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Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780.

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Tagebuch von einer nach Nizza

Gegen Naumburg zu wird das Land bergig,
und sowohl wegen der schönen und mannichfaltigen
Aussichten, als wegen verschiedener sehr artigen Sce-
nen, welche von großen Felsen gebildet werden, sehr
angenehm.

Verdrüßlich war es mir auf diesem ganzen We-
ge zu sehen, daß die größern und kleinern steinernen
Obelisken, die August der zweyte auf allen Landstraßen
in seinem Lande zu Ausmessung der Wege hat setzen
lassen, fast durchgehends eingestürzt sind.

Naumburg.

Naumburg ist eine geringe, unansehnliche,
aber in einer fruchtbaren und sehr angenehmen Gegend
gelegene Stadt. Die ganze da herum liegende Ge-
gend besteht aus kleinen Bergen, und dazwischen liegen-
den Ebenen und Thälern. Sowohl diese als die Ber-
ge sind mit fruchtbarer Erde bedeckt, und zeigen folg-
lich eine Mannigfaltigkeit von Wäldern, Bäumen,
Wiesen, Weinbergen und Feldern, die sich hier und
da in Gegenden bilden, die man nicht leicht in irgend
einem Lande schöner sehen kann. Der Wein, der

bey
Finanzgesetze so glücklich und so mächtig seyn wür-
de, als es seine natürliche Beschaffenheit erlaubt.
Dennoch würde das große Problem sich auf dieses
leichtere zurückführen lassen: Wie ist es zu veran-
stalten, daß ein ganzes Volk verständig, arbeit-
sam, sparsam und redlich werde?
Wäre diese Fra-
ge aufgelöst, welches ich nicht für unmöglich halte,
und eine Nation wäre so weit gekommen, daß sie den
erwähnten Charakter angenommen hätte, so könnte
man im Handel, im Ackerbau und andern Betrieb-
samkeiten nur jedem die Freyheit lassen, nach seinem
Gutdünken zu verfahren; das Land würde unfehlbar
in den höchsten Wohlstand kommen. Aldenn aber
würde es keine sehr schwere Sache seyn, die nöthi-
gen Landeseinkünfte zusammenzubringen.
Tagebuch von einer nach Nizza

Gegen Naumburg zu wird das Land bergig,
und ſowohl wegen der ſchoͤnen und mannichfaltigen
Ausſichten, als wegen verſchiedener ſehr artigen Sce-
nen, welche von großen Felſen gebildet werden, ſehr
angenehm.

Verdruͤßlich war es mir auf dieſem ganzen We-
ge zu ſehen, daß die groͤßern und kleinern ſteinernen
Obelisken, die Auguſt der zweyte auf allen Landſtraßen
in ſeinem Lande zu Ausmeſſung der Wege hat ſetzen
laſſen, faſt durchgehends eingeſtuͤrzt ſind.

Naumburg.

Naumburg iſt eine geringe, unanſehnliche,
aber in einer fruchtbaren und ſehr angenehmen Gegend
gelegene Stadt. Die ganze da herum liegende Ge-
gend beſteht aus kleinen Bergen, und dazwiſchen liegen-
den Ebenen und Thaͤlern. Sowohl dieſe als die Ber-
ge ſind mit fruchtbarer Erde bedeckt, und zeigen folg-
lich eine Mannigfaltigkeit von Waͤldern, Baͤumen,
Wieſen, Weinbergen und Feldern, die ſich hier und
da in Gegenden bilden, die man nicht leicht in irgend
einem Lande ſchoͤner ſehen kann. Der Wein, der

bey
Finanzgeſetze ſo gluͤcklich und ſo maͤchtig ſeyn wuͤr-
de, als es ſeine natuͤrliche Beſchaffenheit erlaubt.
Dennoch wuͤrde das große Problem ſich auf dieſes
leichtere zuruͤckfuͤhren laſſen: Wie iſt es zu veran-
ſtalten, daß ein ganzes Volk verſtaͤndig, arbeit-
ſam, ſparſam und redlich werde?
Waͤre dieſe Fra-
ge aufgeloͤſt, welches ich nicht fuͤr unmoͤglich halte,
und eine Nation waͤre ſo weit gekommen, daß ſie den
erwaͤhnten Charakter angenommen haͤtte, ſo koͤnnte
man im Handel, im Ackerbau und andern Betrieb-
ſamkeiten nur jedem die Freyheit laſſen, nach ſeinem
Gutduͤnken zu verfahren; das Land wuͤrde unfehlbar
in den hoͤchſten Wohlſtand kommen. Aldenn aber
wuͤrde es keine ſehr ſchwere Sache ſeyn, die noͤthi-
gen Landeseinkuͤnfte zuſammenzubringen.
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[8/0026] Tagebuch von einer nach Nizza Gegen Naumburg zu wird das Land bergig, und ſowohl wegen der ſchoͤnen und mannichfaltigen Ausſichten, als wegen verſchiedener ſehr artigen Sce- nen, welche von großen Felſen gebildet werden, ſehr angenehm. Verdruͤßlich war es mir auf dieſem ganzen We- ge zu ſehen, daß die groͤßern und kleinern ſteinernen Obelisken, die Auguſt der zweyte auf allen Landſtraßen in ſeinem Lande zu Ausmeſſung der Wege hat ſetzen laſſen, faſt durchgehends eingeſtuͤrzt ſind. Naumburg iſt eine geringe, unanſehnliche, aber in einer fruchtbaren und ſehr angenehmen Gegend gelegene Stadt. Die ganze da herum liegende Ge- gend beſteht aus kleinen Bergen, und dazwiſchen liegen- den Ebenen und Thaͤlern. Sowohl dieſe als die Ber- ge ſind mit fruchtbarer Erde bedeckt, und zeigen folg- lich eine Mannigfaltigkeit von Waͤldern, Baͤumen, Wieſen, Weinbergen und Feldern, die ſich hier und da in Gegenden bilden, die man nicht leicht in irgend einem Lande ſchoͤner ſehen kann. Der Wein, der bey *) *) Finanzgeſetze ſo gluͤcklich und ſo maͤchtig ſeyn wuͤr- de, als es ſeine natuͤrliche Beſchaffenheit erlaubt. Dennoch wuͤrde das große Problem ſich auf dieſes leichtere zuruͤckfuͤhren laſſen: Wie iſt es zu veran- ſtalten, daß ein ganzes Volk verſtaͤndig, arbeit- ſam, ſparſam und redlich werde? Waͤre dieſe Fra- ge aufgeloͤſt, welches ich nicht fuͤr unmoͤglich halte, und eine Nation waͤre ſo weit gekommen, daß ſie den erwaͤhnten Charakter angenommen haͤtte, ſo koͤnnte man im Handel, im Ackerbau und andern Betrieb- ſamkeiten nur jedem die Freyheit laſſen, nach ſeinem Gutduͤnken zu verfahren; das Land wuͤrde unfehlbar in den hoͤchſten Wohlſtand kommen. Aldenn aber wuͤrde es keine ſehr ſchwere Sache ſeyn, die noͤthi- gen Landeseinkuͤnfte zuſammenzubringen.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Tagebuch einer von Berlin nach den mittäglichen Ländern von Europa in den Jahren 1775 und 1776 gethanen Reise und Rückreise. Leipzig, 1780, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_reise_1780/26>, abgerufen am 29.03.2024.