Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905

Bild:
<< vorherige Seite

heruntergerissen, die Spitzen und Rüschen abgetreten, die Taille mit Kotillionssträußen geschmückt.

"Wie schön doch dies Kleid war! Wie schnell hat es Schönheit und Frische eingebüßt! Ein Bild des Lebens!"

Da schlug Stella die Augen auf.

"Ah, du bist hier? Guten Morgen, wie geht's? O, weißt du, ich bin hin, zerschlagen!"

"Ich kann mir's denken," antwortete Mira, beugte sich zum jungen Mädchen hin und strich ihr die Haare aus der Stirne. "Hast du dich wenigstens gut unterhalten?"

"Es geht an," antwortete Stella, während der Triumph ihr aus den Augen leuchtete.

"So spät kamst du zurück."

"Ich finde nicht. Die Zeit ist immer zu kurz, wenn man sich unterhält; nur das Unangenehme hält gewöhnlich länger."

"Du sagst dies wegen deiner Freundin Alice?"

Stella stieß ein helles höhnisches Lachen aus. "Ach, hat dir Vater Deaken die Geschichte erzählt? Ich dachte mir Alice nicht als eine so alberne Gans. Arme Alice! Ich hielt sie für vernünftiger, mehr ins Leben eingeweiht."

heruntergerissen, die Spitzen und Rüschen abgetreten, die Taille mit Kotillionssträußen geschmückt.

„Wie schön doch dies Kleid war! Wie schnell hat es Schönheit und Frische eingebüßt! Ein Bild des Lebens!“

Da schlug Stella die Augen auf.

„Ah, du bist hier? Guten Morgen, wie geht’s? O, weißt du, ich bin hin, zerschlagen!“

„Ich kann mir’s denken,“ antwortete Mira, beugte sich zum jungen Mädchen hin und strich ihr die Haare aus der Stirne. „Hast du dich wenigstens gut unterhalten?“

„Es geht an,“ antwortete Stella, während der Triumph ihr aus den Augen leuchtete.

„So spät kamst du zurück.“

„Ich finde nicht. Die Zeit ist immer zu kurz, wenn man sich unterhält; nur das Unangenehme hält gewöhnlich länger.“

„Du sagst dies wegen deiner Freundin Alice?“

Stella stieß ein helles höhnisches Lachen aus. „Ach, hat dir Vater Deaken die Geschichte erzählt? Ich dachte mir Alice nicht als eine so alberne Gans. Arme Alice! Ich hielt sie für vernünftiger, mehr ins Leben eingeweiht.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="98"/>
heruntergerissen, die Spitzen und Rüschen abgetreten, die Taille mit Kotillionssträußen geschmückt.</p>
        <p>&#x201E;Wie schön doch dies Kleid war! Wie schnell hat es Schönheit und Frische eingebüßt! Ein Bild des Lebens!&#x201C;</p>
        <p>Da schlug Stella die Augen auf.</p>
        <p>&#x201E;Ah, du bist hier? Guten Morgen, wie geht&#x2019;s? O, weißt du, ich bin hin, zerschlagen!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ich kann mir&#x2019;s denken,&#x201C; antwortete Mira, beugte sich zum jungen Mädchen hin und strich ihr die Haare aus der Stirne. &#x201E;Hast du dich wenigstens gut unterhalten?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Es geht an,&#x201C; antwortete Stella, während der Triumph ihr aus den Augen leuchtete.</p>
        <p>&#x201E;So spät kamst du zurück.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ich finde nicht. Die Zeit ist immer zu kurz, wenn man sich unterhält; nur das Unangenehme hält gewöhnlich länger.&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Du sagst dies wegen deiner Freundin Alice?&#x201C;</p>
        <p>Stella stieß ein helles höhnisches Lachen aus. &#x201E;Ach, hat dir Vater Deaken die Geschichte erzählt? Ich dachte mir Alice nicht als eine so alberne Gans. Arme Alice! Ich hielt sie für vernünftiger, mehr ins Leben eingeweiht.&#x201C;</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0099] heruntergerissen, die Spitzen und Rüschen abgetreten, die Taille mit Kotillionssträußen geschmückt. „Wie schön doch dies Kleid war! Wie schnell hat es Schönheit und Frische eingebüßt! Ein Bild des Lebens!“ Da schlug Stella die Augen auf. „Ah, du bist hier? Guten Morgen, wie geht’s? O, weißt du, ich bin hin, zerschlagen!“ „Ich kann mir’s denken,“ antwortete Mira, beugte sich zum jungen Mädchen hin und strich ihr die Haare aus der Stirne. „Hast du dich wenigstens gut unterhalten?“ „Es geht an,“ antwortete Stella, während der Triumph ihr aus den Augen leuchtete. „So spät kamst du zurück.“ „Ich finde nicht. Die Zeit ist immer zu kurz, wenn man sich unterhält; nur das Unangenehme hält gewöhnlich länger.“ „Du sagst dies wegen deiner Freundin Alice?“ Stella stieß ein helles höhnisches Lachen aus. „Ach, hat dir Vater Deaken die Geschichte erzählt? Ich dachte mir Alice nicht als eine so alberne Gans. Arme Alice! Ich hielt sie für vernünftiger, mehr ins Leben eingeweiht.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/99
Zitationshilfe: Sturza, Marie Tihanyi: Das Gelübde einer dreißigjährigen Frau. Leipzig, 1905, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sturza_geluebde_1905/99>, abgerufen am 24.04.2024.