Elemente zu finden, die sich zu einem festen Kern zusammenschließen ließen, fähig, den Keim seiner Lehre zu empfangen und weiterzutragen.

Seine Predigten bewegten sich nicht im Buchstaben, sondern im Geiste des Dogmas. Seine Lieblingsgleichnisse waren dem Wortschatz der Wissenschaften entnommen, seine Rede endete in lyrischem Schwung, dessen Poesie der Mehrzahl verständlich war.

Obgleich die Geistlichkeit diese ungewohnte Art zu predigen kühl aufnahm, oder vielleicht gerade aus diesem Grunde, gewann Pater Patry schnell die Sympathien der Männer. Zuerst scharten sie sich aus Neugierde um seine Kanzel, dann kamen sie aus Interesse eifrig wieder. Bei den Frauen wäre er beinahe gescheitert infolge jenes umgekehrten Snobismus, der den Provinzlerinnen eigen zu sein pflegt.

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[116/0117] auserlesene, mit den Theorien einer wissenschaftlichen Religionsphilosophie vertraute Zuhörerschaft um sich geschart hatte, war er in dieser Provinz auf Unwissenheit und Gleichgültigkeit gegen seine tiefen Probleme gestoßen. Er hatte eine Art von Dezentralisation des modernen Religionsunterrichtes versucht, in der Hoffnung, in dieser, aus den verschiedensten Kreisen stammenden Zuhörerschaft, genug geistig hochstehende Elemente zu finden, die sich zu einem festen Kern zusammenschließen ließen, fähig, den Keim seiner Lehre zu empfangen und weiterzutragen. Seine Predigten bewegten sich nicht im Buchstaben, sondern im Geiste des Dogmas. Seine Lieblingsgleichnisse waren dem Wortschatz der Wissenschaften entnommen, seine Rede endete in lyrischem Schwung, dessen Poesie der Mehrzahl verständlich war. Obgleich die Geistlichkeit diese ungewohnte Art zu predigen kühl aufnahm, oder vielleicht gerade aus diesem Grunde, gewann Pater Patry schnell die Sympathien der Männer. Zuerst scharten sie sich aus Neugierde um seine Kanzel, dann kamen sie aus Interesse eifrig wieder. Bei den Frauen wäre er beinahe gescheitert infolge jenes umgekehrten Snobismus, der den Provinzlerinnen eigen zu sein pflegt.

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Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/117>, abgerufen am 25.04.2024.